Plastikstein schlägt Barbie
Nicht nur in den Kinos mischt Lego derzeit mit „The Lego Movie“ ganz vorne mit: Nach einer beispiellosen Aufholjagd auf seinen Hauptkonkurrenten Mattel ist der dänische Lego-Konzern nun auch die Nummer eins auf dem Spielwarenmarkt.
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Er sei „ganz begeistert“, dass sein Unternehmen im neunten Jahr in Folge gewachsen sei, sagte Lego-Chef Jörgen Vig Knudstorp im Februar auf der Bilanzkonferenz im dänischen Billund. Den Nettogewinn steigerte Lego 2013 um neun Prozent auf 6,12 Milliarden Kronen (rund 820 Mio. Euro). Der Umsatz wuchs im Vergleich zum Jahr davor um zehn Prozent auf 25,38 Milliarden Kronen. Damit vervierfachte er sich in nur zehn Jahren - und hängte den bisherigen Marktführer, den US-Konzern Mattel, ab, wie die britische Tageszeitung „The Guardian“ (Onlineausgabe) berichtete.
Barbie und Monster-High-Puppen als Ladenhüter
Für Mattel lief es zuletzt in der Tat nicht so rund. Während Lego rasant gewachsen war, trat Mattel im vergangenen Jahr mit einem Umsatz von umgerechnet 4,7 Milliarden Euro auf der Stelle. Vor allem das Weihnachtsgeschäft fiel schwach aus. Der Absatz seiner Barbie- und Monster-High-Puppen brach im vierten Quartal in Nordamerika um zehn Prozent ein. Aber auch Hot Wheels- und Matchbox-Autos oder Fisher-Price-Babyspielzeug - allesamt aus dem Hause Mattel- verkauften sich merklich schlechter als im Jahr davor.

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Die schauderhaften Töchter- und Söhnepuppen legendärer Monster aus dem Hause Mattel eroberten 2010 die Kinderzimmer
Als Folge schrumpfte der Umsatz von Mattel im Schlussquartal um sechs Prozent auf 2,1 Milliarden Dollar (1,6 Mrd. Euro). Vor allem der US-Markt sei schwach gewesen, erklärte Firmenchef Bryan Stockton. „2013 war in jeder Hinsicht ein Jahr des Umbruchs und der Herausforderungen im Einzelhandel“, so Stockton.
Rückrufaktionen und Strafe
In den letzten Jahren geriet Mattel zudem mehrfach in die Negativschlagzeilen: Millionen Artikel mussten wegen zu hohen Bleigehalts oder gefährlicher Kleinteile zurückgerufen werden. 2009 wurde gegen Mattel und dessen Tochterunternehmen Fisher-Price eine Strafe von der amerikanischen Verbraucherschutzkommission CPSC in Höhe von 2,3 Millionen Dollar (1,68 Mio. Euro) verhängt. Die Unternehmen hatten wissentlich Spielzeug aus China mit zu hohem Bleigehalt importiert und vermarktet.
Alles, was Rang und Namen hat
Fast alles, was im Spieleuniversum Rang und Namen hat, scheint zu Mattel zu gehören: Bekannt wurde Mattel vor allem durch die Barbie-Puppen, die Big-Jim- und die Masters-of-the-Universe-Actionfiguren. In den letzten Jahrzehnten fiel der Konzern vor allem auch durch Firmenübernahmen auf: 1992 International Games, die insbesondere mit Kartenspielen wie Uno erfolgreich war, 1993 Fisher-Price. 1997 fusionierte Mattel mit Tyco Toys und übernahm gleichzeitig die Marke Matchbox. 1999 übernahm Mattel die Lernsoftwarefirma The Learning Company.

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Das Aushängeschild des Mattel-Konzerns ist und bleibt wohl die Barbie-Puppe
2000 wurde Mattel zum Hauptlizenznehmer der Harry-Potter-Spielzeugserie. Auch die erfolgreichen Pixar’s Cars gehören zu Mattel sowie seit einiger Zeit Bob der Baumeister und der Pinguin Pingu. Das Unternehmen mit globalem Hauptsitz in El Segundo, Kalifornien, beschäftigt über 26.000 Mitarbeiter in 42 Ländern und verkauft seine Produkte in mehr als 150 Staaten.
Mattel schießt mit Steinen zurück
Bausteine fehlten im breiten Mattel-Sortiment bisher. Doch das sollte sich ändern: Nur einen Tag nach der Lego-Jubelbilanz ließ der kalifornische Konzern nun wissen, dass er sich künftig ebenfalls mit Bausteinen verstärken wolle: Mattel übernimmt für 460 Millionen Dollar (336,85 Mio. Euro) den kanadischen Lego-Rivalen Mega Brands. „Das Spielen mit Bausteinen ist beliebt, vielseitig und hat in den vergangenen drei Jahren mit am stärksten zugelegt“, begründete Stockton den Kauf.
Mega Brands ist der Produzent der Mega-Bloks-Bausteine und nach Angaben von Mattel die Nummer zwei in dieser Kategorie. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres - wofür Zahlen vorliegen - erzielten die Kanadier einen Umsatz von umgerechnet 220 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der dänische Kinderliebling Lego kam im gesamten Jahr auf rund 3,4 Milliarden Euro.
„Nicht nur eine dänische Idee“
Dass man auf Plastiksteine bauen kann, dürfte Knudstorp von Lego seinem Mitbewerber Stockton vermutlich bestätigen. „Wir haben herausgefunden, dass der Stein, das Bausystem und Kreativität nicht nur eine dänische Idee sind“, so Knudstorp letzte Woche. „Es ist in jeder Kultur wichtig.“ Diese Erkenntnis habe er bei Treffen mit chinesischen Kindern gewonnen. Um die Lego-Steine in die ganze Welt zu bringen, müsse sich das Unternehmen anders aufstellen als bisher - nämlich internationaler.

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Lego versus Mattel lautet das Match der Plastiksteine künftig, denn Mega Bloks wechselte den Besitzer und gehört jetzt dem schärfsten Lego-Rivalen
„Es wäre arrogant zu denken, dass du, nur weil du dänisch bist, weißt, was man für einen weltweiten Erfolg braucht.“ Der Firmensitz werde in der jütländischen Kleinstadt Billund bleiben, versicherte der Firmenchef zugleich. Knudstorp übernahm das Unternehmen in den Krisenjahren 2003 bis 2004 vom Enkel des Konzerngründers Ole Kirk Kristiansen. Den Erfolg unter seiner Führung sieht er in den jährliche Innovationen und neuen Spielreihen begründet: Jährlich gibt es rund 60 bis 70 Spielesets - von Harry Potter bis zu Star Wars. Allerdings bleibe es eine stete Herausforderung, auf der Wunschliste der Kinder ganz oben zu stehen, die Konkurrenz schlafe nicht, so Knudstorp.
„Leg godt“ als Spielaufforderung
Der Tischlermeister Ole Kirk Kristiansen hatte das Unternehmen 1932 in seiner Werkstatt in Billund ins Leben gerufen. Den Namen Lego setzte er aus der dänischen Aufforderung „leg godt“ (spiel gut) zusammen. Anfangs stellte er Holzspielzeug her. Mit der Produktion der legendären Plastikbauklötze, die mit ihrem Stecksystem aus Noppen und Röhren immer wieder verbaut werden können, begann er 1949. Patentiert wurden sie 1958.
Das nach wie vor von der Familie Kristiansen betriebene Unternehmen war nach einem beispiellosen Siegeszug über ein halbes Jahrhundert Ende der 1990er Jahre in eine schwere Krise geraten. Computer und Spielekonsolen hatten dem Spielzeugklassiker in vielen Kinderzimmern den Rang abgelaufen. Nach 2004 kehrte Lego in die Gewinnzone zurück.
Expansionspläne in Asien und Zukunftsstrategien
Die wichtigsten Märkte USA, Großbritannien sowie Mittel- und Nordeuropa verzeichneten laut jüngster Konzernbilanz letztes Jahr ein gutes einstelliges Wachstum. Frankreich, Spanien, Russland und China sogar ein zweistelliges, teilte Lego mit. Um das Wachstum in den Schwellenländern zu verstärken, wolle Lego nun mehr ausländische Fachkräfte anlocken. Dazu seien neue große Regionalzentren in London, Singapur, Schanghai und in Enfield im nordöstlichen US-Bundesstaat Connecticut geplant, wo bereits eine Lego-Fabrik steht. In den Zentren sollen auch wichtige Führungskräfte arbeiten.

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Lebensgroße „Lego Friends“ erfreuten sich auf der Tokyo Toy Show im vergangenen Sommer großer Beliebtheit
Mehr Plastiksteinchen verkaufte Lego vor allem in Asien, einem laut Knudstorp „immer noch relativ kleinen Markt“ für die Gruppe. Im März hatte der Spielwarenkonzern den Bau einer Fabrik in China angekündigt. Asien - inklusive China - sei ein schnell wachsender und zukünftiger Kernmarkt für die Lego-Gruppe, so Knudstorp. Der Betrieb soll 2017 starten. 2013 stellte Lego mehr als 1.300 neue Mitarbeiter ein und beschäftigt nun nach eigenen Angaben 11.755 Vollzeitkräfte.
Auch David Beckham tut es
Jane Westgarth, Analystin des Konzerns Mintel, hält die Qualität des Lego-Konzerns ausschlaggebend für den Erfolg: „Wenn die Qualität stimmt, sind die Menschen bereit, ein bisschen mehr zu bezahlen.“ Die Gewinnspanne ist in der Tat beträchtlich: Der Kilopreis des Rohmaterials Plastik liegt bei weniger als einem Dollar, Legosets kosten im Schnitt über 75 Dollar (54,8 Euro) das Kilogramm, rechnete der „Guardian“ vor.
Der Konzern profitiere außerdem von der Nostalgiewelle der Eltern, glaubt Westgarth. Nicht nur Fußballer David Beckham (38) kann beim Bauen von Lego-Häusern nach einem stressigen Tag entspannen, viele Erwachsene dürften es ihm gleichtun. „Ich glaube, Lego beruhigt mich manchmal“, sagte Beckham erst kürzlich. Wenn seine Kinder am Abend nach Hause kämen, spiele er oft mit ihnen Lego. Zuletzt soll es demnach ein Modell der Tower Bridge geworden sein.
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