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„Stufe drei“ bereits im Gespräch

Im Konflikt mit Russland haben die EU-Staats- und -Regierungschefs bei ihrem Gipfel in Brüssel am späten Donnerstagabend ihre Sanktionsliste verlängert. Es soll weitere Einreiseverbote und Kontensperren geben, im Falle einer Eskalation des Konflikts droht die Union Moskau auch mit wirtschaftlichen Strafmaßnahmen.

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Laut dem französischen Staatspräsidenten Francois Hollande stehen statt bisher 21 jetzt 33 Personen auf der EU-Sanktionsliste. Es handle sich um Personen sowohl russischer als auch ukrainischer Nationalität, die die Annexion der Krim unterstützt hätten. Konkrete Namen wurden vorerst nicht genannt. Hollande kündigte außerdem an, dass der für den Juni geplante EU-Russland-Gipfel nicht stattfinden werde.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel brachte auch „Stufe drei“ ins Gespräch. Damit wären nach dem derzeitigen Fahrplan wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland gemeint. „Wir wollen die Kommission (EU-Kommission, Anm.) bitten zu prüfen, in welchem Bereich Maßnahmen der Stufe drei stattfinden könnten“, sagte Merkel. Das solle allerdings erst passieren, wenn sich die Lage in der Ukraine weiter zuspitzen sollte. EU-Gipfelchef Herman van Rompuy warnte Moskau davor, dass weitere „Schritte zur Destabilisierung der Ukraine ernsthafte Konsequenzen“ nach sich ziehen würden.

US-Politik nimmt Gegensanktionen gelassen

Zuvor hatte US-Präsident Barack Obama eine Ausweitungen der Strafmaßnahmen seines Landes gegen Moskau bekanntgegeben. Die neuen Sanktionen beträfen weitere russische Regierungsfunktionäre, es handle sich dabei um Kontensperren und Einreiseverbote, sagte der US-Präsident bei einer Rede am Donnerstag. Außerdem habe Washington eine „Reihe anderer Individuen mit bedeutenden Ressourcen und Einfluss“, die Russlands Führung unterstützen, auf die Sanktionsliste gesetzt. Betroffen ist auch eine russische Bank.

Moskau kündigte daraufhin seinerseits Einreiseverbote für US-Vertreter an. Dazu zählten neun Politiker wie der republikanische Senator John McCain und der Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, wie das Außenministerium in Moskau mitteilte. McCain nahm es mit Humor: „Das bedeutet wohl, dass meine Frühlingsferien in Sibirien geplatzt sind, meine Gasprom-Aktien verloren sind und dass mein geheimes Bankkonto in Moskau eingefroren ist.“

Moskau: Werden immer antworten

Russland will trotz gegenseitiger Sanktionen die Zusammenarbeit mit den USA und der EU aufrechterhalten. Die von USA und EU verhängten Strafmaßnahmen seien inakzeptabel, sagte ein Sprecher von Präsident Wladimir Putin am Freitag in Moskau. Trotzdem wolle Russland die Zusammenarbeit mit der EU und den USA weiterentwickeln.

Der Sprecher kündigte auch an, Russland werde auf die jüngst beschlossenen Sanktionen reagieren. „Wir werden immer antworten“, sagte der Sprecher. „Wir haben auf die ersten Sanktionen geantwortet. Nun werden wir auch auf diese reagieren.“ Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte zuvor die gegen sein Land verhängten Sanktionen als irrational bezeichnet. Sie würden nur unnötige Barrieren errichten.

Warnung vor weiteren „Einfällen“ in der Ukraine

Obama hatte am Donnerstag Russland ausdrücklich auch vor „Einfällen in den Süden und Osten der Ukraine“ gewarnt und mit weiteren Maßnahmen gedroht. In einer neuen Verordnung habe er die Grundlage für mögliche Sanktionen gegen „Schlüsselsektoren“ der russischen Wirtschaft geschaffen. „Russland muss wissen, dass eine weitere Eskalation es nur weiter von der internationalen Gemeinschaft isolieren würde“, so Obama.

Nunmehr haben die USA die Möglichkeit, auch den für Russland wichtigen Erdgas- und Erdölsektor mit Strafmaßnahmen zu belegen. Sanktionen gegen solche „Schlüsselsektoren“ hätten „bedeutende Auswirkungen“ auf die russische und die globale Wirtschaft, betonte Obama.

Runde der G-8 „gibt es nicht mehr“

Merkel hatte zuvor Donnerstagvormittag gesagt, angesichts der Annexion der Krim sehe sie derzeit keine Grundlage für eine Zusammenarbeit mit Russland in der Gruppe der acht wichtigsten Industriestaaten (G-8). „Solange das politische Umfeld für ein so wichtiges Format wie die G-8 nicht mehr gegeben ist, gibt es die G-8 nicht mehr“, so die deutsche Bundeskanzlerin vor ihrer Abreise nach Brüssel in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag in Berlin.

Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk warnte Moskau vor einem Versuch der Annexion weiterer, etwa der östlichen Teile seines Landes. Eine solche würde man militärisch beantworten. „Entwarnung“ kam vom Pentagon: Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe seinem US-Kollegen Chuck Hagel telefonisch versichert, russische Truppen würden nicht in die Ostukraine einrücken. Auf der Krim brachten russische Soldaten laut Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums am Donnerstag drei Kriegsschiffe unter ihre Kontrolle.

Putin innenpolitisch im Aufwind

Jazenjuk rief die EU auf, Russland mit Wirtschaftssanktionen zu bremsen. „Jedem sollte klar sein, dass für Stabilität in der Welt ein Preis zu zahlen ist.“ Es sei „besser, Euro und Dollar zu opfern, als über Tausende Opfer eines blutigen Krieges zu trauern“.

So isoliert er außenpolitisch derzeit auch sein mag, innenpolitisch schadet sein Kurs Kreml-Chef Putin keineswegs - im Gegenteil: Er ist beliebt wie seit fünf Jahren nicht. 75,7 Prozent der Russen seien mit der Arbeit des Präsidenten zufrieden, teilte das staatliche Meinungsforschungsinstitut WZIOM am Donnerstag mit. Damit habe die Beliebtheit des 61-Jährigen allein im vergangenen Monat um 11,4 und seit Jahresbeginn um mehr als 15 Prozentpunkte zugenommen.

EU kündigt eigene Beobachtermission an

Van Rompuy plädierte nach dem Gipfel am Donnerstagabend dafür, wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen für die Ukraine möglichst rasch in die Wege zu leiten. Derzeit bereitet die EU-Kommission eine aufgestockte Zahlungsbilanzhilfe von 1,6 Mrd. Euro für die vom Bankrott bedrohte Ukraine vor.

Verhandlungen über eine Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ukraine scheiterten am Donnerstag erneut. Weitere Beratungen seien bis auf weiteres suspendiert worden, hieß es. Gespräche würden erst wieder aufgenommen, wenn Aussicht auf Erfolg bestehe. Anstelle der Beobachtungsmission beschloss die OSZE am Donnerstag die Entsendung eines „Nationalen Dialogteams“ - ein solches benötigt nur die Zustimmung des Gastlandes Ukraine. Van Rompuy kündigte zusätzlich „in Abwesenheit einer OSZE-Mission“ die Entsendung einer eigenen EU-Beobachtermission an. Die Staatschefs forderten die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton auf, entsprechende Pläne dafür auszuarbeiten.

Russland: OSZE-Mission, aber ohne Krim

Russland hält indes eine OSZE-Mission in der Ukraine für möglich, schließt diese für die Krim aber aus. Zudem sei Russland gegen einen „Freifahrtschein“ für eine beliebige Zahl von Beobachtern, sagte Lawrow am Freitag im russischen Föderationsrat. Eine solche Mission könne aufklären, wie rechtsextreme ukrainische Nationalisten gegen die russischsprachige Bevölkerung vorgingen. Die Halbinsel Krim ist für die Beobachter nicht zugänglich, weil Russland sie nun offiziell zu seinem Staatsgebiet erklärt hat.

Russland werde einer OSZE-Beobachtermission in der Ukraine nur dann zustimmen, wenn „absolute Klarheit darüber besteht, wie viele Beobachter entsandt werden, wo diese stationiert werden und was sie tun“, hatte der russische OSZE-Botschafter Andrej Kelin, am Donnerstag nach einer Sitzung des ständigen Rates in Wien gesagt. Man habe in der Vergangenheit sehr negative Erfahrungen gemacht und wolle nicht, dass sich diese wiederholen.

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