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Duma: „Historische Entscheidung“

Gut eine Woche vor einem Referendum auf der Krim stellt Moskau der ukrainischen Halbinsel eine Aufnahme in die Russische Föderation in Aussicht. Die Präsidenten beider Parlamentskammern sagten am Freitag ihre Unterstützung zu, sollte die Krim-Bevölkerung in einem Referendum am 16. März für die Abspaltung stimmen. Die Ukraine will eine Abspaltung nicht akzeptieren.

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Das russische Parlament steht für die Aufnahme der Krim bereit: „Wenn eine solche Entscheidung bei dem Krim-Referendum getroffen wird, dann wird die Republik zu einem gleichberechtigten Subjekt der Russischen Föderation mit allen Rechten und Vollmachten“, sagte die Chefin des russischen Föderationsrates, Valentina Matwijenko, am Freitag bei einem Treffen mit einer Delegation der Autonomen Krim-Republik.

Ebenso wie der Präsident des Unterhauses (Duma), Sergej Naryschkin, sprach Matwijenko von einer „historischen Entscheidung“, die die Krim-Bevölkerung zu treffen habe. Sollte die Krim tatsächlich zu Russland gehen, wäre das der erste Anschluss seit dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion 1991.

TV: 30.000 russische Soldaten auf der Krim

Das Parlament hatte am Donnerstag den russischen Präsidenten Wladimir Putin um die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation gebeten. Zudem wurde beschlossen, das Referendum über die Zukunft der Region auf den 16. März vorzuziehen und zu erweitern. Die rund zwei Millionen Einwohner sollen nun die Wahl haben zwischen einer deutlich verstärkten Autonomie innerhalb der Ukraine und der Eingliederung in Russland.

Karte zur Verteilung von russischsprachigen Ukrainern

APA/ORF.at

Die mehrheitlich von ethnischen Russen besiedelte Krim verfügt bereits seit 1992 über Autonomie. Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow kündigte am Donnerstag an, die Auflösung des Parlaments der Krim in die Wege leiten zu wollen. Auf der Krim sind nach Angaben der ukrainischen Grenztruppen inzwischen 30.000 russische Soldaten. Das berichtet der ukrainische Sender Kanal 5 TV.

Gesetzesentwurf bereits eingebracht

Die EU und die USA verurteilten den Beitrittsbeschluss und die Ansetzung des Referendums als „illegal“. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte Russland vor einer widerrechtlichen Eingliederung der Krim. Es gelte nach wie vor die Aussage von Präsident Putin, dass „keine Annexion beabsichtigt ist“, sagte Steinmeier am Freitag in Berlin.

Der Kreml dagegen teilte mit, Putin habe am Donnerstag bei einer Sitzung des russischen Sicherheitsrats die Aufforderung aus der Krim geprüft. Ein Abgeordneter der Regierungspartei Geeintes Russland erklärte, bereits einen Gesetzesentwurf eingebracht zu haben, der die Aufnahme des Gebiets eines ausländischen Staates erleichtern soll.

Jazenjuk weiter gesprächsbereit

Die Übergangsregierung in der Ukraine setzt unterdessen weiter auf Gespräche. Einen Anschluss der Krim an Russland per Volksentscheid wird nach Darstellung des ukrainischen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk „niemand in der zivilisierten Welt“ anerkennen. Die Ukraine sei bereit zu Verhandlungen mit Russland. Moskau müsse jedoch seine Unterstützung für Separatisten auf der Krim beenden und seine Soldaten abziehen, sagte er am Freitag in Kiew.

Doch Russland reagierte auf das Gesprächsangebot bisher verhalten. Der Bitte Jazenjuks nach einem zweiten Telefongespräch mit seinem russischen Kollegen Dimitri Medwedew wurde bisher nicht nachgekommen. Russlands Führung lehnt Gespräche mit der amtierenden Regierung der Ukraine ab, die aus ihrer Sicht durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen ist. Rechtlich sei Viktor Janukowitsch nach wie vor Präsident der Ukraine, heißt es aus Moskau.

Völkerrechtler: Krim zu Abspaltung nicht befugt

Doch so einfach sich Russland einen Anschluss auch vorstellen mag, völkerrechtlich habe das Votum nach Ansicht des deutschen Völkerrechtlers Georg Nolte kein Gewicht. „Das Parlament in Simferopol ist nach ukrainischem Recht ebenso wenig dazu befugt, wie der saarländische Landtag nach deutschem Recht dazu befugt wäre, für einen Beitritt des Saarlandes zu Frankreich zu stimmen“, so Nolte gegenüber der dpa.

Das gelte auch für die geplante Abstimmung der Bürger auf der Krim über einen Beitritt zu Russland. „Wenn eine solche Abstimmung verfassungswidrig organisiert wird und nicht international überwacht ist, dürfte sie auch keine nachhaltige politische Wirkung haben“, erklärte der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Internationales Recht am Freitag.

Ein Russland-Beitritt sei mit dem Völkerrecht nur vereinbar, wenn entweder die Ukraine als Gesamtstaat zustimmen würde - „und zwar nach den Verfahren, die dafür in der ukrainischen Verfassung vorgesehen sind“ - oder die Bevölkerung der Krim ohne militärische Hilfe oder Druck durch andere Staaten zunächst eine eigenständige Staatsgewalt bilden würde. „Beitrittserklärungen von Marionettenregimen werden international nicht anerkannt“, so Nolte.

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