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Diplomatie mit unlauteren Mitteln?

Seit 2002 soll der US-Geheimdienst NSA die Telefongespräche des damaligen deutschen Kanzlers Gerhard Schröder belauscht haben. Grund dafür war die ablehnende Haltung Deutschlands zum Irak-Krieg. Dieses Ringen der USA, ihre Partner von einem Militäreinsatz zu überzeugen, erscheint nun in vollkommen neuem Licht.

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Schon im Jänner 2002 hatte US-Präsident George W. Bush den Startschuss für einen Militäreinsatz im Irak gegeben. In seiner Rede zur Lage der Nation nannte er den Irak, den Iran und Nordkorea als „Achse des Bösen“. Er werde nicht zulassen, dass sie den Weltfrieden mit Massenvernichtungswaffen bedrohten. Gleichzeitig begannen die USA damit, ihre europäischen Verbündeten unter Druck zu setzen.

Schröder als Gegenspieler, Blair als Unterstützer

Und Schröder ließ rasch durchblicken, dass er Deutschland aus dem Konflikt heraushalten wolle. Deutlich wurde er im August 2002: Er erklärte im Wahlkampf, seine Regierung stehe für das „Abenteuer“ eines Irak-Krieges nicht zur Verfügung. Spätestens 2002 hat dann der US-Geheimdienst Schröder in die Liste der zu überwachenden Personen und Einrichtungen aufgenommen, meldete die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) am Dienstag.

George W. Bush, und der deutsche Kanzler Gerhard Schröder

AP/Charles Dharapak

Bush und Schröder hatten nicht das beste Verhältnis

Kurz nach Schröders Aussagen bekräftigte Bush vor den Vereinten Nationen die Entschlossenheit der USA, notfalls im Alleingang gegen den Irak vorzugehen. Daraufhin schloss sich der britische Premierminister Tony Blair den USA an: Iraks Präsident Saddam Hussein müsse „gestoppt werden“, sagte er im September.

Diplomatisches Tauziehen

Und spätestens dann begann im Sicherheitsrat das große Ringen um eine den Krieg legitimierende Resolution. Europa war gespalten: Die USA konnten neben Großbritannien auch Spanien, Portugal, Italien, Dänemark und die meisten osteuropäischen Länder wie Polen für sich gewinnen. Angesichts der neuen Abhörenthüllungen kann nun freilich spekuliert werden, inwiefern die geheimen Informationen in dem diplomatischen Tauziehen für die USA hilfreich waren.

Belgien, Deutschland, Frankreich und Luxemburg legten sich allerdings weiter quer. Der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zählte Deutschland zum „alten Europa“ und lobte die Verbündeten als „neues Europa“. Und das Verhältnis von Bush und Schröder wurde zunehmend zerrüttet.

Bush und Schröder spinnefeind

Bush datiert den Beginn des Zerwürfnisses auf ein Treffen mit Schröder am 31. Jänner 2002 im Weißen Haus. Schröder habe ihm die volle Unterstützung für die Irak-Politik zugesagt, schrieb Bush in seinen Memoiren. Schröder habe gesagt: „Was für Afghanistan richtig ist, ist auch für den Irak richtig.“ Laut Bush fügte der Kanzler hinzu: „Wenn Sie es schnell und entschieden erledigen, dann bin ich mit Ihnen.“ Bush wertete das als „Erklärung der Unterstützung“.

Als Bushs Memoiren 2010 erschienen, bezichtigte Schröder den Ex-Präsidenten der Lüge: „Der frühere amerikanische Präsident Bush sagt nicht die Wahrheit.“ Seine Unterstützung für einen Irak-Einsatz habe er nur für den Fall zugesagt, dass sich der Irak „tatsächlich als Schutzraum und Zufluchtsort für Al-Kaida-Kämpfer erweisen“ sollte - was aber letztlich nicht der Fall gewesen sei.

Schnüffeleien in der UNO

Die Schnüffelwut der USA bekam auch der damalige deutsche UNO-Botschafter Gunter Pleuger zu spüren. Man habe damals zwar geahnt, abgehört zu werden, aber das Ausmaß sei nicht bekannt gewesen, sagte er der „SZ“.

Man vermutete, dass die USA, Großbritannien, Kanada, Neuseeland und Australien sich das Bespitzeln der anderen Länder aufgeteilt hätten. Die USA wollten vor allem wissen, wie die Stimmung bei den elf Nationen war, die sich gegen den Militärschlag aussprachen - und ob Länder, vor allem eines der drei großen Frankreich, Deutschland und Russland, doch noch umgestimmt werden könnten.

Nervosität nach heimlichem Treffen

Deshalb wich man für vertrauliche Gespräche in einen abhörsicheren Raum in der deutschen Botschaft in New York aus. Und das hätten die USA nervös gemacht. „Nun, immer, wenn sich dort während der Irak-Debatten die elf Länder aus dem UN-Sicherheitsrat trafen, die unsere Position teilten, beschwerten sich die USA in Berlin über mich, ich würde amerikanische Interessen unterwandern“, so Pleuger zur „SZ“.

Und angesichts der Enthüllungen zu Schröder taucht auch die Frage auf, ob nicht auch der damalige französische Präsident Jacques Chirac abgehört wurde.

Krieg ohne UNO-Mandat

Anfang Februar 2003 legte dann US-Außenminister Colin Powell dem Sicherheitsrat angebliche Beweise vor, wonach der Irak Massenvernichtungswaffen besitze und Verbindungen zu Terrororganisationen habe.

US-Staatssekretär Collin Powell spricht 2003 über Anthrax-Anschläge

AP/Elise Amendola

Powell bei seinem Auftritt im Sicherheitsrat

Der Schachzug, den Powell Jahre später bedauerte, sollte die letzten Kritiker überzeugen. Doch diese blieben standhaft - aus gutem Grund, wie man heute weiß. Den USA gelang es nicht, die Resolution im Sicherheitsrat durchzuboxen. Dennoch: Am 20. März.2003 begann der Krieg ohne UNO-Mandat mit gezielten Luftangriffen auf Bagdad.

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