„Sowjetischer Rhythmus“
Seit der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima vor drei Jahren haben sich die Aufträge für neue Atomreaktoren in Russland verdoppelt. Derzeit würden neun Meiler in Russland und 20 weitere im Ausland gebaut, sagte der Leiter der Atomenergieagentur Rosatom, Sergej Kirjenko, kürzlich. Über Verträge für den Bau von 40 weiteren Reaktoren im Ausland werde derzeit verhandelt.
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Während die Atomkraft in Deutschland und anderen Ländern auf dem Rückzug ist, hat die Kernenergie in Russland Hochkonjunktur. Die Konstruktion neuer Kraftwerke laufe mit einem „sowjetischen Rhythmus“, sagte Kirjenko. Drei Anlagen auf russischem Boden sollten noch in diesem Jahr ans Netz gehen. Derzeit produzieren in Russland 33 Reaktoren in zehn Kraftwerken Atomstrom. Sie liefern einen Anteil von 16 Prozent des gesamten Stroms. Ein großer Teil der Anlagen stammt aus den 1970er und frühen 1980er Jahren - also aus der Zeit vor der Atomkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986.
Russen bauen auch in Ungarn
Doch Russland ist auch außerhalb des Landes aktiv, denn Ungarn will seine Atomstromerzeugung mehr als verdoppeln und hat zu diesem Zweck einen milliardenschweren Auftrag nach Russland vergeben. Regierungschef Viktor Orban und der russische Präsident Wladimir Putin unterzeichneten zuletzt einen bilateralen Vertrag, dessen Gesamtinvestitionen sich laut der Zeitung „Nepszabadsag“ auf das teuerste Projekt seit Ungarns EU-Beitritt im Jahr 2004 summieren.
Der Geschäftswert des Abkommens über den Bau zwei neuer Reaktoren für Ungarns einziges Atomkraftwerk in Paks beläuft sich auf umgerechnet zehn Milliarden Euro. Das Geld für die beiden neuen Meiler stellt Russland als Kredit zur Verfügung, wie der nationale Atomenergiekonzern Rosatom nach Angaben der Nachrichtenagentur RIA Nowosti erklärte. In Brüssel und mehreren osteuropäischen Staaten dürfte das Vorhaben auf Argwohn stoßen: Dort herrscht wachsende Sorge vor einer politisch instrumentalisierbaren Energieabhängigkeit der EU von Moskau.
Illegaler Baubeginn des ersten türkischen AKW
Atomkraftgegner in der Türkei werfen unterdessen den Behörden vor, ohne die notwendige Prüfung der Umweltverträglichkeit mit dem Bau des ersten Atomkraftwerks des Landes begonnen zu haben. In der Bucht von Akkuyu an der südtürkischen Mittelmeer-Küste hätten Planierarbeiten begonnen, meldeten türkische Zeitungen am Freitag. Zudem gebe es Sprengarbeiten in der Bucht. Umweltschützer hätten deshalb Strafanzeige erstattet. Ein türkisch-russisches Konsortium will in Akkuyu ein Atomkraftwerk mit einer Leistung von 4.800 Megawatt errichten.
Das Kraftwerk soll bis zum hundertjährigen Jubiläum der türkischen Republik im Jahr 2023 voll betriebsfähig sein. Atomkraftgegner protestieren nicht zuletzt wegen der Erdbebengefahr in dem Gebiet gegen das Projekt. Auch in Sinop an der Schwarzmeerküste will die türkische Regierung in den kommenden Jahren ein Atomkraftwerk errichten lassen. Ankara argumentiert, die Atomkraft werde die Abhängigkeit der Türkei von Öl- und Gasimporten reduzieren.
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