Keine Zahlen aus China
Menschenrechtsexperten beklagen einen alarmierenden Anstieg der weltweit vollstreckten Todesstrafen. Die Zahl der Hinrichtungen sei 2013 im Vergleich zum Jahr davor von 682 auf mindestens 778 gestiegen, teilte Amnesty International (AI) mit. Jedes Jahr aufs Neue sorgt eine Handvoll Staaten für eine steigende Bilanz des staatlich angeordneten Todes.
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Auch im Vorjahr wurden fast 80 Prozent der weltweit hingerichteten Menschen im Iran (mindestens 369), im Irak (mindestens 169) und in Saudi-Arabien (mindestens 79) getötet. Mit den USA (39) und Somalia (mindestens 34) führen sie die aktuelle Statistik von AI an. Europa und Zentralasien blieben dagegen erstmals seit 2009 todesstrafenfrei. 2013 wurden zudem mindestens 1.925 Menschen (2012: 1.722) in 57 Ländern (2012: 58) zum Tode verurteilt.
Mehr als 1.000 Exekutionen in China?
Dem Bericht zufolge sind der Iran, der Irak und Saudi-Arabien für fast 80 Prozent der Hinrichtungen außerhalb Chinas verantwortlich - wobei im Iran von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen ist. Dort und im Irak werden Todeskandidaten in der Regel erhängt, in Saudi-Arabien werden sie üblicherweise enthauptet.
In China werden nach Darstellung von AI jährlich deutlich mehr als 1.000 Menschen hingerichtet. Eine konkrete Jahresschätzung für das Land veröffentlicht die Organisation seit 2009 nicht mehr, weil Peking die Zahlen als Staatsgeheimnis betrachtet und keine verlässliche Schätzung möglich ist. Auch aus Nordkorea gibt es keinerlei verlässliche Zahlen. Die Organisation geht von mindestens 70 Hinrichtungen im vergangenen Jahr aus, veröffentlicht aber auch diese Zahl offiziell nicht.
Iran und Irak für Anstieg verantwortlich
„Auffallend an der aktuellen Statistik ist die Polarisierung zwischen der Fortsetzung des weltweiten Abschaffungstrends und einem alarmierenden Gegentrend", sagte dazu Heinz Patzelt, Generalsekretär von AI Österreich in einer Aussendung. Bei Staaten, in denen Menschenrechte grundsätzlich infrage gestellt würden, sei ein sehr schmerzlicher Anstieg der Hinrichtungen zu sehen“, verwies er vor allem auf den Iran und den Irak.
Die beiden Staaten sind beinahe alleine für den Anstieg der weltweiten Hinrichtungen verantwortlich. AI schätzt, dass es im Iran Hunderte weitere, offiziell nicht bestätigte Exekutionen gab. „Völlig einzigartig bleibt China“ sagte Patzelt. „Das genaue Ausmaß ist mit präzisen Zahlen nicht erfassbar, stellt aber jedenfalls ein Vielfaches der gesamten restlichen Welt dar.“
Vorsichtiger Optimismus
Ungeachtet des Anstiegs zeigten sich die Experten der Organisation, die sich seit Jahrzehnten massiv für die Abschaffung von Todesurteilen einsetzt, optimistisch. „Es gibt einen klaren Trend hin zur Abschaffung der Todesstrafe“, sagte AI-Generalsekretär Salil Shetty. „Der langfristige Trend ist klar - die Todesstrafe wird zu einer Sache der Vergangenheit.“
Als Erfolg wertete Shetty, dass die Region Europa und Zentralasien 2013 völlig ohne Hinrichtung ausgekommen sei, nachdem Weißrussland kein Todesurteil vollstreckt habe. Gambia, die Vereinigten Arabischen Emirate und Pakistan hätten 2013 keine neuen Todesurteile mehr verhängt.
23.500 Menschen warten auf ihre Hinrichtung
Inzwischen haben laut AI 140 Staaten die Todesstrafe im Gesetz oder in der Praxis abgeschafft. In den USA habe Maryland als 18. Bundesstaat der Todesstrafe eine Absage erteilt. Allerdings werde in den USA werde weiterhin die Richtlinie missachtet, keine Menschen mit geistigen oder psychischen Behinderungen hinzurichten, beklagte der Bericht. Auch Rassismus sei in den USA noch immer ein Thema. Insgesamt säßen weltweit fast 23.500 Menschen in Gefängnissen und warteten auf ihre Hinrichtung, so der Bericht.
Religiös motivierte Strafen und Ehrendelikte
Viele Sorgen machen den Menschenrechtsexperten die Begründungen für die Todesurteile. Oft sind es religiös motivierte Strafen, etwa für Blasphemie und Ehrendelikte wie Ehebruch. Aber auch bei Kapitaldelikten habe die Todesstrafe keinen Sinn. „Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass die Todesstrafe als hinreichende Abschreckung für Kapitalverbrechen dient“, sagt Audrey Gaughran von AI.
In Ländern wie Indonesien und Vietnam gab es AI zufolge Fälle, in denen Familienangehörige und Anwälte nicht über Hinrichtungen informiert wurden. Zuweilen wurde nach der Exekution nicht einmal die Leiche übergeben.
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