Arbeitsmarkt hinkt Bildung nach
In kaum einem EU-Land sind so viele Frauen erwerbstätig wie in Österreich, aber auch in kaum einem Land ist die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen größer. Dass Frauen schlechter qualifiziert wären, gilt schon lange nicht mehr als Ausrede - im Gegenteil: Bei höheren Bildungsabschlüssen haben sie schon lange die Nase vorn. Bei Uniabschlüssen knackten sie sogar schon die 60-Prozent-Marke.
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Die Erwerbstätigenquote der 20- bis 64-jährigen Frauen lag 2012 laut EU-Statistikamt Eurostat hierzulande bei 70,3 Prozent und damit deutlich höher als der Schnitt der 28 EU-Staaten (62,3 Prozent). Höhere Quoten gibt es praktisch nur in Skandinavien und Deutschland.
Niedriglohnbrachen und Teilzeit
Die Erwerbstätigenquote allein sagt nichts über die Qualität der Arbeit oder das Einkommen aus. In Österreich und auch anderen Ländern stieg die Erwerbsbeteiligung von Frauen vor allem wegen der vielen Teilzeitjobs in Niedriglohnbranchen wie dem Handel und dem Tourismus. 2002 arbeiteten in Österreich 35,3 Prozent der Frauen im Alter von 15 bis 64 Jahren Teilzeit, aktuell sind es bereits 44,9 Prozent.
Zum Vergleich: Die Männerteilzeitquote beträgt neun Prozent nach 4,7 Prozent 2002. Und: Mehr als acht von zehn Teilzeitbeschäftigten in Österreich sind Frauen. Ähnlich ist die Situation in Deutschland, wo zwei von drei „Minijobbern“ weiblich sind.
Gehaltsschere nur in Estland größer
Bei Lohn und Gehalt sind Österreicherinnen besonders stark diskriminiert. Laut jüngster EU-Statistik war das Lohngefälle nirgends in der Union so groß wie in Estland (27,3 Prozent) und Österreich (23,7 Prozent). Im EU-Schnitt verdienen Frauen 16,2 Prozent weniger als Männer. Musterland ist hier Slowenien, wo der Unterschied nur 2,3 Prozent beträgt.
Anders aufgeschlüsselt: Frauen stellen zwar 47 Prozent der Beschäftigten in Österreich, bekommen aber nur 36 Prozent der Löhne und Gehälter, wie die Arbeiterkammer Oberösterreich auf Basis der Zahlen der Lohnsteuerstatistik 2012 errechnete. Am größten war die Schere demnach in Vorarlberg und Oberösterreich, am kleinsten in Wien. Das durchschnittliche Nettoeinkommen einer Frau liegt bundesweit bei 16.196 Euro. Im Bundesländervergleich schneidet Wien mit 18.230 Euro am besten ab, Tirol mit 14.106 Euro am schlechtesten.
Unter Qualifikationsniveau beschäftigt
Ein weiter Grund für die schlechtere Bezahlung ist, dass Frauen häufiger als Männer nicht entsprechend ihrer Ausbildung eingesetzt werden. Insgesamt waren laut einer Anfang Februar von der Arbeiterkammer veröffentlichten Studie 2010 insgesamt 22 Prozent für ihren Job überqualifiziert, unter Migranten waren es 33 Prozent. Je nach Bildungsabschluss gibt es dabei deutliche Geschlechterunterschiede.
Besonders auffällig ist die Situation bei den Maturanten: Je rund 57 Prozent der AHS- bzw. BMHS-Absolventinnen finden keinen adäquaten Job, bei den Männern sind es 48 (AHS) bzw. an den BHS - dank der großen Nachfrage nach technischen Ausbildungen - „nur“ 30 Prozent. Unter Akademikern sind 35 Prozent der Frauen bzw. 26 Prozent der Männer eigentlich für ihren Posten überqualifiziert. Gerade in dieser Gruppe sei der Verdienst der Männer mit einem Viertel deutlich höher als jener der Frauen, betonte Studienautorin Petra Völkerer.
Bei Matura und Uniabschluss voran
Und genau bei den höher Gebildeten hinkt der Arbeitsmarkt der Realität der Bildungswege hinterher: In den vergangenen 30 Jahren haben Frauen beim Bildungsniveau deutlich aufgeholt. Von 1981 bis 2010 sank der Anteil an Frauen mit maximal Pflichtschulabschluss von 49 auf 18 Prozent, der Anteil der Maturantinnen stieg von sieben auf 19 und jener der Hochschulabsolventinnen von vier auf 16 Prozent und damit jeweils über das Niveau bei den Männern.
60-Prozent-Marke übertroffen
Der Frauenanteil an den Universitätsabsolventen durchstieß im Studienjahr 2012/13 sogar erstmals die 60-Prozent-Marke. Laut unidata, der Statistikdatenbank des Wissenschaftsministeriums, erreichten 17.853 Frauen einen Erstabschluss (v. a. Bachelor bzw. Magister) an einer Uni - bei gleichzeitig 11.233 Erstabschlüssen von Männern bedeutet das eine Quote von 61,4 Prozent.
Auch beim Masterstudium haben Frauen mittlerweile knapp die Nase vorn: Beim Masterabschluss stehen 3.039 Frauen 2.925 Männern gegenüber. Das entspricht einem Frauenanteil von 51 Prozent. Nur beim höchsten Abschluss liegen die Männer noch klar voran: Auf 1.219 männliche Doktoratsabsolventen kamen 946 Frauen - hier liegt der Frauenanteil erst bei 43,7 Prozent und steigt eher langsam (2002/03: 40,9 Prozent).
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