Gas, Chemie und Banken und Medien
Die Verhaftung des ukrainischen Oligarchen Dimitri Firtasch aufgrund eines US-amerikanischen Haftbefehls Mittwochabend in Wien-Wieden sorgte am Donnerstag nicht nur in der ukrainischen Hauptstadt Kiew für Schockwellen. Für Aufmerksamkeit sorgt die Causa auch in Moskau.
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Firtasch gilt mit einem von „Forbes“ geschätzten Vermögen von zuletzt mehr als 3,3 Milliarden Dollar (2,4 Mrd. Euro) als einer der reichsten Ukrainer, der im Gashandel, in der chemischen Industrie und im Bankensektor tätig war. Nicht zuletzt durch die Übernahme der Inter Media Group Anfang 2013 war er auch ein äußerst wichtiger politischer Player in seinem Heimatland. Der TV-Sender Inter, das Flaggschiff von Firtaschs Medienkonzern, zählt zu den reichweitenstärksten und einflussreichsten Fernsehsendern des Landes.
Sender änderte Linie während Protesten
Während der innenpolitischen Auseinandersetzung der letzten Monate hatte Inter Präsident Viktor Janukowitsch lange Zeit als zuverlässige Säule gedient. In einem offenen Brief von 16 Inter-Journalisten war die Rede davon gewesen, dass sich die Inter-Nachrichtenmagazine seit Dezember 2013 in bloße Propagandasendungen verwandelt hätten.
Wenige Tage vor der Flucht Janukowitschs drehte sich jedoch die redaktionelle Ausrichtung des Fernsehsenders. Dieser berichtete dann merklich objektiver über die Vorgänge rund um den Maidan, das Zentrum der proeuropäischen Proteste, und berichtete und unterstützte dadurch in einem gewissen Ausmaß auch die Machtübernahme durch die Opposition. Obwohl oppositionelle Aktivisten das gefordert hatten, findet sich Firtaschs Name nicht auf jenen Sanktionslisten der Europäischen Union, auf die im Februar wichtige Vertreter des Janukowitsch-Regimes gesetzt wurden.
Umstrittener Deal mit Gasprom
Firtasch, der 1965 in einem Dorf im Gebiet Ternopil in der Westukraine zur Welt kam, wurde einer breiteren ukrainischen Öffentlichkeit erst 2006 bekannt. Der Unternehmer hatte sich zwar bereits seit den Neunzigerjahren mit Gashandel beschäftigt, 2004 sorgte ein umstrittener Deal mit Gasprom für internationale Schlagzeilen.
Firtasch hatte damals mit seinem ukrainischen Juniorpartner Iwan Fursin und den Strukturen des russischen Gasprom-Konzerns im Schweizer Kanton Zug ein Joint Venture namens RosUkrEnergo AG gegründet. Diese Firma beschäftigte sich mit dem Export von russischem sowie turkmenischem Gas und verdiente mehrere hundert Millionen Euro als Vermittler zwischen Gasprom und dem ukrainischen Erdgaskonzern Naftogas.
Verbindung zu russischem Mafiapaten
Öffentlich bekannt wurden die Namen von Firtasch und Fursin im Zusammenhang mit RosUkrEnergo jedoch erst Ende April 2006. Zuvor war Raiffeisen Investment in Wien als Treuhänder aufgetreten. Das hatte nicht nur zu Mutmaßungen über die Rolle des osteuropäischen organisierten Verbrechens im Gasdeal, sondern auch zu Ermittlungen des FBI geführt. Ein besonderes Interesse zeigten die Amerikaner an einer möglichen Involviertheit des mutmaßlichen russischen Mafia-Paten Simjon Mogilewitsch.
Im parlamentarischen Bankenausschuss des Jahres 2007, der auch die Rolle von Raiffeisen in dieser Causa thematisierte, wurde ein Dokument des österreichischen Bundeskriminalamtes (BK) verlesen, in dem Firtasch als Mitglied der Mafia-Organisation von Mogilewitsch bezeichnet wurde. Es darf als wahrscheinlich gelten, dass der nunmehrige US-amerikanische Haftbefehl auch im Zusammenhang mit den damaligen Ermittlungen steht. Mogilewitsch, den das FBI zu den zehn meistgesuchten Verbrechern zählt, lebt unbestätigten Medienberichten zufolge unbehelligt in Moskau.
RosUkrEnergo verlor Bedeutung
Mit der neuen Premierministerin Julia Timoschenko, die Anfang 2009 einen neuen Gasdeal mit Russland ausverhandelte (was sie selbst ins Gefängnis bringen sollte), verlor RosUkrEnergo seine Bedeutung. In der Ukraine blieb Firtasch aber weiterhin sichtbar - sein Firmenimperium, das auch Sitze in Wien und in London hat, expandierte im Chemie- und Finanzbereich. Seit 2011 amtiert er zudem als Chef des Verbandes der Arbeitgeber der Ukraine. Dem Oligarchen wurde ein gutes Verhältnis zum zwischen 2010 und 2014 amtierenden Präsidenten Janukowitsch nachgesagt, mit dem Firtasch schon in dessen Zeit als Premierminister kooperiert hatte.
Auch Jazenjuk finanziert
Derzeit politisch brisant ist aber vor allem eine weitere Connection: Firtasch galt in der Vergangenheit auch als zentraler Sponsor und graue Eminenz hinter dem nunmehrigen Premierminister Arseni Jazenjuk und dessen damaliger Partei „Front smin“ („Front des Wechsels“). Bis 2013 hatte Jazenjuk diese Partei geführt - nach der Verhaftung von Julia Timoschenko fusionierte seine Partei mit Timoschenkos Vaterlandspartei Batkiwschtschyna. Da die ehemalige Regierungschefin als erklärte Gegnerin von Firtasch gilt, spekulierten russische Medien am Donnerstag, dass just sie hinter seiner Verhaftung stünde.
Herwig Höller, APA
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