Verdienen statt sperren
Die Musikindustrie scheint spät, aber doch Geschäftsmodelle für die digitale Ära gefunden zu haben. In den USA stiegen die Gesamtumsätze 2013 um 0,8 Prozent, in Europa drehten sie zum ersten Mal seit zwölf Jahren ins Plus. Die Industrie hofft, damit die Wende geschafft zu haben - und die Zauberformel lautet „Zugang statt Eigentum“.
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Denn während laut dem im vergangenen Jahr präsentierten Bericht des Branchenverbands IFPI die Verkäufe von Musik - egal, ob physisch etwa per CD oder digital als Download - eher zurückgehen, boomen Streamingdienste. Die Kleinstbeträge von einem Bruchteil eines Cents, die Spotify und Deezer pro Song abwerfen, summieren sich aber mit der zunehmenden Beliebtheit der Angebote. Sie verbuchten ein Umsatzplus von 51 Prozent auf gut 1,1 Milliarden Dollar. Der Bericht für 2014 ist noch ausständig.
Zuletzt gab es weltweit 28 Millionen Nutzer solcher Dienste, bei denen die Musik direkt aus dem Netz abgespielt wird. In Schweden, dem Heimatland von Spotify, machen Abodienste bereits 70 Prozent des gesamten Musikgeschäfts aus und haben sogar die CD in eine Nische gedrängt.
„Monetarisierung“ leicht gemacht
Am Deutlichsten machen den Paradigmenwechsel aber die Gewinne bei YouTube: Über das - durchaus umstrittene - System Content ID werden auf YouTube hochgeladene Videos automatisch einer Urheberrechtsprüfung unterzogen und Verstöße den Rechteinhabern gemeldet. Früher wäre die Reaktion der Musikindustrie klar gewesen: Entsprechende Clips werden gesperrt.
Doch nun reagiert man anders, man „monetarisiert“ sie: Die Branche schaltet einfach Werbung in diesen Clips, deren Einnahmen sie kassieren kann. Und laut IFPI-Bericht verdient die Industrie an solchen Videos, seien es nachgestellte Playback-Darstellungen von Fans, Hochzeittanzvideos zu aktuellen Hits oder Scherzclips mit „geborgtem“ Soundtrack, mehr als mit den Originalmusikvideos der Künstler. Vor allem aber Parodien, teilweise höchstprofessionell produziert, boomen.
Cash für Klicks
„Es ist ein riesiger Wachstumsmarkt. Wir sind sehr begeistert von der Kreativität der Konsumenten“, sagte Francis Keeling, zuständig für das digitale Geschäfts bei Universal Music, dem „Toronto Star“. Einerseits würden immer mehr Fans ihre eigenen Versionen von Songs ins Web stellen, andererseits seien auch die Werbemöglichkeiten auf YouTube besser geworden.
Wie viel Rechteinhaber damit verdienen, hängt von etlichen Faktoren ab und ist auch länderspezifisch höchst unterschiedlich. Als vage Faustregel gilt aber rund zwei Dollar pro 1.000 Klicks. Auch Vevo, das von YouTube und den großen Plattenfirmen gemeinsam gegründete Musikvideoportal, konnte laut IFPI 2013 sine Umsätze deutlich steigern.
Sorgenkind Japan
Die Musikbranche macht aber nach wie vor den Großteil ihres Geschäfts mit der CD. „Sie schlägt sich besser, als wir vor fünf Jahren gedacht hätten“, sagte ein Manager des Musikmarktführers Universal Music, Max Hole. Physische Tonträger machten 2013 Jahr noch 51 Prozent des Geschäfts aus, trotz eines Umsatzrückgangs von 11,7 Prozent.
Insgesamt ist der weltweite Markt rund 15 Milliarden Dollar schwer. Global schrumpfte er 2013 um 3,9 Prozent. Auslöser war ein Einbruch der CD-Verkäufe in Japan. Das Land bekommt erst jetzt den dramatischen Wandel des Geschäfts durch das Internet zu spüren, den Europa und die USA schon durchlebt haben. Der Umsatz brach 2013 um 16,7 Prozent ein, umgekehrt gibt es auf dem zweitgrößten Musikmarkt der Welt noch kaum userfreundliche digitale Vertriebswege.
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