Viele Fragen zur Kunstsammlung
Sollen Republik oder Land Niederösterreich die Sammlung Essl kaufen – und so zur Rettung der Arbeitsplätze der Baumarktkette bauMax beitragen? Seit Montag hat Österreich eine Debatte, in der die Frage des Schicksals eines Unternehmens mit dem Wert einer privaten Kunstsammlung, die noch nicht lange genug Stiftung ist, um vor dem Zugriff der Gläubiger sicher zu sein, gegengerechnet wird.
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Mit dieser Frage eröffnen sich – mindestens – zwei weitere Fragen: Wie viel würde für die Sammlung, würde sie geschlossen verkauft, erlöst? Und wie viele der kolportierten 4.000 Arbeitsplätze ließen sich retten? Der Chef des Gläubigerschutzverbandes Creditreform, Gerhard Weinhofer, rechnete damit, dass man bei bauMax zumindest das Österreich-Geschäft retten könne. Weniger optimistisch ist er für Osteuropa: Dort und in der Türkei sei mit hohen Schließungskosten zu rechnen, sagte Weinhofer am Dienstag im Ö1-Morgenjournal. Firmengründer Karlheinz Essl teilt diese Ansicht nicht, er will alles retten - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Ostermayer gegen Zerschlagung
Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) will, wie er am Dienstag betonte, auf jeden Fall eine Zerschlagung der Kunstsammlung verhindern. „Das wäre ein großes Problem für den Kunstmarkt“, sagte er am Dienstag nach dem Ministerrat. Er verwies auf den von ihm initiierten runden Tisch in der kommenden Woche, wo erst einmal Zahlen und Fakten außer Frage gestellt werden sollen.
Im Falle einer eventuellen Zerschlagung der Kunstsammlung sieht Ostermayer „viele Probleme“ auf Galerien und Künstler zukommen. Allerdings betonte er auch, dass sich die Regierung derzeit in einer Situation der Budgeterstellung befindet, „wo es ganz eng ist“. Für Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) stellt sich zudem die Frage, wann letztlich Geld fließen muss. „Die Republik ist bereit, hier mitzuwirken“, sagte er jedenfalls.
Mehr als 50 Prozent Chance auf Erhalt der Kette
Die Chance, dass bauMax erhalten bleibt, schätzt Weinhofer auf „größer als 50 Prozent“. Essl geht davon aus, dass die Baumarktkette mit dem Geld aus dem Kunstverkauf an den Staat gerettet werden könne. Doch Essl war früher auch stets optimistischer, was das Schicksal seiner Baumärkte anlangte. Zwar stehe jedes Land auf dem Prüfstand, und es werde zu einzelnen Schließungen kommen, räumte er ein, ob es Insolvenzen geben werde, werde man aber erst sehen.
BauMax befindet sich tief in den roten Zahlen. Die osteuropäischen Tochterfirmen sind unter Wasser, allein die rumänische Tochter schrieb 2012 einen Verlust von rund 26 Mio. Euro. In der Türkei betrugen die Verluste 14 Mio. Euro, in Kroatien machten sie fast elf Mio. Euro aus. Im größten Auslandsmarkt Tschechien waren es 2012 6,7 Mio. Euro Miese. In Bulgarien schrieb die Kette einen Verlust von 6,5 Mio. Euro, in Slowenien waren es 4,2 Mio. Euro. Einzig in der Slowakei machte bauMax einen Jahresüberschuss von 1,1 Mio. Euro. Zahlen für 2013 liegen noch nicht vor.
Gefahr stand schon 2012 im Raum
Schon im Prüfungsurteil für 2012 räumten die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young ein, dass der Fortbestand des Unternehmens gefährdet ist, wenn die geplanten Restrukturierungsmaßnahmen nicht umgesetzt werden können. Das Grundkapital von bauMax war zu dem Zeitpunkt bereits zu mehr als der Hälfte aufgebraucht.
Wie viel würde die Sammlung kosten
Der öffentlichen Hand wollte Essl die Kunstsammlung um rund 86 Millionen Euro, den kolportierten Buchwert der Sammlung, anbieten. Am Montag brachte er sich als weiterer Leiter der Sammlung ins Spiel, selbst wenn diese von der öffentlichen Hand geführt würde. Das Modell dahinter ist klar: die Sammlung Leopold. Doch die Probleme, die sich die Republik mit dieser Führungsstruktur eingetreten hat, sind über die Jahre auch hinlänglich dokumentiert.
Mittlerweile zeigt sich Essl deutlich eher verhandlungsbereit, auch was die Führung der Sammlung anlangt. Zu Verhandlungen mit Ostermayer soll es in den nächsten Tagen kommen. Zweiter Ansprechpartner im Bereich öffentliche Hand wäre das Land Niederösterreich, das ohnedies gerade das ganze Land mit neuen Museen zur modernen Kunst auszustatten scheint. Doch das Land will im Moment zuwarten, wie man am Dienstag via Aussendung verlauten ließ.
Essl: Sammlung als „Bildungsauftrag“
Sammlungsgründer Essl nennt den Erhalt der Sammlung einen „Bildungsauftrag“. Doch über den Nutzen der Sammlung für die öffentliche Hand gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Anders als im Fall der Sammlung Leopold würde die Republik Bestände zur heimischen Kunst ab den 1950er Jahren vervollständigen und ergänzen. Lücken, wie sie in Österreich beispielsweise zur Kunst des Expressionismus klafften und immer noch klaffen, würde man nicht schließen. Die Essls kauften bei vielen Künstlern Werkgruppe und –konvolute. Nicht selten beauftragte man Porträts der Sammler dazu. Nicht nur Jörg Immendorff.
Selbst große Namen wie Alex Katz hielten das Sammlerpaar auf großen Tableaus fest. Das Essl Museum war nicht zuletzt auch ein Motor, Künstlern große Aufmerksamkeit zu gewähren – zu welchen Konditionen man Bilder erworben hat, das wird wohl nur der Sammler wissen. Und klugerweise für sich behalten.
Vor zwei Jahren: „Kunst hängt mit Unternehmen nicht zusammen“
Vor knapp zwei Jahren sah die Familie Essl jedenfalls noch keinen Konnex zwischen bauMax-Schicksal und der Kunstsammlung. „In den vergangenen Jahren mussten Sie über 50 Mio. Euro nachschießen, um Baumax über Wasser zu halten. Hätten Sie darum lieber Bilder gekauft?“, wurde Essl gefragt. „Nein. Das sind zwei total verschiedene Unternehmensbereiche“, so die Antwort des Unternehmers: „Die Kunst ist eine gemeinnützige Privatstiftung und hängt mit dem Unternehmen nicht direkt zusammen. (…) Das eine hat mit dem anderen nichts mehr zu tun. Die beiden Bereiche sind absolut getrennt.“
Ablehnung der Opposition
Von den Oppositionsparteien kam am Dienstag Ablehnung zu einem Ankauf der Sammlung Essl. FPÖ, Team Stronach (TS)und die Grünen sprachen sich gegen einen Ankauf aus. Man brauche sicher keinen zweiten Fall Leopold, so der Kultursprecher der Grünen, Wolfgang Zinggl, und spielte damit auf den Kauf einer Kunstsammlung an, die dann in eine Privatstiftung eingebracht werde und wo man auf jegliche Rechte verzichtet habe. Das Leopold Museum empfahl wieder genau das Modell Leopold - dieses habe sich als „Erfolgsmodell“ erweisen. Grund für den Erfolg: Die Kunstwerke seien um ein Vielfaches wertvoller geworden.
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