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„Ich wechsle in den Raubvogelmodus“

Das Centre Pompidou-Metz widmet sich ab Mittwoch dem Schund und den Geschundenen: Über 600 Exponate loten die Beziehung zwischen Paparazzi und Stars während der letzten 50 Jahre aus. Neben vielen entsprechenden Fotos sind auch künstlerische Arbeiten zu sehen, die das geächtete Metier reflektieren.

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Paparazzi, dabei denkt man an mythenbeladene, genauso oft gefeierte wie gehasste Fotografen - Ron Galella, Pascal Rostain, Bruno Mouron, Tazio Secchiaroli - und an ihre Opfer, von Elizabeth Taylor und Brigitte Bardot über die junge Kate Moss („Cocaine Kate“) bis hin zu „Brangelina“, wie die Yellow Press das Ehepaar Angelina Jolie und Brad Pitt der Einfachheit halber taufte.

Die Schau geht das Thema von allen Seiten an - unter anderem auch historisch, chronologisch. Der Begriff Paparazzi, lernt man, geht auf Federico Fellini zurück. Er ist ein Amalgam aus „Pappataci“ (Gelse) und „Ragazzi“ (junge Menschen - in diesem Zusammenhang wohl im Sinn von Rüpel). Fellini porträtierte den Paparazzo als postmodernen Antihelden. Seit seinem Schwarz-Weiß-Film „La dolce vita“ wurde er zu einer mythischen Figur in der Populärkultur.

Ex-US-Präsident George W. Bush

Alison Jackson

Echt oder nicht? Ein Bush-Lookalike verzweifelt am Rubik’s Cube

Goldene Nasen, blau geschlagene Augen

Im Centre Pompidou-Metz ist den Paparazzi im Film ein eigener Raum gewidmet, wo Ausschnitte nicht nur von Fellini, sondern auch von Dario Argento, Brian de Palma, Louis Malle und Andrzej Zulawski gezeigt werden. Die Paparazzi werden nicht einfach verteufelt, sondern zu doppelt tragischen Figuren - wie Kriegsreporter, nur ohne deren moralische Integrität. Im Film sind sie meistens die Loser oder die Verdammten. Und das hat sich bis heute nicht geändert - siehe „Paparazzi“ von Paul Abascal aus dem Jahr 2004.

Im echten Leben gilt das wohl auch für die Vielzahl an Paparazzi. Aber einige, die großen Namen der Szene, verdienen sich eine goldene Nase und dürften es deshalb leichter verkraften als andere, wenn ihnen wegen des Raubs der Privatsphäre - oder ganz einfach, weil sie so lästig sind - blaue Augen verpasst werden.

Brigitte Bardot und ihre Hass-Paparazzi

Berühmt für ihr Katz-und-Maus-Spiel waren Brigitte Bardot und Secchiaroli, der als Vorlage für Fellinis Paparazzo diente. Bardot lief davon, versteckte sich und rechnete in den Medien bitterböse mit den notorischen Schnappschussjägern ab. Es nutzte nichts, vor allem Secchiaroli bekam sie überall vor die Linse. Berühmt sind etwa seine Fotos vom Set von Jean-Luc Godards Film „Le Mepris“. Bardots Widerstand ging so weit, dass die Paparazzi - wohl nicht ganz ernst gemeint - „streikten“ und auf Plakaten forderten, die Schauspielerin solle doch nicht so garstig zu ihnen sein.

Auf ihren Plakaten war zu lesen: „1950 hast du uns gesucht, 1960 weist du uns zurück.“ Sie spielten auf ein Phänomen an, das nicht von der Hand zu weisen ist. Viele Stars werden nicht zuletzt wegen der Bilder berühmt - gerade Bardot - und wollen am Zenit ihres Erfolgs dann nichts mehr von den Fotografen wissen. Was die Paparazzi freilich verschweigen: Bardot wurde durch Modefotos und nicht durch Schnappschüsse bekannt, auch wenn die Schnappschüsse ihren internationalen Ruhm vermehrten.

Paparazzi vor Brigitte Bardots Domizil

Pascal Rostain et Bruno Mouron/Agence Sphinx

Paparazzi-Demo gegen Brigitte Bardot

Diana und der Mittelfinger

Und apropos garstiges Verhalten gegenüber Paparazzi: Ein Foto hängt in der Ausstellung, auf dem Prinzessin Diana zu sehen ist, wie sie dem Fotografen ihren Mittelfinger zeigt. Auf den ersten Blick - posthum gesehen - eine angemessene Reaktion auf die Hetzjagd der Paparazzi, der sie am Ende zum Opfer gefallen ist. Aber man sollte genauer hinsehen. Denn das Foto hat Alison Jackson geschossen. Jackson kennt man wegen ihrer Fotos von Lookalikes der Stars.

Sie fotografiert Doppelgänger in Posen und Situationen, in denen die Promis selbst niemals zu sehen sind. Die „Queen“ fotografierte sie etwa beim Abwaschen. Den ehemaligen „US-Präsidenten George W. Bush“ ließ sie am Rubik’s Cube verzweifeln. Jackson war 2012 in Wien eine eigene Ausstellung gewidmet.

Lady Di zeigt den Stinkefinger

Alison Jackson

Prinzessin Diana zeigt dem Fotografen ihren Mittelfinger. Oder doch nicht?

Wie die Tiere

Der Mythos, der die Paparazzi umgibt, wird im Katalog unter Rückgriff auf Rolande Barthes so erklärt: Sie würden als Kehrseite der Fotokunst verteufelt, und gerade das mache sie interessant. Sie seien subversiv, würden Bilder „stehlen“, die dann noch dazu massenmedial verbreitet werden. Und die Paparazzi selbst basteln mit am Mythos. Pascal Rostain wird mit den Worten zitiert: „Wir nennen uns selbst Ratten.“

Auch in Filmen werden sie immer wieder mit Tieren verglichen. Francis Apesteguy, einer der berühmt-berüchtigsten Vertreter seiner Zunft, sagt: „Wenn ich Jeans und Sneakers anziehe und das große Objektiv in den Rucksack packe, wechsle ich in den Raubvogelmodus. Ich habe auch einen Schakalmodus (...). Ein Schakal streicht herum, bleibt bei nichts wirklich hängen, hat keine Skrupel. Das ist der beste Vergleich.“ Paparazzi mögen ja ehrenrührige Fotos von Stars machen, aber ihr Selbstbild ist auch nicht besser.

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