Keine Verwendung, kein Platz
Männliche Giraffen haben es in dänischen Zoos offenbar nicht leicht. Vor allem wenn sie den Namen Marius tragen, scheinen sie eine beschränkte Lebenserwartung zu haben. Nachdem erst vor wenigen Tagen unter großem Aufschrei von Tierfreunden die gesunde, junge Giraffe Marius im Kopenhagener Zoo vor Publikum getötet, zerlegt und an Löwen verfüttert wurde, droht nun einem zweiten Marius ein ähnlicher Tod.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Der zweite Marius, eine von zwei männlichen Giraffen im Jyllands-Park-Zoo im westlichen Dänemark, muss womöglich Platz machen für eine weibliche Giraffe. Der Zoo nimmt am Zuchtprogramm der Europäischen Zoo- und Aquarienvereinigung (EAZA) teil: Wenn der Betreiber es schafft, ein Giraffenweibchen zu erwerben, ist für Marius wohl kein Platz mehr. Die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass das sieben Jahre alte Tier in diesem Fall getötet werden muss, da es sehr schwierig sei, für diese Tiere einen anderen Platz zu finden, teilte der Zoo laut einem „Guardian“-Bericht mit.
„Hätten dasselbe getan“
Laut Zoowärterin Janni Löjtved Poulsen liegt die Entscheidung bei den Verantwortlichen des Zuchtprogramms. „Wenn es heißt, wir sollen einschläfern, werden wir das natürlich machen.“ Von den Protesten rund um den Tod des anderen Marius lasse man sich nicht beeinflussen. „Das berührt uns absolut nicht. Wir stehen hinter Kopenhagen und hätten dasselbe getan“, so Poulsen. Ob Marius im Falle einer Tötung auch öffentlich zerteilt werden soll wie sein Namenskollege, stehe noch nicht fest.

Reuters/Scanpix
Marius musste weichen, weil er zu viele Verwandte in europäischen Zoos hatte
Das gesunde Giraffenkalb im Kopenhagener Zoo war am Sonntag durch einen Kopfschuss getötet, vor Publikum zerteilt und anschließen an Löwen verfüttert worden. Das hatte international für einen Proteststurm gesorgt. Man habe keine Alternative zum Tod des erst eineinhalb Jahre alte Tiers gesehen, verteidigte sich der Zoobetreiber.
Tötung wegen Inzuchtgefahr
Der Tierpark gehört zur EAZA, für die ein strenges Zuchtprogramm für Giraffen gilt, das nur Paarungen zwischen nicht miteinander verwandten Giraffen erlaubt. Damit soll die genetische Vielfalt der Population erhalten bleiben. Marius fand den Angaben zufolge in keinem der rund 300 EAZA-Zoos Aufnahme, weil dortige Giraffen ähnliches Genmaterial aufwiesen.

APA/Scanpix
Die Giraffe wurde im Kopenhagener Zoo vor Publikum zerteilt
Der Tod der Giraffe erregte die Netzgemeinde, die Proteste reißen auch Tage danach nicht ab: Mehr als 58.000 Menschen forderten bisher in einer Onlinepetition die Schließung des dänischen Zoos. Eine Facebook-Gruppe zum selben Thema hatte am Dienstag mehr als 22.800 Mitglieder. Ein Milliardär hatte sich davor bereiterklärt, das Tier zu kaufen und in seinem Privatpark zu beherbergen. Nachdem das Tier umgebracht wurde, erhielten Zoomitarbeiter sogar Morddrohungen.
Tierarzt: Wäre auch in Schönbrunn möglich
Was für Tierschützer und eine große Netzgemeinde unverständlich ist, ist in Zoos jedoch offenbar keine große Sache. Eine solche Vorgehensweise wäre laut Thomas Voracek, Fachtierarzt im Tiergarten Schönbrunn, auch in Wien möglich.
Auch dieser ist Mitglied der EAZA. Würde in Schönbrunn ebenfalls ein Giraffenjunges geboren werden, das aufgrund von Inzuchtgefahr nirgendwo Aufnahme fände, könnte es zu einer ähnlichen Vorgehensweise wie in Kopenhagen kommen. Auch die Verfütterung eines Zootieres an andere Zootiere sei erlaubt, betonte Voracek. Er sehe die öffentliche Verfütterung von Marius an Raubtiere im Kopenhagener Zoo daher „emotionslos“.
Natur „entdisneyfizieren“
In Dänemark selbst hatte sich die Aufregung in Grenzen gehalten. Öffentliche Obduktionen von Tieren sind dort nicht ungewöhnlich: Im Naturhistorischen Museum in Aarhus etwa können Kinder regelmäßig dabei zusehen, wie Tierkörper obduziert werden. Auf dem Winterferienprogramm, das nach Museumsangaben jedes Jahr bis zu 8.000 Menschen anzieht, stehen in dieser Woche etwa die Obduktion einer Antilope, eines Waschbären und eines Wolfs.
„Das ist immer ein Publikumshit“, sagte Lars Bogh vom Museum der Zeitung „Politiken“. Im Gegensatz zum Zoo gebe das Museum den Tieren aber keine Namen. Daher rühre viel der Dramatik im Fall Marius, erläuterte Bogh. „Die Namensgebung romantisiert und provoziert solche Situationen, in denen man vergisst, dass die Natur die Natur ist, eine Robbe eine Robbe und ein Wal ein Wal. Wir wollen Tiere und Natur entdisneyfizieren.“
Links: