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Im Zweifel für den Angeklagten

Fälle von sexuellem Missbrauch auf US-Militärbasen in Japan bleiben in vielen Fällen ungeahndet. Das belegen Regierungsdokumente, die der Nachrichtenagentur AP vorliegen. In Hunderten Fällen fielen die Strafen zu milde aus. Nur ein Drittel der mutmaßlichen Täter musste ins Gefängnis, in Dutzenden Fällen gab es nur eine Verwarnung.

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Die meisten US-Soldaten, die in den vergangenen Jahren auf einer der Militärbasen in Japan eines Sexualverbrechens für schuldig befunden wurden, blieben von Haftstrafen verschont, wie aus über 1.000 Dokumenten hervorgeht, die die AP unter Berufung auf den Freedom of Information Act auswertete. In Hunderten Fällen wurden Geldstrafen oder Ausgangssperren verhängt, in 30 Fällen wurde überhaupt nur eine Verwarnung ausgesprochen.

Entscheidungen grenzwertig

Die Unterlagen würfen ein denkbar schlechtes Licht auf die leitenden Offiziere, kritisiert die AP. Der Umgang mit Missbrauchsvorwürfen sei zudem in einigen Fällen grenzwertig gewesen: So seien Anklagepunkte entschärft worden, in zwei Fällen hätten Vorgesetzte die Empfehlungen für einen Prozess gänzlich ignoriert und die Anklagen fallengelassen.

Größte Basis in Übersee

Die US-amerikanischen Militärbasen in Japan sind die größten US-Militäreinrichtungen außerhalb des eigenen Landes. Insgesamt haben die USA 48.000 Soldaten in Japan stationiert, 26.000 davon auf der Insel Okinawa.

Selbst wenn sich die Armeeoffiziere laut den Dokumenten einig waren, dass eine Straftat vorlag, war damit nicht garantiert, dass der mutmaßliche Täter auch tatsächlich eine Strafe bekommt. Von den 244 in Japan stationierten Soldaten, denen laut Pentagon-Unterlagen Sexualverbrechen vorgeworfen wurden, musste nur ein Drittel tatsächlich ins Gefängnis.

Bei der Air Force nur Verweise

Die Unterlagen der Strafverfolgungsbehörde der US-Marine (NCIS) zeigen auch die große Unterschiede innerhalb des US-Militärapparats. So fassten Marine-Angehörige deutlich schärfere Strafen aus: Von den 270 Fällen, die seit 2005 dokumentiert sind, wurden 53 mit Haftstrafen geahndet. In der US-Navy hingegen wurden von den 203 angezeigten Fällen nur 70 in irgendeiner Form geahndet, nur 15 mutmaßliche Täter landeten im Gefängnis. Am tolerantesten geht die Air Force mit ihren „schwarzen Schafen“ um: Bei 124 angezeigten Sexualverbrechen erhielten 21 der Täter nur einen schriftlichen Verweis.

Luftbild der US-Basis in Okinawa

AP/Kyodo

US-Militärbasis auf der Insel Okinawa

Missbrauchsfälle nehmen dramatisch zu

Dabei ist die Zahl der Missbrauchsfälle, die vor Gericht landen, in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen - von 42 Prozent im Jahr 2009 auf 68 Prozent im Jahr 2012, wie die Zahlen des US-Verteidigungsministeriums belegen. Von den 238 US-Soldaten, die 2012 wegen eines Sexualdeliktes vor einem Militärgericht standen, erhielten immerhin 74 Gefängnisstrafen. In Japan scheint jedoch das US-Recht etwas anders ausgelegt zu werden. Denn dort landeten von den 473 anzeigten Vergewaltigungsfällen der letzten acht Jahre nur 116 - oder 24 Prozent - vor einem Gericht. 2012 war es überhaupt nur ein einziger Fall.

Der laxe Umgang mit Straftätern sorgt auch dafür, dass viele Opfer das Vertrauen in die US-Justiz verlieren. Immer öfter werden Anschuldigungen zurückgezogen oder die Zusammenarbeit mit den ermittelnden Militärbehörden wird verweigert. Waren es 2006 noch 13 Fälle, hat sich die Zahl 2012 mit 28 schon mehr als verdoppelt, wie die Auswertung der NCIS-Daten ergab.

Demonstration in Japan

AP/Kyodo

In Japan sorgten Übergriffe von US-Soldaten immer wieder für Empörung

Die überwiegende Mehrheit der Missbrauchsopfer stammt aus den eigenen militärischen Reihen. Bei der Hälfte der 620 Anzeigen gegen US-Soldaten auf einer der US-Basen in Japan waren auch die Opfer Militärangehörige. In 94 Fällen waren die Opfer Zivilpersonen, in 200 weiteren Fällen war der Status der Opfer nicht definiert.

Gesetzesvorschlag im US-Senat

Die wachsende Zahl an sexuellen Übergriffen innerhalb des Militärs ist mittlerweile auch ein politischer Streitfall. Gruppierungen innerhalb des US-Kongresses, die schon länger versuchen, die Macht der Offiziere zu beschneiden, sehen sich anhand des AP-Berichts bestätigt. Die demokratische Senatorin Kirsten Gillibrand, Vorsitzende eines überparteilichen Personenkomitees, will die Entscheidung, ob schwere Straftaten vor Gericht landen oder nicht, in unabhängigen Händen sehen. „Wie viele Vergewaltigungen müssen wir noch abwarten, um zu entscheiden, welche Reformen notwendig sind?“, so Gillibrand gegenüber AP. Die Gruppe hat einen Gesetzesentwurf zur Entmachtung von Offizieren im Senat eingebracht.

Doch Gillibrands Bemühungen stoßen innerhalb des Militärs und bei deren Unterstützern im Kongress auf heftigen Widerstand. „Die Kommandanten aus dem Kreis auszuschließen hat noch nie ein Problem gelöst“, wetterte der republikanischer Senator Lindsey Graham. „Es würde das militärische Justizsystem zerstören. Denn es würde die Kommandanten aus der Verantwortung nehmen, sich dieses Problems anzunehmen.“

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