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„Nehmen wir Ihnen nicht ab“

Uli Hoeneß muss mit einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten für seine millionenschwere Steuerhinterziehung büßen. Das Landgericht München sprach den Präsidenten von Deutschlands Fußballrekordmeister Bayern München am Donnerstag in einem der spektakulärsten Steuerverfahren in Deutschland in sieben Fällen schuldig. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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Hoeneß hatte dem Fiskus mit einem Geheimkonto in der Schweiz fast 30 Millionen Euro an Steuern vorenthalten. Die zuletzt genannte Summe von 27,2 Millionen Euro erhöhte sich noch einmal auf 28,5 Millionen Euro, weil noch ein Solidaritätszuschlag einberechnet werden müsse, sagte Richter Rupert Heindl bei der Urteilsbegründung. Dieser 1991 eingeführte Zuschlag, der mit den Kosten der deutschen Wiedervereinigung begründet wird, beträgt 5,5 Prozent des Steuerbetrags aus Einkommen-, Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer.

Es handle sich bei den Vergehen des Bayern-Präsidenten nicht um einen besonders schweren Fall von Steuerhinterziehung. Allerdings sei Steuerhinterziehung ein Vorsatzdelikt, betonte Heindl. „Das bloße Berufen darauf, die Bank habe quasi alles alleine gemacht, nehmen wir Ihnen nicht ab.“

Bayern-München-Präsident Uli Hoeneß vor Gericht

AP/Michael Dalder

Ein sichtlich angespannter Hoeneß am letzten Prozesstag

Deutlich unter Forderung der Anklage

Das Gericht blieb deutlich unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die wegen eines besonders schweren Falles von Steuerhinterziehung für eine Haft von fünf Jahren und sechs Monaten plädiert hatte. Die Verteidigung hielt höchstens eine Bewährungsstrafe für angemessen, sollte das Gericht die Selbstanzeige als unwirksam erachten.

Beide Parteien können bis zum 20. März Berufung einlegen. Die Verteidigung wird das auch sicher machen. „Wir werden das Urteil natürlich mit dem Rechtsmittel der Revision angreifen“, sagte Hoeneß-Anwalt Hanns Feigen. Der erste Strafsenat des Bundesgerichtshofes werde sich dabei insbesondere mit den Anforderungen an die Wirksamkeit einer Selbstanzeige beschäftigen müssen. „Entscheidend ist, wie mit einer solchen nicht idealen Selbstanzeige umzugehen ist“, so Feigen.

Staatsanwalt überlegt noch

Die Staatsanwaltschaft hält sich den Einsatz möglicher Rechtsmittel offen. „Wir werden ab morgen (Freitag, Anm.) noch einmal die Urteilsgründe untersuchen und dann entscheiden, ob wir ebenfalls in Revision gehen werden oder nicht“, sagte Ken Heidenreich, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Hoeneß muss jedenfalls nicht sofort ins Gefängnis, der Haftbefehl gegen den Bayern-Präsidenten bleibt zwar aufrechterhalten, aber auch außer Vollzug gesetzt.

Hoeneß meldete sich nicht zu Wort

Am vierten und letzten Verhandlungstag hatte es keine weiteren Beweisanträge gegeben. Das Verfahren konnte damit gleich mit den Plädoyers fortgesetzt werden. Ankläger Achim von Engel sprach von einem besonders schweren Fall von Steuerhinterziehung. Feigen hatte in seinem rund 50-minütigen Schlussplädoyer auch eine Aussetzung des Haftbefehls gefordert. „Ich habe dem Vortrag von meinem Verteidiger nichts hinzuzufügen. Er hat alles gesagt, was ich nicht besser hätte formulieren können“, sagte Hoeneß in seinem Schlusswort.

Im Kern ging es bei den Plädoyers um die Wirksamkeit der im Jänner 2013 von Hoeneß gestellten Selbstanzeige. „Eine wirksame Selbstanzeige, die die Verfolgung verhindern würde, liegt nicht vor“, meinte der Staatsanwalt.

Für Anklage keine gewichtigen Milderungsgründe

Für Hoeneß spreche zwar, dass er ein Geständnis abgelegt habe, nicht vorbestraft sei und unter einer großen psychischen Belastung stehe, räumte Ankläger von Engel ein. Der Prozess habe einen „gewaltigen medialen Wirbelsturm“ ausgelöst. Hoeneß sei öffentlich am Pranger gestanden. Auch Hoeneß’ Lebensleistung, sein soziales Engagement und die verunglückte Selbstanzeige können den Bayern-Boss aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht vor einer Gefängnisstrafe bewahren. Gewichtige Milderungsgründe, die eine Bewährungsstrafe rechtfertigen würden, seien das alles nicht, so von Engel.

FC Bayern berät am Freitag

Das Urteil dürfte auch den FC Bayern erschüttern. Hoeneß ist seit Jahrzehnten das Gesicht des Vereins. Als Spieler, Manager, Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender der AG prägte und prägt der Patriarch vom Tegernsee den erfolgreichsten deutschen Fußballclub. Der seit 2009 als Bayern-Präsident tätige Hoeneß hatte auf der Mitgliederversammlung im November 2013 angekündigt, nach dem Prozess die „Vertrauensfrage“ zu stellen.

Der FC Bayern München setzte unterdessen nach dem Urteil eine kurzfristige Beratung der wichtigsten Gremien an. Wie der deutsche Fußballrekordmeister am Donnerstag mitteilte, werden die entsprechenden Gremien des Vereins und der Aktiengesellschaft, also Präsidium, Verwaltungsbeirat und Aufsichtsrat, zusammenkommen. Zeitnah, aber nicht vor Freitag werde man über das Ergebnis informieren.

Grüne: „Gericht hat seine Aufgabe erfüllt“

Unabhängig von einem möglichen Urteil hatten zuletzt immer mehr Politiker Hoeneß’ Rücktritt von seinen Spitzenämtern beim FC Bayern. Die Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags, Renate Künast (Grüne), begrüßte das Urteil: „Die Haftstrafe ohne Bewährung war unausweichlich. Angesichts der riesigen Summen konnte das Gericht nicht anders entscheiden. Vor dem Gesetz sind alle gleich. Trotz des ungeheuren Rummels, das Gericht hat seine Aufgabe im Rechtsstaat erfüllt.“

Der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner äußerte sich über den Richterspruch zufrieden. „Das Urteil aus München wirkt gerecht, weil es um erhebliche Kriminalität gegen das Gemeinwesen geht und die Tat nicht strittig ist“, schrieb er auf Twitter.

Seehofer „menschlich betroffen“

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer erklärte in Berlin: „Ich bin zuallererst menschlich betroffen, weil eine Freiheitsstrafe natürlich für jeden Menschen und damit auch für Uli Hoeneß ein gravierender Eingriff ist.“ Andererseits habe er als Politiker das Ergebnis eines rechtsstaatlichen Prozesses zu akzeptieren.

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