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„Der Angeklagte Wulff ist freigesprochen“

Keine Vorteilsannahme: So hat das Landgericht Hannover im Verfahren gegen den deutschen Ex-Bundespräsidenten Christian Wullf entschieden. Die Zweite Große Strafkammer sah es nicht als erwiesen an, dass Wulff als niedersächsischer Ministerpräsident illegale Zuwendungen des Filmunternehmers David Groenewold angenommen habe. Auch Groenewold sprach die Kammer vom Vorwurf der Vorteilsgewährung frei.

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„Der Angeklagte Wulff ist freigesprochen“, sagte der Vorsitzende Richter Frank Rosenow bei der Urteilsverkündung am Donnerstag. „Ist es vorstellbar, dass sich der Ministerpräsident eines Bundeslands für Peanuts kaufen lässt?“, fragte Rosenow in der Urteilsbegründung. Wulff hätte die Münchner Hotelrechnung, die in der Argumentation der Anklage eine wichtige Rolle spielte, als Ministerpräsident ohne weiteres dienstlich abrechnen können.

„Ein bisschen schwanger geht nicht“

Rosenow hatte während des dreimonatigen Prozesses mehrfach zu erkennen gegeben, dass er nicht von der Schuld des Angeklagten überzeugt ist. Er appellierte an die Öffentlichkeit, den Freispruch nicht zu klassifizieren. „Es gibt nur schuldig oder unschuldig. Ein bisschen schwanger geht nicht“, sagte er. Es ist das erste Mal, dass sich ein ehemaliger deutscher Bundespräsident vor Gericht verantworten musste.

Die Staatsanwaltschaft hatte auf eine konkrete Strafforderung verzichtet und eine Fortsetzung der Beweisaufnahme verlangt. Sie geht davon aus, dass Wulff „den bösen Anschein der Käuflichkeit“ erweckt habe, weil er dienstliche Zusammenhänge nicht klar von privaten Beziehungen getrennt habe.

Deutscher Ex-Präsident Christian Wulff

APA/EPA/Julian Statenschulte

Ein Bild, das im Verlauf des Verfahrens an Symbolwirkung gewonnen hat: Christian Wulff grüßte bei allen Auftritten vor Gericht demonstrativ den Justizwachebeamten Günter Burmeister

Staatsanwalt sah Vorwürfe nicht widerlegt

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft sind die Korruptionsvorwürfe gegen Wulff noch nicht eindeutig widerlegt. Das hatte Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer in seinem Schlussplädoyer vor einer Woche noch einmal deutlich gemacht. Er hatte verlangt, die Beweisaufnahme fortzuführen, nachdem das Gericht mehrere seiner Anträge abgelehnt hatte. Die Staatsanwaltschaft könnte nun versuchen, gegen das Urteil Berufung einzulegen - dafür müsste sie dem Gericht Verfahrensfehler nachweisen.

Ein Oktoberfest-Besuch 2008

Im Mittelpunkt des Prozesses stand ein Oktoberfest-Besuch Ende September 2008 in München von Wulff und dessen Familie, bei dem Groenewold einen Teil der Hotelkosten übernahm. Damit sollte Wulff nach Ansicht der Staatsanwaltschaft motiviert werden, sich als Regierungschef bei Siemens für eine Unterstützung des Films „John Rabe“ einzusetzen. Wulff und Groenewold bestritten einen Zusammenhang. Eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldsumme hatte Wulff abgelehnt.

Rücktritt als Präsident

Wulff war am 17. Februar 2012 vom höchsten deutschen Staatsamt zurückgetreten, nachdem die Staatsanwaltschaft Hannover die Aufhebung seiner Immunität beantragt hatte. In der Geschichte der Bundesrepublik hatte es ein solches Vorgehen gegen einen Bundespräsidenten noch nicht gegeben. Was Wulff nach dem Prozess macht, ist weiter unklar. Nach Medieninformationen will er aller Voraussicht nach wieder als Rechtsanwalt arbeiten.

Anruf bei Diekmann und die Folgen

Legendär ist im Fall Wulff ein Anruf vor Ausbruch der Affäre auf dem Anrufbeantworter von „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann, der im Zuge der Affäre öffentlich gemacht wurde. Letztlich wird der Fall Wulff auch Teil der deutschen Mediengeschichte werden. Viele, die den Fall am Anfang groß moralisiert hatten, thematisierten in der Folge die hohen Verfahrenskosten für einen vergleichsweise lapidaren Fall.

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