EU greift Ukraine unter die Arme
Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk hat am Freitag gemeinsam mit den EU-Staats- und -Regierungschefs den ersten - politischen - Teil des Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine und der Europäischen Union unterzeichnet, wie der EU-Ministerrat mitteilte. Während Brüssel Kiew bereits jetzt einseitig Handelserleichterungen gewähren will, bleibt der Handels- und Wirtschaftsteil des Abkommens noch offen.
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Offenbar gleichzeitig stimmte der Föderationsrat in Moskau in letzter Instanz der Aufnahme der zur Ukraine gehörenden Schwarzmeer-Halbinsel Krim in die Russische Föderation zu. Damit ist die Krim nach russischem Recht nun endgültig Teil Russlands.

APA/EPA/Olivier Hoslet
Die Unterzeichnungszeremonie in Brüssel mit Jazenjuk und EU-Ratspräsident Van Rompuy
Jazenjuk äußerte sich erleichtert über das Abkommen mit der EU. „Diese Übereinkunft entspricht den Erwartungen von Millionen Ukrainern, die Teil der EU sein wollen“, sagte Jazenjuk nach der Unterzeichnung. Die damit verbundene Zusammenarbeit in Sicherheits- und Verteidigungsfragen sei von „höchster existenzieller“ Bedeutung.
Jasenjuk fordert Energielieferungen aus EU
„Die Europäische Union steht an der Seite der neuen Ukraine“, sagte EU-Ratspräsident Herman van Rompuy bei der Unterzeichnungszeremonie. „Diese Geste symbolisiert die Bedeutung, die beide Seiten dieser Beziehung beimessen.“ Mit der Unterschrift erkenne die EU zudem die Hoffnungen der Menschen in der Ukraine an, „in einem Land zu leben, das von Werten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit regiert wird und in dem alle Bürger einen Anteil am nationalen Wohlstand haben“.
Jazenjuk warf Russland vor, alle Verträge mit der Ukraine gebrochen zu haben und über eine Verdoppelung des Gaspreises die Ukraine für ihre Hinwendung zur EU zu bestrafen. Auf diese Weise werde der Energierohstoff zu einer „neuen Atomwaffe“. Russland verkaufe seine Rohstoffe an den Westen, kaufe für die erlösten Euro und Dollar Waffen und marschiere dann in ein Nachbarland ein, sagte Jazenjuk. Er forderte deshalb Energielieferungen aus der EU. Es sei sehr wichtig für die Ukraine, dass Energie „in umgekehrter Richtung“ fließe.
Zusammenarbeit in mehreren Bereichen
Das Abkommen zwischen der EU und der Ukraine war in seiner ursprünglichen Fassung 1.200 Seiten stark. Der damalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch weigerte sich unter russischem Druck im November, das Abkommen zu unterzeichnen. Die Verweigerung löste die Demonstrationen und in der Folge den Machtwechsel in der Ukraine bis hin zur Krim-Krise aus. In dem Abkommen werden unter anderem die Respektierung der demokratischen Grundrechte und der Menschenrechte, die freie Marktwirtschaft, die europäische Integration und eine enge Kooperation in der Außenpolitik, in Justiz- und Grundrechtsfragen festgelegt.
Gespräche mit Moskau über Freihandelszone?
Die EU hatte Russland im Februar zugesagt, vor Schaffung einer Freihandelszone mit der Ukraine noch einmal mit Moskau zu sprechen. Dennoch wird die EU einseitig und ohne ukrainische Gegenleistung voraussichtlich ab Juni fast vollständig auf Zölle bei der Einfuhr von Waren aus der Ukraine verzichten. Damit wird die Ukraine nach Berechnungen der EU-Kommission um knapp 500 Millionen Euro jährlich entlastet. Der politische Teil des Assoziierungsabkommen sieht auch vor, dass Ukrainer - sofern bestimmte rechtliche, organisatorische und politische Voraussetzungen erfüllt sind - auch ohne Visa in die EU reisen dürfen. Auch im Energiebereich ist eine enge Zusammenarbeit vorgesehen.
Lawrow sieht geopolitisches Spiel
Russland warf der Führung in Kiew vor, mit dem Abkommen nicht die Interessen des ukrainischen Volkes zu wahren. „Das ist vielmehr ein Versuch, im geopolitischen Spiel zu punkten“, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Freitag der Agentur Interfax zufolge in Moskau. „Die Machthaber haben die Unterzeichnung des Abkommens verkündet ohne Unterstützung des gesamten Landes.“ Nötig sei aber ein nationaler Konsens, sagte Lawrow.
Faymann kritisiert Putin
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) verteidigte die Unterzeichnung. Vor Beginn des zweiten Gipfeltages am Freitag sagte Faymann, es wäre „wohl ein ganz falsches Signal, das unter irgendeinem Druck von außen zurückzuziehen“. Auf die Frage, ob damit nicht die Gefahr bestehe, zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen, sagte Faymann: „(Russlands Präsident Wladimir, Anm.) Putin reagiert heftig auch ohne alle Assoziierungsabkommen.“
Schon beim Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius sei die Bereitschaft der EU da gewesen, das Abkommen zu unterzeichnen. Die Ukraine habe entschieden, den politischen Teil zu unterzeichnen, „nicht weil wir etwas zurückgezogen haben“, und nicht den Handelsteil. Jazenjuk „wird wissen, wie und welche Strategie er in seinem Land einschlagen möchte“, so Faymann. Faymann sprach sich auch für eine weitere Neutralität der Ukraine aus.
Jazenjuk will Moskau die Hand reichen
Jazenjuk bot unterdessen eine Zusammenarbeit mit Russland an, um weiteres Blutvergießen im Krim-Konflikt zu verhindern. In der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitag-Ausgabe) schlug er dafür die Bildung einer Viererkommission vor, „der die Verteidigungsminister Großbritanniens, der USA, Russlands und der Ukraine angehören“. Sonst werde Blut fließen, nachdem bereits ein ukrainischer Soldat erschossen worden sei. Jazenjuk hofft dabei auf die Unterstützung der Vereinten Nationen. Deren Generalsekretär Ban Ki Moon werde er in Kürze treffen.
Die von dem Politiker genannten vier Länder, die in der Kommission vertreten sein sollen, sind die Unterzeichner des Budapester Memorandums von 1994. Darin hatten sich Russland, die USA und Großbritannien zu Sicherheitsgarantien für die Ukraine verpflichtet und deren Unabhängigkeit garantiert.
„Russland will Ostukraine“
Jazenjuk kündigte darüber hinaus eine Konferenz seiner Regierung an, „in der wir über die nötigen Schritte reden, die den Osten (der Ukraine) befrieden könnten“. Er selbst werde in der nächsten Woche in diese Region reisen, in der es Forderungen nach einem Referendum nach dem Vorbild der Krim gibt. Jazenjuk unterstrich, für ihn sei „kristallklar“, dass Russland nach der Krim nach weiteren Gebieten seines Landes greife.
„Es liegt auf der Hand, dass sie die Ostukraine wollen, und ich habe keinen Zweifel daran, dass sie deshalb Demonstranten und bezahlte Provokateure über die Grenze schicken“, sagte er. „Wir sind bereit, uns zu verteidigen, aber wir werden uns nicht auf terroristische Forderungen der russischen Regierung einlassen.“
„Raubüberfall von internationaler Dimension“
Die internationale Gemeinschaft forderte Jazenjuk zur Solidarität mit seinem Land auf. „Wir haben alles getan, um einen Krieg zu verhindern“, sagte er. Russland müsse nun seine Truppen von der Grenze abziehen. „Und wir fordern die Welt auf, eine angemessene Antwort auf eine russische Intervention zu finden, die im 21. Jahrhundert stattfindet und die nichts ist als ein Raubüberfall von internationaler Dimension.“
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