Gezielter Schuss von Polizisten?
Nach dem Tod des Jugendlichen Berkin Elvan, der in der vergangenen Woche neue Proteste in der Türkei ausgelöst hatte, sind neue Vorwürfe gegen die Polizei aufgetaucht. Wie türkische Medien am Dienstag berichteten, warf ein Augenzeuge der Polizei vor, aus einer Entfernung von 15 bis 20 Metern mit einem Tränengasgewehr gezielt auf den damals 14-jährigen Buben in Istanbul geschossen zu haben.
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Der Augenzeuge Özgür Karagöz sagte auf Initiative des Anwalts der Familie Elvan bei der Staatsanwaltschaft aus, die den Tod des Jugendlichen untersucht. Nach Aussagen des Augenzeugen hatte der Beamte, der auf Elvan schoss, blonde Haare und trug eine Gasmaske. Der Jugendliche habe den Polizisten zugerufen, sie sollten nicht schießen, er wolle nur Brot kaufen. Elvan war während der Gezi-Proteste im Juni des vergangenen Jahres von einer Tränengasgranate der Polizei am Kopf getroffen worden und in der vergangenen Woche nach monatelangem Koma im Krankenhaus gestorben.
Politisches Tauziehen
Elvans Familie hatte stets betont, ihr Sohn sei als Unbeteiligter in Auseinandersetzungen zwischen Gezi-Demonstranten und der Polizei geraten, als er auf dem Weg zum Bäcker war. Dagegen hatte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan das Vorgehen der Polizei gerechtfertigt und den Jugendlichen in die Nähe von Terroristen gerückt. Präsident Abdullah Gül hingegen sprach sich dafür aus, dass der Schuldige gefunden werden soll. In dem Fall wurden mehrere Polizisten vernommen, eine Anklage gibt es bisher aber nicht. Das Innenministerium will nun auf Grund der neuen Zeugenaussagen eine neue Untersuchung einleiten.
Zwei Millionen protestierten
Die Nachricht von seinem Tod löste vorige Woche neue Straßenschlachten zwischen regierungskritischen Demonstranten und der Polizei in Istanbul sowie in weiteren Städten des Landes aus. Laut Presseangaben gingen insgesamt rund zwei Millionen Menschen auf die Straßen. Es habe Proteste in 53 Städten gegeben, darunter Istanbul, Ankara und Izmir, berichtete „Hürriyet Daily News“ am Freitag.
Laut der Zeitung wurden bei der Protestwelle mehr als 70 Menschen verletzt, darunter 19 Polizisten. 417 Demonstranten wurden festgenommen. Zudem starb ein Polizist an einem Herzinfarkt nach dem Einatmen von Tränengas, ein junger Mann wurde bei einer Schlägerei unter Demonstranten getötet. Die jüngste Protestwelle verdeutlicht die anhaltende Wut der Bevölkerung auf die Regierung Erdogan, die sich Ende März wichtigen Kommunalwahlen stellen muss.
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