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Janukowitschs Unterstützer grollen

90 Prozent der Wirtschaft in der Ukraine sind in der Hand von superreichen Oligarchen. Sie sind auch in der Politik wichtige Machtfaktoren. Nicht nur als großzügige Parteispender - ein Großteil der Parlamentsabgeordneten wird von Oligarchen kontrolliert, manche sitzen sogar selbst im Plenum. Ihre Rolle in dem Land ist größer als die der Oligarchen in Russland. Und sie beobachten die Proteste mit wachsendem Groll.

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Der umstrittene Präsident Viktor Janukowitsch konnte bisher auf den Rückhalt aus den Reihen der superreichen Unternehmer zählen. Das könnte sich aber schon bald ändern - es gibt Anzeichen dafür, dass sich die Oligarchen schrittweise von Janukowitsch abwenden.

Kleine Fastrevolution im Parlament

Darauf deutet etwa die Abstimmung über das Amnestiegesetz vergangene Woche im Parlament hin. Wie die „Zeit“ (Onlineausgabe) berichtete, musste Präsident Janukowitsch persönlich ins Parlament eilen, um die Abgeordneten seiner eigenen Partei auf Parteilinie zu bringen. Mehrere hatten offenbar mit dem Gesetzesentwurf der Opposition geliebäugelt, in dem etwa keine Räumung der Blockaden enthalten ist. Erst kurz nach 22.00 Uhr nickten die Abgeordneten den Entwurf ab.

Enormer Einfluss auf Abgeordnete

Zufall bzw. Einzelmeinungen von Abgeordneten sind das wohl nicht. Laut dem ukrainischen Investigativjournalisten Sergej Leschtschenko sind nur rund 50 der 445 Abgeordnete tatsächlich unabhängig. Viele kleinere Oligarchen sind laut dem Medienbericht Mitglied des ukrainischen Parlaments oder haben dort ihre „Stellvertreter“, die in ihrem Sinne abstimmen.

Der ukrainische Oligarch Rinat Achmetow

AP/Vadim Ghirda

Wendet sich Milliardär Achmetow von Janukowitsch ab, verliert dieser nicht nur politischen Rückhalt, sondern auch einen großzügigen Sponsor

Janukowitschs Abrücken vom Westen passt vielen von ihnen gar nicht in die Agenda. Sie fürchten bei anhaltenden Protesten um die wirtschaftliche Stabilität des Landes. Einige haben ihr Vermögen in westlichen Ländern geparkt und auch ihre Wirtschaftsinteressen dort verankert.

Milliardenschwere Unterstützer

Der reichste ukrainische Oligarch ist Rinat Achmetow. Er besitzt laut „Forbes“ ein Vermögen von 15,4 Mrd. Dollar und kontrolliert den größten Teil der Stahl- und Kohleindustrie in der Ostukraine. Außerdem ist er Besitzer des Champions-League-Clubs Schachtjor Donezk und einer der wichtigsten Sponsoren von Janukowitschs Partei der Regionen. Achmetow gilt als Triebfeder hinter Janukowitschs Aufstieg und soll das Stimmverhalten von über 40 Abgeordneten kontrollieren.

Über fast ebenso viele Freunde im Parlament soll auch der Oligarch Dimitri Firtasch verfügen. Firtasch ist unter anderem Besitzer des österreichischen Pipelinebauers Zangas. Über Firtasch wird spekuliert, dass er die Partei des Oppositionspolitikers und Ex-Boxweltmeisters Witali Klitschko, Udar (Schlag), unterstützt. Angeblich sollen es die Vertrauten dieser beiden Unternehmer gewesen sein, die gegen Janukowitschs Amnestiegesetz aufbegehrt hatten.

Achmetow warnt vor Wirtschaftskollaps

Spätestens die tödlichen Schüsse bei den Antiregierungsprotesten haben die Wirtschaftsbosse aufgeschreckt. Angeblich trafen sich mehrere Milliardäre Ende Jänner in einem Kiewer Luxushotel. Gerüchte von einem „Aufstand der Oligarchen“ machten die Runde. Achmetow rief in einer öffentlichen Stellungnahme zu einem Ende der Krise auf und warnte vor einem wirtschaftlichen Kollaps des ohnehin nahezu bankrotten Landes. Der Aufruf schien Wirkung auf Janukowitsch zu machen - kurz darauf äußerte er sich kompromissbereiter und brachte das Amnestiegesetz auf Schiene.

Zwei Oligarchen offen auf Oppositionsseite

Mit Pjotr Poroschenko und Viktor Pintschuk haben sich seit Beginn der Proteste bereits zwei Oligarchen offen zur Opposition bekannt. Aktiv an der Opposition beteiligt ist der Unternehmer und frühere Außenminister Poroschenko. Als Russland im Richtungsstreit mit der EU mit einem Boykott ukrainischer Waren Druck machte, traf das vor allem dessen Schokoladenkonzern Roshen. Nun finanziert der Süßwarenhersteller und Medienmagnat offen die Proteste auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew.

Ebenso Viktor Pintschuk, dem mehrere TV-Sender gehören. Der Kunstmäzen organisiert seit Jahren regelmäßig eine internationale Konferenz in Jalta am Schwarzen Meer, die sich mit den Europaperspektiven der Ukraine beschäftigt. Auch er gilt als Unterstützer von Klitschko.

Unterstützung „in privaten Unterhaltungen“

Andere Oligarchen sollen die monatelangen Demonstrationen zudem heimlich unterstützen. Einige von ihnen seien „heimlich“ auf dem Maidan gewesen, um dort direkt mit den Demonstranten zu diskutieren, heißt es etwa von Klitschko. „In privaten Unterhaltungen unterstützen sie meine wesentlichen Prinzipien“, sagte der Oppositionspolitiker. „Sie alle sehen, dass sich die Situation dramatisch ändern kann und sie alles verlieren können.“ Namen nannte Klitschko nicht.

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