Auf den Spuren von MySpace?
Zehn Jahre nach seinem Start an der US-Elite-Universität Harvard scheint Facebook derzeit uneinholbar zu sein. Doch seit längerem sorgt das Netzwerk mit seinen eigenmächtigen Änderungen - die vor allem das Ziel verfolgen, mehr Geld zu lukrieren - für wachsenden Ärger bei seinen Nutzern. Aber auch bei den Firmen, mit deren Werbung Facebook Geld verdient.
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Mit 1,23 Milliarden monatlich aktiven Nutzern weltweit dominiert Facebook die Welt der Sozialen Netzwerke derzeit deutlich. Laut jüngsten Quartalszahlen floriert auch das Geschäft: Im vierten Quartal 2013 konnte der Konzern seinen Umsatz um fast zwei Drittel auf 2,6 Milliarden Dollar steigern, der Nettogewinn vervielfachte sich auf 523 Millionen Dollar. Auch den Sprung in die mobile Welt hat Facebook gemeistert: Mittlerweile trägt die Werbung auf Smartphones und Tablets mehr als die Hälfte zum Umsatz bei.
Nutzerzahlen steigen langsamer
Bei den Nutzern zeichnet sich hingegen schon länger eine Stagnation ab: Im Quartalsvergleich legten die Nutzerzahlen zuletzt deutlich langsamer auf 1,23 Mrd. zu - und schon bald könnte Facebook auch ein Minus verzeichnen. Einerseits sind Facebook durch Verbote wie in China Grenzen gesetzt, andererseits wechseln offenbar immer mehr Nutzer zu anderen Services. Vor allem junge Nutzer verlassen Facebook, weil sie sich auf anderen Plattformen besser und schneller austauschen können - und auch, weil sie die Nachrichten und Bilder ihrer Freunde auf anderen Plattformen auch tatsächlich zu Gesicht bekommen.
Facebook als ewige Baustelle
Seit Jahren sorgt Facebook mit seinen laufenden Versuchen, sein Angebot zu „optimieren“, für großen Ärger bei den Nutzern. Immer wieder baut Facebook die Website komplett um, wie etwa 2011 bei der Einführung der magazinartigen Timeline. Zuletzt sorgten aber vor allem die immer häufiger werdenden Änderungen an den zugrundeliegenden Algorithmen, die auch für die Platzierung passender Werbung dienen, für anhaltenden Missmut.
Mit Hilfe dieser Algorithmen bestimmt Facebook, welche Nachrichten und Informationen im Newsfeed eines Nutzers erscheinen. Dazu analysiert Facebook laut eigenen Angaben vor allem das Nutzerverhalten, also etwa, welche Links ein Nutzer anklickt oder mit welchen Personen und Angeboten er häufig interagiert. Wie die einzelnen Positionen gewichtet werden, ist nicht bekannt, Facebook veröffentlicht über die genauen Definitionen keine Details.
Wenig Infos über Änderungen
Grundsätzlich bleibt Facebook bei Neuerungen kryptisch. Anfang Dezember sagte Facebook anlässlich der Neubewertung von Nachrichtenartikeln im Newsfeed etwa, sich in Zukunft mehr Mühe zu geben, hochwertige Inhalte im Gegensatz zu vor allem der Belustigung dienenden Memes herauszufiltern und ihnen etwa durch eine prominentere Verlinkung mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Dazu beobachte Facebook Klicks und welche Artikel die Nutzer sonst noch lesen. Mehr verriet der Anbieter nicht.
Wer bestimmt die Inhalte im Newsfeed?
Weiters gab Facebook im Dezember bekannt, Artikel mit Kommentaren von Freunden wieder prominenter im Newsfeed anzuzeigen. Das führte bei vielen Nutzern in weiterer Folge dazu, dass „alte“ und mitunter auch irrelevante Artikel wieder beziehungsweise überhaupt in ihrem Newsfeed auftauchen. Im Gegenzug verschwinden laut Nutzerberichten aktuelle Berichte und Statusupdates von Freunden immer häufiger aus dem Blickfeld, wobei es offenbar auch noch Unterschiede zwischen der mobilen Version auf Smartphones und der Ansicht im Browser gibt. Entsprechend manifestierte sich bei vielen Nutzern das Gefühl, nicht mehr Herr über ihren Newsfeed und up to date zu sein.
Firmen bekommen wenig Infos
Den Firmen, die auf Facebook werben, geht es meist nicht anders - auch sie werden oft ohne Vorankündigung vor geänderte Tatsachen gestellt. Im Jänner änderte Facebook etwa den Algorithmus für Facebook-Seiten von Unternehmen. Viele Firmen müssten nun mehr Geld ausgeben, wenn sie wieder mehr Nutzer erreichen wollen, schreibt das Onlinemagazin AdAge. Es reiche nicht mehr, möglichst viele Fans zu sammeln, es gehe nun auch um gehaltvolle und vor allem relevante Inhalte und Interaktionen, um Nutzer gezielt ansprechen zu können. Laut dem Marktforschungsunternehmen Forrester sieht nur ein Bruchteil der Fans jedes Facebook-Posting einer Firma.
Forrester bewertet die laufenden Änderungen bei Facebook durchaus auch positiv, dadurch könne sich Facebook schneller anpassen - etwa an die Beschwerde vieler Nutzer vor einiger Zeit, dass schlicht zu viele Nachrichten in ihrem Newsfeed auftauchen und sie den Überblick verlieren. Der Marktforscher bezweifelt zudem die Ergebnisse einer Studie der US-Universität Princeton, wonach Facebook bis 2017 bis zu 80 Prozent seiner Nutzer verlieren könnte. Trotz Rückgangs werde Facebook immer noch von über 88 Prozent aller US-User zwischen 18 und 25 Jahren genutzt, so Forrester.
Facebook treibt Preis für Werbung in die Höhe
Doch Facebook verärgert die Nutzer nicht nur mit den Algorithmusänderungen, sondern auch mit der vor allem im prominenten Newsstream immer häufiger werdenden Werbung - und das offenbar kalkuliert: Der durchschnittliche Preis für Facebook-Werbung stieg im letzten Jahr laut offiziellen Angaben um 92 Prozent. Facebook-Chef Mark Zuckerberg kündigte bei der Bekanntgabe der jüngsten Quartalszahlen an, dass der Konzern in Zukunft den Fokus auf eine höhere Qualität der Werbung statt auf noch mehr Einschaltungen legen will.
Die Börse zeigte sich angesichts der jüngsten Zahlen begeistert. Wie lange die Nutzer die Begeisterung teilen werden, wird sich zeigen. Facebook selbst wollte bei der Bekanntgabe der jüngsten Quartalszahlen keine Angaben über die Entwicklung der Zahl der jüngeren Nutzer machen, die Interaktion der Nutzer mit dem Angebot sei aber gestiegen, hieß es. Die Frage ist, was Facebook einem Nutzerschwund oder auch einem neuen Konkurrenten nachhaltig entgegensetzen kann - und ob Facebook wie der ehemalige Konkurrent MySpace schnell in die Bedeutungslosigkeit verschwinden könnte.
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