Die Hochkonjunktur der Stadtbeleuchtung
Vor 200 Jahren haben Gaslaternen in London erstmals für Licht und damit Sicherheit im bis dato düsteren öffentlichen Raum gesorgt. Der 1. April 1814 gilt als der Beginn der gasbetriebenen Straßenbeleuchtung weltweit. Im Stadtteil um die St.-Margaret’s-Kirche in London wurden damals die alten Öllampen gegen die viel helleren und leichter bedienbaren Gaslaternen ausgetauscht.
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Das Datum hat sich durchgesetzt - auch wenn es nicht stimmt. Schon 1813 war die Londoner Westminster Bridge vom Big Ben bis zum Südufer der Themse mit Gas beleuchtet. Zuvor hatte 1807 bereits der deutsche Gaspionier Friedrich Albrecht Winzer - in Großbritannien als F. A. Winsor bekannt - eine Seite der Prachtstraße Pall Mall im Gaslicht erstrahlen lassen.
Explosionen bei ersten Versuchen
Das Patent wurde zunächst von Traditionalisten bekämpft, bestenfalls aber belächelt. „Ist es vielleicht beabsichtigt, die Kuppel von St. Paul’s zum Gasometer zu machen?“, fragte etwa der Londoner Chemiegelehrte Sir Humphry Davy. Auch gab es Sicherheitsbedenken. Die ersten Versuche mit dem Kohlegas hatten häufig zu Explosionen geführt.
APA/dpa/Britta Pedersen
Im Gaslaternen-Freilichtmuseum Berlin kommen nostalgische Gefühle auf
Obwohl bei den ersten Laternen die Lichtausbeute noch recht schwach war, verbreitete sich die neue Technik über die ganze Welt. Am 31. Oktober 1899 wurde etwa in Wien-Simmering das erste kommunale Gaswerk der Stadt feierlich eröffnet - und die ersten städtischen Gaslaternen leuchteten in der Ringstraße.
Glühstrumpf und Klimt
Der Glühstrumpf, der die ersten Glühbirnen an Helligkeit klar übertraf, machte nicht nur dessen Erfinder Auer von Welsbach reich, sondern auch einen der Direktoren seiner Österreichischen Gasglühlicht-Actiengesellschaft, Moriz Gallia. Er wurde gemeinsam mit seiner Frau Hermine zu einem wichtigen Mäzen der Wiener Secession, insbesondere Gustav Klimts und Josef Hoffmanns. Berühmt wurde Klimts Porträt von Hermine Gallia.
Mehr Lichtausbeute durch österreichische Erfindung
In den Großstädten liefen bei Anbruch der Dunkelheit Laternenanzünder durch die Straßen, um mit Hilfe einer langen Stange die Gasflammen zu entfachen. 1885 ließ sich der österreichische Ingenieur Carl Auer von Welsbach den Glühstrumpf patentieren - und machte damit das Gaslicht deutlich heller.
Die Entwicklung des Lichts in den Städten schritt rasant voran. Von der Gaslaterne ging es zur Glühbirne und weiter zur heute verwendeten LED-Beleuchtung. Spätestens seit der Nachkriegszeit prägen markante Leuchtreklamen das Bild von Städten mit. Der Times Square in New York, der Piccadilly Circus in London und der Las Vegas Strip hätten es ohne ihr künstliches Licht kaum zu Weltruhm geschafft.
Kampf gegen Austausch der Berliner Gaslampen
In Deutschlands Hauptstadt Berlin brennen noch heute jeden Abend 44.000 Gaslaternen. Aber damit könnte bald Schluss sein: Berlin hat in jüngster Zeit viele historische Gaslampen auf Strombetrieb umgerüstet, um Energiekosten zu sparen. „Es ist das typische Beispiel, dass nur nach den Kosten entschieden wird, ohne den wirtschaftlichen Wert eines Stückes Kulturerbe zu betrachten“, sagte die Stiftungschefin der Denkmalschutzinitative World Monuments Watch, Bonnie Burnham. 2013 wurden die Berliner Gaslampen auf die Liste der bedrohten Kulturgüter gesetzt.
„Die charmanten Aspekte des Lebens spielen einfach keine Rolle, obwohl das Gaslicht auf lange Sicht sogar billiger wäre“, sagte Burnham. Laut Erica Avrami, Forschungsdirektorin der Stiftung, gibt es nirgendwo auf der Welt so viele Gaslampen wie in Berlin. „Das hat einen hohen kulturellen Wert, wird von den Berlinern geliebt und hat einen größeren wirtschaftlichen Einfluss als nur für den Tourismus. Denn die Gaslampe ist auf lange Sicht billiger als die LED.“
Obwohl Zehntausende Unterschriften gesammelt worden seien, halte Berlin an der Umstellung fest. „Wir verstehen nicht, warum man ein Stück kulturelles Erbe einfach so aufgibt.“ In Österreich ist dieser Schritt schon lange getan, am 27. November 1962 wurde in Wien-Hietzing die letzte öffentliche Gaslaterne gelöscht.
Lichtverschmutzung als globales Phänomen
Nicht verschwunden ist das Licht aus den Großstädten, die Helligkeit ist inzwischen ein Problem geworden. Die britische Gesellschaft für dunklen Himmel hat vor etwa zwei Jahren einen beeindruckenden Versuch unternommen: 1.000 Teilnehmer sollten in einer klaren Nacht das Sternbild des Orion unter die Lupe nehmen. 53 Prozent sahen nicht mehr als zehn Sterne.
Bob Mizon von der britischen Vereinigung Darksky sieht das kritisch: „Viele Kinder wachsen heute auf und können nicht mehr die Milchstraße sehen“, sagt er. Das ist schade, aber längst nicht das einzige Problem an der zunehmenden Lichtverschmutzung. Umweltschützer halten die Artenvielfalt für vom Licht bedroht, Ärzte sehen schädliche Einflüsse auf den menschlichen Organismus, sie warnen vor hormonellen Störungen und erhöhtem Krebsrisiko.
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