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Al-Kaida-Filiale nun eigenständig

Im syrischen Bürgerkrieg werden die Fronten immer unübersichtlicher. Nun ist der Machtkampf zwischen den beiden radikalsten Islamistengruppen voll entbrannt. Schon Anfang Februar hatte sich das Terrornetzwerk Al-Kaida von der Gruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) losgesagt, drei Wochen später erklärte die Al-Nusra-Front, die als Filiale von Al-Kaida gilt, ISIS quasi den Krieg.

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Al-Nusra-Chef Abu Mohammed al-Dschaulani sagte in einer Audiobotschaft, die der Nachrichtensender al-Jazeera ausstrahlte, seine Kämpfer würden ISIS vernichten. Er reagierte damit auf einen Anschlag auf einen Stützpunkt in der Provinz Aleppo. Dabei war Abu Chalid al-Suri mit sechs Gefolgsleuten getötet worden.

Vermittler getötet

Suri war angeblich von der Al-Kaida-Führung in die syrische Provinz geschickt worden, um in dem Konflikt zwischen ISIS und den anderen islamistischen Gruppen zu vermitteln. Er gehörte zur Führungsriege der Bewegung Ahrar al-Scham. Er hatte in Afghanistan und im Irak aufseiten der Aufständischen gekämpft und galt als Intimus des 2011 getöteten Al-Kaida-Gründers Osama bin Laden.

Schon Anfang Februar hatte die Terrormiliz ISIS mit einem Selbstmordanschlag den Versuch einer Aussöhnung mit anderen islamistischen Rebellengruppen in Syrien zunichtegemacht. Der Attentäter riss fast 20 Menschen mit in den Tod. Unter den Opfern waren Delegierte und Vermittler der für diesen Tag angesetzten Aussöhnungsgespräche. Offenbar hatte ISIS sie in eine Falle gelockt. „Mit dem heutigen Tag sind alle Versuche, die Differenzen mit ISIS zu bereinigen, als gescheitert und beendet zu betrachten“, erklärte damals Muah al-Homsawi, ein Feldkommandeur der Al-Nusra-Front.

Auch im Irak im Aufwind

ISIS war aus einer 2003 gegründeten Terrorgruppe entstanden. Auslöser war der Einmarsch einer von den USA geführten multinationalen Truppe, die das Regime von Diktator Saddam Hussein stürzte. Der erste bekannte Anführer war der für seine Grausamkeit berüchtigte Jordanier Abu Mussab al-Sarkawi.

Nach dessen Tod verlor die Terrorgruppe an Macht und Einfluss. Das änderte sich 2013. Als der Streit zwischen der von Schiiten dominierten Regierung und den sunnitischen Parteien eskalierte, erhielt sie wieder mehr Zulauf. So kontrollieren ISIS-Kämpfer seit Wochen die Stadt Falludscha und Teile von Ramadi, der Hauptstadt der Unruheprovinz Anbar im Westirak.

Anführer ein Phantom

Zudem benutzten die Terroristen den syrischen Bürgerkrieg, um neue Kämpfer zu rekrutieren und ihre Macht auf einige Gebiete in Syrien auszudehnen. Vor allem ausländische Dschihadisten sind in ihren Reihen zu finden. Ihr Anführer Abu Bakr al-Baghdadi benannte die Gruppe um in Islamischer Staat im Irak und in Syrien um. Im Jänner hatten die irakischen Behörden ein Foto veröffentlicht, das angeblich Baghdadi zeigen soll. Viel mehr ist über ihn allerdings nicht bekannt, selbst unter Vertrauten soll er sich nur mit verhülltem Gesicht zeigen.

Befehle von oben ignoriert

Er hatte den Konflikt auch vom Zaun gebrochen, indem er sich mehrfach den Direktiven der Al-Kaida-Führung unter dem Ägypter Aiman al-Sawahiri widersetzte. So hatte Sawahiri bereits im November angeordnet, dass sich ISIS aus Syrien zurückziehen soll. Zugleich erklärte er die Al-Nusra-Front, eine weitere Al-Kaida nahestehende Gruppe, zum alleinigen Ableger des Terrornetzwerkes in Syrien. Doch Baghdadi ignorierte den Befehl einfach. Er gehorche „nur Gott“, sagte er.

Die Entwicklung ist für Al-Kaida gleich mehrfach eine Belastungsprobe. In Syrien will das Terrornetzwerk die Kräfte der islamistischen Rebellengruppen auf den Kampf gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad bündeln, anstatt sie durch Gefechte untereinander zu schwächen.

Belastungsprobe für Al-Kaida

Vor allem aber stehe das System von Al-Kaida selbst auf dem Prüfstand, schreibt der ehemalige Sicherheitsberater der US-Regierung, Brian Michael Jenkins, in einem Beitrag für die Plattform The Mark News. Denn bisher habe das Terrornetzwerk mit der Methode, lokale Terrorgruppen als „Filialen“ zu führen und auf diese Einfluss zu nehmen, erfolgreich operiert. ISIS sei die erste Gruppe, die sich davon losgesagt habe. Und das könnte auch die Autorität von Sawahiri untergraben, meint Jerkins.

Image in Gefahr

Dass Al-Kaida mit ISIS ein Problem hat, liegt auf der Hand. Denn nach dem anfänglichen sozialen Engagement und Vorgehen gegen Plünderer wurde die Miliz zunehmend brutaler. Öffentliche Hinrichtungen stehen auf der Tagesordnung, Ermordete werden als Mahnmal in der Öffentlichkeit liegen gelassen. Und die Gruppe geht auch gegen muslimische Zivilisten vor.

Das schrecke auch Sympathisanten ab. Kurz: Das Image von Al-Kaida ist gefährdet. Für den Westen sei das ganze freilich ein Glücksfall, meint Jerkins. Interner Streit schwäche das Terrornetzwerk. Von außen anheizen sollte man den Konflikt aber nicht: Denn gegen einen gemeinsamen Feind könnten sich die nun rivalisierenden Fraktionen schnell wieder zusammenschließen.

175 Rebellen bei Gefecht in Syrien getötet

Im Zuge eines Gefechts in der Nähe von Damaskus wurden laut Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur SANA am Mittwoch viele Kämpfer der Al-Nusra-Front getötet. Sie wurden von Regierungssoldaten aufgespürt. Insgesamt seien 175 Rebellen ums Leben gekommen, die teilweise aus Saudi-Arabien, Katar und aus Tschetschenien nach Syrien gekommen seien, so SANA.

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