Ausreise statt Hausarrest
Der vom ukrainischen Innenministerium angedrohte Hausarrest bleibt dem Oppositionellen Dimitri Bulatow erspart. Ein Gericht in der Hauptstadt Kiew erlaubte ihm die Ausreise, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der Nachrichtenagentur AFP sagte. Bulatow werde noch am Sonntag das Land verlassen, erklärte Oppositionspolitiker Witali Klitschko der Nachrichtenagentur Reuters.
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Bulatow werde nach Lettland reisen, wo er sich in der Hauptstadt Riga wegen seiner schweren Verletzungen behandeln lässt, erklärte Klitschko. Ein Mitarbeiter eines weiteren Oppositionspolitikers sagte, Bulatow sei bereits unterwegs. Am Wochenende hatte auch Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier Bulatow eine medizinische Versorgung in Deutschland angeboten.
Über eine Woche vermisst
Der Aktivist hatte mit seinen Berichten über Folter und Misshandlungen für internationales Entsetzen gesorgt. Er war mehr als eine Woche nachdem er als vermisst gemeldet worden war, am Donnerstag schwer verletzt in einem Dorf außerhalb Kiews aufgetaucht. Im ukrainischen Fernsehen schilderte er seine Entführung durch Unbekannte.
Seine Entführer hätten ihm ein Ohr abgeschnitten, sagte Bulatow, dessen Gesicht völlig zerschunden war. Nach eigenen Angaben wurde er mit verbundenen Augen grausam gefoltert. Dabei seien ihm auch Nägel durch die Hände geschlagen worden - mehr dazu in iptv.ORF.at.
Mehrere Entführungen
In den vergangenen Wochen wurden mehrere Oppositionelle in der Ukraine verschleppt und zusammengeschlagen. Die Leiche eines Aktivisten wurde mit Folterspuren in einem Wald gefunden. Laut einer ukrainischen NGO sind derzeit 33 Oppositionelle verschwunden. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International betonte, dass der Fall Bulatow nur einer von mehreren weiteren Fällen spurlosen Verschwindens von Aktivisten sei.
Internationales Entsetzen
International ist die Empörung über die Foltervorwürfe groß. Angesichts der steigenden Zahl von Berichten über verschwundene Oppositionelle und misshandelte Journalisten zeigten sich die USA „entsetzt“ über die Vorwürfe. „Ich bin entsetzt angesichts der offensichtlichen Anzeichen von ausgedehnter Folter“, sagte auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Freitag in Brüssel. Sie forderte ein Ende von „Einschüchterung und Straflosigkeit“ in der Ukraine und bezeichnete das Vorgehen gegen Bulatow als „inakzeptabel“. Der Sprecher der UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay verlangte in Genf eine Untersuchung der berichteten Fälle von Folter und Entführungen in der Ukraine.
Geheimdienst ermittelt
Die ukrainische Regierung verschärft offenbar ihren Kurs gegen die Regierungsgegner. Ein Beamter des Innenministeriums kritisierte, dass weder Bulatow noch seine Freunde und Verwandte mit den Sicherheitskräften zusammenarbeiten würden. Möglich sei demnach auch, dass Provokateure Bulatow misshandelt hätten. Die Behörden behaupteten, die Opposition habe Polizeigewalt gegen Demonstranten provozieren wollen, um die Autorität des Präsidenten zu untergraben. Die Vaterlandspartei (Batkiwschtschina) von Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko sprach von einer Provokation.
Inzwischen wurde auch bekannt, dass wegen eines angeblich versuchten Staatsstreichs nun auch der Geheimdienst SBU gegen Timoschenkos Partei ermittelt. Bei einer Razzia in den Parteiräumen seien entsprechende Beweise gefunden worden, hieß es vonseiten des SBU. In den Dokumenten sei klar ersichtlich, dass die seit Wochen andauernden Proteste gegen die Regierung im Voraus geplant gewesen seien.
Gewalt gegen Polizei
Vorwürfe gab es vonseiten der ukrainischen Polizei auch gegen Demonstranten. Sie sollen einen Polizisten misshandelt haben, hieß es am Samstag. Der Mann in Zivilkleidung sei am Freitag in Kiew verschleppt und „gefoltert“ worden, teilte das Innenministerium mit. Er befinde sich inzwischen mit Kopfverletzungen und einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus.
Zudem gründete die Partei der Regionen von Präsident Janukowitsch eine Ukrainische Front. Ziel sei, die Ukraine von Besetzern zu befreien. „Das gilt damals wie heute“, sagte der Gouverneur des ostukrainischen Gebiets Charkow, Michail Dobkin. Falls friedliche Mittel ausgeschöpft seien, könne die „Säuberung“ der Heimat auch „anders“ geschehen.
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