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USA verhängten erste Einreiseverbote

Nach der Eskalation der Gewalt in der Ukraine könnten auf EU-Ebene bereits am Donnerstag Sanktionen gegen die politische Führung in Kiew abgesegnet werden. Die 28 EU-Staaten wollen nach Angaben von Diplomaten Einreiseverbote gegen eine Reihe von Politikern verhängen. Zugleich sollen die in der EU befindlichen Bankkonten dieser Personen eingefroren werden.

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Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk habe in seinen Telefonaten mit anderen EU-Staats- und Regierungschefs volle Zustimmung für Strafmaßnahmen erhalten, berichtete der stellvertretende polnische Außenminister Piotr Serafin in Warschau. Offiziell beschlossen werden sollen die Sanktionen am Donnerstagnachmittag bei einer Sondersitzung der EU-Außenminister in Brüssel.

Mehrere EU-Spitzenpolitiker, darunter die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Francois Hollande hatten sich im Laufe des Tages für Sanktionen ausgesprochen. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sagte der APA, „dass wir für zielgerichtete Sanktionen sind gegen jene, die für die Gewalteskalation verantwortlich sind“. „Europa darf nicht wegsehen, wenn in unmittelbarer Nachbarschaft Menschen erschossen werden“, betonte er. Kurz hatte zuvor auch den ukrainischen Botschafter in Wien ins Außenministerium zitieren lassen.

Österreich will Konten sperren

Welche Sanktionen beschlossen werden, war zunächst unklar. Ratspräsident Herman Van Rompuy sprach von „finanziellen Sanktionen und Visabeschränkungen“. Finanzstaatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ) sprach sich dafür aus, die österreichischen Bankkonten all jener Oligarchen zu sperren, die für Gewalteskalation verantwortlich sind. „Das wäre ein politisches Signal, um die ukrainische Demokratiebewegung zu unterstützen“, teilte Steßl der APA mit. Zugleich betonte sie, dass die Kontensperre „jedenfalls“ im europäischen Gleichklang erfolgen solle.

Medienberichten zufolge sollen Oligarchen aus dem Umfeld von Präsident Janukowitsch über geschäftliche Verbindungen nach Wien verfügen. Genannt werden in diesem Zusammenhang der Leiter der Präsidentschaftskanzlei, Andrij Kljujew, und Ex-Ministerpräsident Mykola Asarow.

Noch keine fertige Liste

Die detaillierte Liste der geplanten EU-Sanktionen muss offenbar aber erst am Donnerstag von den Außenministern der Europäischen Union höchstpersönlich zusammengestellt werden. Die Botschafter der 28 EU-Regierungen einigten sich bei Gesprächen im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK) am Mittwochabend noch nicht auf Einzelheiten der Sanktionen, wie EU-Diplomaten in Brüssel mitteilten. In Brüssel hieß es, angesichts der sich überstürzenden Ereignisse und der großen Eile bei der Beschlussvorbereitung hätten nicht alle Botschafter eindeutige Weisungen von ihren Regierungen erhalten.

Merkel telefoniert mit Putin

Merkel telefonierte angesichts der Eskalation der Gewalt in der Ukraine mit Russlands Staatschef Wladimir Putin. Sie habe mit dem russischen Staatschef verabredet „weiter alles zu tun, damit die Gewalt nicht weiter eskalieren kann“, sagte Merkel am Mittwochabend bei einem Besuch in Paris: „Wir wollen alles versuchen, damit der politische Prozess dort weiter in Gang kommt.“ Mit Blick auf die weitere Entwicklung in der Ukraine habe sie mit Putin zudem vereinbart, den Kontakt „sehr eng“ zu halten.

USA annullieren Einreisevisa

Die USA setzten unterdessen erste Strafmaßnahmen gegen die ukrainische Führung um. Als Reaktion auf die Gewalt wurden gegen hochrangige Regierungsmitglieder Einreiseverbote verhängt. Die Strafmaßnahmen richteten sich gegen etwa 20 Personen, die für das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstranten verantwortlich gemacht würden, teilte das Außenministerium in Washington am Mittwoch mit. Es ist offen, welche Politiker in der Ukraine von den Strafmaßnahmen betroffen sind.

US-Präsident Barack Obama verurteilte zuvor die Gewalt in der Ukraine scharf und drohte im Fall einer weiteren Eskalation mit Schritten der internationalen Gemeinschaft. „Es wird Konsequenzen haben, wenn Leute eine Linie überschreiten“, sagte Obama am Rande des Nordamerika-Gipfels im mexikanischen Toluca. Dazu gehöre, dass sich das ukrainische Militär nicht in Angelegenheiten einmischen dürfe, die von Zivilisten gelöst werden könnten.

Die Verantwortlichen der Gewalt in Kiew müssten zur Rechenschaft gezogen und zu besserem Verhalten gedrängt werden. „Dafür haben wir einen Werkzeugkoffer, der auch Sanktionen umfasst“, sagte zuvor mit Ben Rhodes auch der stellvertretende Sicherheitsberater Obamas. Laut Rhodes wollen sich die USA beim Verhängen von möglichen Sanktionen eng mit der EU abstimmen. Sollte die Regierung in Kiew die Sicherheitskräfte abziehen, Gefangene freilassen und in einen Dialog mit der Opposition treten, würde sich das aber ebenfalls auf die Überlegungen Washingtons auswirken.

Siborski, Steinmeier und Fabius reisen nach Kiew

Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski reiste indes auf Ersuchen der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton nach Kiew, um in dem Konflikt zwischen Regierung und Opposition zu vermitteln. Am Donnerstag in der Früh reisten auch die Außenminister Deutschlands und Frankreichs, Frank-Walter Steinmeier und Laurent Fabius, nach Kiew.

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso telefonierte am Mittwoch mit dem ukrainischen Präsidenten Janukowitsch, um den Einsatz von Gewalt gegen Demonstranten zu verurteilen. Zahlreiche EU-Spitzenpolitiker hatten zuvor den Präsidenten für die Gewalteskalation verantwortlich gemacht. „Die Verzögerungstaktik von Präsident Janukowitsch hat die Ukraine teuer bezahlt“, sagte Steinmeier. Der schwedische Außenminister Carl Bildt warf dem Staatschef vor, „Blut an den Händen“ zu haben. Als „vollkommen abscheulich“ bezeichnete auch Rhodes die Gewalt in Kiew.

UNO verurteilt Gewalteskalation

Während UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon die Gewalt ebenfalls verurteilte und die UNO-Menschenrechtsbeauftragte Navi Pillay eine unabhängige Untersuchung forderte, stärkte Russland seinem Verbündeten den Rücken. Der Kreml teilte mit, dass Präsident Putin mit Janukowitsch telefoniert habe. Die Regierung in Moskau stufe die Proteste in Kiew als versuchten Staatsstreich ein, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow.

Janukowitsch demonstrierte unterdessen Härte. Sollte sich die Opposition nicht von den Gewalttätern distanzieren, werde er „andere Töne anschlagen“ sagte er am Mittwoch. Der Geheimdienst SBU verkündete eine landesweite „Anti-Terror-Aktion“ gegen Regierungsgegner. „Radikale und extremistische Gruppierungen stellen mit ihren Handlungen eine reale Gefahr für das Leben von Millionen Ukrainern dar“, teilte der SBU mit. Organisationen, die als terroristisch eingestuft werden, dürfen laut Gesetz „liquidiert“ werden.

Der SBU hatte zuvor mitgeteilt, wegen versuchten Staatsstreichs gegen „einzelne Politiker“ zu ermitteln. Der kommissarische Verteidigungsminister Pawel Lebedew ordnete an, Luftlandetruppen zur Verstärkung nach Kiew zu verlegen.

Ukrainer protestieren in Wien

Sanktionen gegen die ukrainischen Machthaber und Neuwahlen forderten unterdessen auch rund 130 Personen, die sich am Mittwoch an einer Demonstration vor dem Wiener Parlament beteiligten - oesterreich.ORF.at.

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