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Riskanter Deal

Facebook und WhatsApp - zwei ungleiche Firmen gehören nun unter ein Dach. Für 19 Milliarden Dollar ging der Kurzmitteilungsdienst an das Soziale Netzwerk. Das wirft freilich etliche Fragen auf - vor allem jene, wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg den unfassbaren Betrag wieder einspielen will. Experten sehen allerdings eine notwendige Strategie hinter dem Kauf, auch wenn diese durchaus riskant ist.

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WhatsApp ermöglicht es, Textmitteilungen, Fotos und Videos per Internet zu verschicken. Der Dienst hat derzeit nach eigenen Angaben 450 Millionen Nutzer weltweit und ist beinahe kostenlos. Im ersten Jahr kostet er nichts, dann weniger als einen Euro pro Jahr. Und er ist frei von Werbung.

Werbefrei und funktional

„Keine Werbung, keine Spiele, keine Gimmicks“ steht auf einem legendären Notizzettel, den Mitbegründer Brian Acton gekritzelt hat und WhatsApp-Chef Jan Koum noch immer an seinem Schreibtisch kleben hat. WhatsApp soll einfach bedienbar sein und funktionieren - nicht mehr und nicht weniger. Genau aus diesem Grund will die Firma auch keine Daten der Kunden sammeln, heißt es. Das würde nur Arbeit machen und die Techniker vom Hauptziel abhalten, den Dienst möglichst störungsfrei am Laufen zu halten, schrieb Koum 2012 in seinem Blog.

Geld verdienen, aber wie?

Das Geschäftsmodell von Facebook setzt hingegen auf Werbung - auch und vor allem in der mobilen Nutzung. Auch wenn Zuckerberg versicherte, dass WhatsApp zunächst weiterlaufen solle wie bisher, irgendwann muss es einmal Geld abwerfen - das ist das Management schon seinen Aktionären schuldig.

Möglich scheint allerdings, dass Facebook zunächst seine Gewinne mit seinem Stammprodukt einzunehmen versucht - wohl mit mehr Werbung. Weitere Zukäufe, wie etwa jener des Bilder-Messaging-Dienstes SnapChat - der Versuch des Erwerbs scheiterte -, sind nun eher vom Tisch. Und Datenschützer sorgen sich, dass Facebook die Nutzerdaten von WhatsApp kapitalisieren könnte.

Junge wieder ins Boot holen

Vorerst aber kauft sich Facebook mit dem Milliardendeal dort ein, wo es selbst Schwächen hat. Mehrere Studien zeigten zuletzt, dass Facebook bei jungen Menschen zunehmend unattraktiver wird. Generell ziehen sich diese aus Sozialen Netzwerken zurück und kommunizieren häufig nicht mehr öffentlich, sondern in geschlossen Gruppen - eben mit WhatsApp und anderen Applikationen. Kein anderer digitaler Dienst konnte in den ersten fünf Jahren seines Bestehens solche User-Zuwachsraten aufweisen wie WhatsApp. Facebook, Twitter, Gmail und Skype, sie alle wuchsen deutlich langsamer.

Überleben nur mit Mobilstrategie

Zudem sei WhatsApp nicht nur in Europa, sondern auch in Südamerika und Asien sehr beliebt - also auf Märkten, wo Facebook noch deutlichen Aufholbedarf habe, schreibt etwa das Fachportal Techcrunch. Und mit seinem eigenen Kurznachrichtendienst Messenger sei Facebook zu spät eingestiegen - erst 2011 und damit zwei Jahre nach WhatsApp.

Die Zukunft liege im mobilen Bereich, stellte Zuckerberg schon 2012 klar. Im letzten Quartal 2013 stammte erstmals mehr als die Hälfte der Werbeeinnahmen von Anzeigen auf Smartphones und Tablets. „2013 war das Jahr, in dem wir unser Geschäft in ein mobiles Geschäft verwandelt haben“, sagte Zuckerberg im Jänner. Und der WhatsApp-Deal passt zu dieser Strategie. „Bei dem Kauf ging es nicht darum, die Einnahmen zu steigern“, heißt es auf Techcrunch. Es sei darum gegangen, den globalen Wechsel hin zum Mobilgeschäft zu überleben.

User sind mobil - auch beim Anbieter

Dennoch ist der Deal riskant - und nicht nur ob des hohen Kaufpreises. Denn vor allem die jungen User sind nicht nur bei der Kommunikation mobil, sondern auch bei der Wahl ihrer Plattformen. Sollte sich etwas bei WhatsApp ändern, könnten sie den Dienst genauso schnell verlassen, wie sie gekommen sind. Denn Alternativen gibt es einige, vor allem in Asien: Die japanischen Dienste Line und Viber, der erst unlängst für 900 Millionen Dollar den Besitzer wechselte, haben jeweils rund 300 Millionen Kunden.

Zahlreiche Konkurrenten

Der südkoreanische Anbieter KakaoTalk hat 90 Millionen User, ähnlich viele Menschen nutzen den in Kanada entwickelten Messenger Kik. Zum größten Konkurrenten könnte sich aber WeChat entwickeln. Der chinesische Dienst hat unter dem Namen Weixin allein in seinem Heimatland 400 Millionen Nutzer und expandiert aggressiv in aller Welt - über 100 Millionen Nutzer sollen es bereits außerhalb Chinas sein.

Ein Nischendasein fristen derzeit noch Messaging-Dienste, mit denen Nachrichten verschlüsselt versendet werden. Doch auch angesichts des NSA-Skandals und des steigenden Bewusstseins zu Datenschutz, gewinnen Dienste wie TextSecure, Surespot, Telegram, ChatSecure und vor allem Threema aus der Schweiz immer mehr Anhänger.

Christian Körber, ORF.at

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