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Der Concierge, dem die Frauen vertrauen

„Ich versuche, immer wieder etwas Neues zu machen, ohne dass man sofort meine Handschrift erkennt“, hat US-Regisseur Wes Anderson in einem Interview bekannt. Nun könnte sein Film mit dem Oscar gekrönt werden. „The Grand Budapest Hotel“ begeisterte Publikum wie Kritiker.

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Anderson hat mit Filmen wie „The Royal Tenenbaums“ und „Die Tiefseetaucher“ einen unverwechselbaren Stil geschaffen, der sich durch die Mischung aus melancholischer Komödie, tragischen und gleichzeitig liebenswerten Figuren und dem abrupten Wechsel von Klamauk zu ganz feiner Ironie ausgezeichnet. Für „The Grand Budapest Hotel“ kommt dieses Konzept nun in einer längst versunkenen Welt zum Einsatz.

Ralph Fiennes als Seele des „Grand Hotels“

„In Wahrheit war seine Welt schon verschwunden, lange bevor er sie betreten hat“: Concierge Gustave (Ralph Fiennes) ist ein wahrer Sir der alten Schule - und zugleich ein liebenswerter Filou, der stets um das Wohlergehen der betuchten Gäste im Grand Budapest Hotel bemüht ist. Vor allem als Witwentröster ist er unschlagbar - was deutlich wird, als ihm die millionenschwere Witwe Madame D. (Tilda Swinton), Gräfin von Lutz ein äußerst wertvolles Gemälde vermacht.

Szene aus dem Film "Grand Budapest Hotel"

2014 Twentieth Century Fox

Concierge Gustave (Ralph Fiennes) weiht Lobby Boy Zero (Tony Revolori) in die Kunst der Hotellerie ein

Weil das Bild „Knabe mit Apfel“, gemalt vom fiktiven niederländischen Renaissancemaler Johannes van Hoytl, von unschätzbarem Wert ist, wollen sich Madame D.s Sohn Dmitri (Adrien Brody), seine drei sauertöpfischen Schwestern und die gesamte gierige Verwandtschaft bis zum x-ten Grad das nicht gefallen lassen. Als sich dann auch noch herausstellt, dass Madame D. keines natürlichen Todes gestorben ist und ein weiteres geheimes Testament existiert, wird die Lage für Gustave brenzlig. Gemeinsam mit seinem Lehrbuben, dem Pagen Zero (Tony Revolori), und unterstützt von der Gesellschaft der Gekreuzten Schlüssel, einer Art Geheimbund der Nobelhotel-Concierges, tritt Gustave die Flucht an.

Atemberaubende Krimikomödie mit Starbesetzung

Mit der für ihn typischen lapidaren Ironie erzählt Anderson eine atemberaubende Kriminalgeschichte mit großartigen Darstellern, allen voran Fiennes, der als bisexueller Concierge mit außergewöhnlichem Stilbewusstsein glänzt. Revolori brilliert als der aus einem fiktiven Land im Mittleren Osten geflüchtete Page Zero, und Swinton besticht als hochneurotische Madame D, die dem Concierge willenlos ergeben ist.

Ihnen zur Seite spielt ein hochkarätiges Ensemble, das selbst Woody Allen vor Neid erblassen lassen würde. Bill Murray etwa, der als Concierge-Kollege kurz mit Gustave telefoniert, oder George Clooney, der als „bewaffneter Hotelgast“ einen Statistenauftritt hinlegt. Weiters ließen sich auch Jeff Goldblum, Willem Dafoe, Harvey Keitel, Owen Wilson und Edward Norton nicht lange bitten, in Andersons Film aufzutreten. In einer besonders netten Gefängnisausbruchsszene hat auch der Österreicher Karl Markovics einen kleinen Auftritt.

Mit Stefan Zweig im alten Europa

Andersons Film spielt in einem Old-Europe--Paralleluniversum, das irgendwann in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts angesiedelt ist, in dem sich aber auch Ereignisse und Ästhetik der weiter zurückliegenden Belle Epoque widerspiegeln. Inspiriert zu dieser Traumwelt habe ihn Stefan Zweig, erzählt Anderson in Interviews. Von ihm habe er sich auch zur Erzählform von „The Grand Budapest Hotel“ anregen lassen, das als verschachtelte Geschichte in der Geschichte angelegt ist und in Form einer Rückblende erzählt wird.

Szene aus dem Film "Grand Budapest Hotel"

2013 Fox Searchlight

Gustave hat außerhalb des Hotels allerhand Feinde, die auch über Leichen gehen, um ihn zu schnappen

Ausgehend von Zweigs „Die Welt von Gestern“ erdachte Anderson eine Staatsgeschichte für das fiktive Alpenland Zubrowka am Vorabend eines großen Krieges, auf den die Machtergreifung durch ein faschistisches Regime folgt, bevor schließlich der Eiserne Vorhang fällt.

Das titelgebende Hotel spielt durchgehend eine zentrale Rolle - und macht all die politischen Entwicklungen auch optisch mit. Dafür sorgt die Ausstattung von Adam Stockhausen, mit dem Anderson bereits bei seinen Filmen „The Darjeeling Limited“ und „Moonrise Kingdom“ zusammengearbeitet hatte. Als Kulisse diente ihnen dabei aber kein wirkliches Hotel, sondern ein recht ungewöhnliches Studiogelände: ein riesiges, leerstehendes Jugendstilkaufhaus aus der Jahrhundertwende im Grenzgebiet zwischen Deutschland, Polen und Tschechien, in der UNESCO-Weltkulturerbestadt Görlitz.

Vom Nobelspa zur Kommunistenruine

Der Ort wurde zum Spielplatz für das Filmteam, das mit fast pedantischer Genauigkeit selbst kleinste Details des Hotels zum Leben erweckt: Es floriert als angesehenes Spa-Resort vor Ausbruch des Krieges, dient später als Hauptquartier der Besatzungsmacht, in dem Soldaten ihre Kampfstiefel auf den Stilmöbeln ablegen, und bietet später sozial-realistisch modernisiert und halb verlassen einen Anblick, der mit seinem Sowjetcharme die Herzen von Retrofans höher schlagen lässt.

Wes Anderson im Gespräch mit Jude Law

2013 Fox Searchlight

Wes Anderson und Jude Law am Filmset in Görlitz

Eine ähnliche Detailverliebtheit legte die mehrfach Oscar-gekrönte Kostümbildnerin Milena Canonero an den Tag, die für Andersons verschrobene Bilder ein skurriles, aber durchgehend stimmiges Kostümbild geschaffen hat. Ähnliches gilt auch für die Musik von Alexandre Desplat, die komplett ohne traditionelle Orchesterinstrumente eingespielt wurde und stattdessen auf eine ganze Reihe osteuropäischer Instrumente wie Balalaika und Cimbalom baut. In Summe trifft damit eine hochartifizielle Inszenierung auf Klamauk, melancholische Tiefgründigkeit auf unbekümmerte Glückssuche und ein Regisseur mit all dem einmal mehr genau ins Schwarze.

Sophia Felbermair, ORF.at

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