Von Brüssel über München nach Wien
Der Beinahe-Zusammenbruch der Kärntner Bank Hypo Alpe-Adria hat den Freistaat Bayern und die Republik Österreich Milliarden Euro gekostet. Die Bayerische Landesbank gab das marode Institut 2009, zweieinhalb Jahre nach dem Kauf, in einer Notaktion an die Alpenrepublik ab. Wer ist schuld an dem Desaster und wer muss zahlen?
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Der Streit beschäftigt Scharen von Juristen vor mehreren Gerichten. Die BayernLB verklagte in einem Rundumschlag ihre ehemaligen Spitzenmanager, einen früheren Hypo-Eigentümer und die Hypo selbst. Diese revanchierte sich bei den Bayern mit einer Gegenklage. Österreich zerrte in der Sache die EU-Kommission vor den Kadi. Die Staatsanwaltschaften in München und Klagenfurt machen den früheren Chefs der BayernLB und der Hypo den Prozess, die Wiener Strafverfolger ermitteln gegen den amtierenden BayernLB-Chef. Ein paar wesentliche Schauplätze:
Staatsanwaltschaft gegen Ex-BayernLB-Vorstände:
Wegen des Kaufs der Hypo müssen sich die früheren BayernLB-Chefs Werner Schmidt und Michael Kemmer sowie weitere fünf Ex-Vorstände in einem Strafprozess verantworten. Kemmer ist heute Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken (BdB). Die Vorwürfe lauten auf Untreue zulasten der BayernLB und Bestechung des früheren Kärntner Regierungschefs Jörg Haider, der sich für den Verkauf der landeseigenen Hypo-Anteile starkgemacht hatte. Der Prozess beginnt am 27. Jänner.
BayernLB gegen Ex-Vorstände:
Die BayernLB prozessiert gegen dieselben Ex-Vorstände, um 200 Millionen Euro Schadenersatz zu bekommen. Die sieben Manager und ein weiterer Vorstandskollege hätten beim Kauf der Hypo fahrlässig gehandelt. Drei von ihnen - darunter Kemmer - könnten aber nach Aussagen des Landgerichts München in dem laufenden Verfahren aus dem Schneider sein, weil sie die BayernLB bei ihrem Abschied pauschal von der Verantwortung für mögliche Schnitzer befreit habe.
BayernLB gegen Ex-Verwaltungsräte:
Auch von ihren früheren Chefaufsehern will die BayernLB Schadenersatz wegen angeblicher Fahrlässigkeit. Sie verklagte den Ex-Chef des bayerischen Sparkassenverbandes und ehemaligen BayernLB-Verwaltungsratschef Siegfried Naser und dessen damaligen Stellvertreter Kurt Faltlhauser, der als bayerischer Finanzminister in dem Gremium saß.
Die Hürden dürften höher sein als im Schadenersatzprozess gegen die Vorstände, weil die Verwaltungsräte nicht für das operative Geschäft zuständig waren. Die beiden Verfahren gegen Naser und Faltlhauser ruhen, da die Gerichte den Ausgang der übrigen Prozesse abwarten wollen.
BayernLB gegen Hypo-Verkäufer:
Einen vierten Schadenersatzprozess führt die BayernLB in Wien gegen einen der früheren Hypo-Eigentümer, dessen Anteile sie bei der Übernahme des Instituts 2007 erwarb. Der Vorwurf: Die Mitarbeiter-Privatstiftung (MAPS) der Hypo habe beim Verkauf ihrer Beteiligung die BayernLB übers Ohr gehauen. Angaben zur Bilanz und zum Kernkapital seien falsch gewesen.
Die MAPS war der kleinste von mehreren Verkäufern - die Schadenersatzforderung ist mit zehn Millionen Euro vergleichsweise gering. Doch wenn dieses Pilotverfahren im Sinne der BayernLB ausgeht, wird eine weitaus größere Schadenersatzklage gegen das Bundesland Kärnten als Hauptverkäufer erwartet.
Staatsanwaltschaft gegen amtierenden BayernLB-Chef:
Der im März scheidende BayernLB-Chef Gerd Häusler geriet wegen seiner Aussagen in dem sogenannten MAPS-Prozess in Wien ins Visier der Staatsanwaltschaft. Sie führt seit September ein Ermittlungsverfahren gegen ihn. Häusler weist den Verdacht der Falschaussage zurück.
Staatsanwaltschaft gegen frühere Hypo-Vorstände:
Ex-Hypo-Chef Wolfgang Kulterer und drei weitere ehemalige Hypo-Vorstände stehen in Klagenfurt wegen des Vorwurfs der Untreue vor Gericht. Ihnen wird zur Last gelegt, wichtige Details zur Kapitalausstattung der Bank verschwiegen zu haben. Die Hypo Alpe-Adria hatte vor dem Verkauf an die BayernLB Vorzugsaktien begeben, um ihre dünne Kapitaldecke aufzupolstern. Damit sich diese Vorzugsaktien leichter verkaufen, hatte die Kärntner Bank den Investoren Put-Optionen eingeräumt: Sie konnten die Papiere jederzeit wieder an die Bank zurückverkaufen.
Diese Nebenabsprache sei jedoch geheim gehalten worden, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Kulterer hat bereits ein entsprechendes Geständnis abgelegt, das auch für den MAPS-Prozess relevant sein dürfte, in dem ebenfalls die Angaben zum Kapital der Bank im Fokus stehen. Ein Urteil in dem seit November vergangenen Jahres laufenden Prozess dürfte Ende Februar fallen.
BayernLB und Hypo Alpe-Adria gegeneinander:
Die BayernLB und die Hypo streiten sich um mehr als vier Milliarden Euro, mit denen das deutsche Institut seine damalige Tochter gestützt hatte. Die Streitfrage: Muss die Hypo diesen Kredit normal zurückzahlen oder darf sie ihn wegen ihrer Krise vorläufig als Eigenkapitalzuschuss behalten? Kompliziert wird die Auseinandersetzung dadurch, dass die Hypo bereits einen Teil der Summe nach München zurücküberwiesen hat und dann ihre Meinung änderte.
Nun will sie nicht weiterzahlen und das überwiesene Geld wiederhaben. Die BayernLB klagt deshalb auf Zahlung des Restbetrags von 2,3 Milliarden Euro. Die Hypo fordert ihrerseits 2,3 Milliarden Euro zurück, die sie bereits nach München überwiesen habe. Das Landgericht München erklärte sich in dem Prozess nur für einen Teil der gegenseitigen Forderungen zuständig und nannte für andere Teile Wien als Gerichtsstand.
Republik Österreich gegen EU-Kommission:
Um einen Großteil der mehr als vier Milliarden Euro, um die BayernLB und Hypo kämpfen, geht es auch in einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Der Grund: Beim Ausstieg aus der Hypo 2009 ließ die BayernLB ein Darlehen von 2,6 Milliarden Euro in der Bank, um deren Fortbestand zu sichern - und erhielt dafür vom österreichischen Staat eine Garantie.
Die EU-Kommission segnete diese im Rahmen ihres Beihilfeverfahrens um die BayernLB ab. Mit diesem Prüfsiegel aus Brüssel fürchtet Österreich nun allerdings, für den Milliardenbetrag geradestehen zu müssen. Denn mittlerweile vertritt man in Wien ja die Ansicht, dass die Hypo das Geld nicht an die BayernLB zurückzahlen müsse. Deshalb verklagt Österreich die EU-Kommission, um diesen Abschnitt aus dem Beihilfebeschluss zu streichen.