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„Neues Kapitel unserer Geschichte“

Lange wurde darüber spekuliert, am Mittwoch ist die Bestätigung gefolgt: Der traditionsreiche italienische Autokonzern Fiat kehrt Italien den Rücken und verlegt seinen rechtlichen Firmensitz in die Niederlande. Wie in Turin weiter bekanntgegeben wurde, wird der neue Konzern künftig unter dem Namen Fiat Chrysler Automobiles (FCA) firmieren.

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„Mit der Schaffung von Fiat Chrysler Automobiles beginnt ein neues Kapitel unserer Geschichte“, sagte John Elkann, Präsident des Fiat-Verwaltungsrates und Enkel des legendären Firmenpatriarchen Gianni Agnelli. „Heute ist einer der wichtigsten Tage in meiner Karriere bei Fiat und Chrysler“, fügte Vorstandschef Sergio Marchionne an.

Logo von Fiat Chrysler Automobiles

Fiat

Im Rahmen der Neuorganisation bekommt Fiat Chrysler auch ein neues Logo

Mit der Verlegung folgt Fiat einem ähnlichen Schritt wie der Schwesterkonzern CNH Industrial, den es nach seiner Umstrukturierung ebenfalls ins Ausland zog. Die Wahl Amsterdams zum neuen Firmensitz ist laut Medienberichten im niederländischen Unternehmensgesetz begründet. Konkret will die Familie Agnelli auch bei FCA weiter den Ton angeben. Das ist laut „La Repubblica“ in den Niederlanden auch mit einer Beteiligung von weniger als 30 Prozent möglich. Ob die Geschäfte ungeachtet der neuen Firmenkonstruktion weiter von Turin aus gesteuert werden, ist derzeit laut der Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“ noch offen.

„Nationales Erbe“

Wie die Fiat-Führungsetage weiter mitteilte, ist aus steuerlichen Gründen ein weiterer Firmensitz in London geplant. Bestätigt wurde zudem, dass der neue Konzern künftig auch in New York notieren werde. Mit der Konzentration auf den Börsenhandel an der Wall Street, der bis Oktober geplant ist, wird Mailand der Gruppe künftig nur noch als Sekundärmarkt dienen. Fiat-Aktionäre sollen den Angaben zufolge pro Fiat-Aktie eine Aktie von FCA erhalten.

Da Marchionne bereits im Vorfeld von einem bevorstehenden Wechsel an die Wall Street gesprochen hatte, wurde lange auch über eine Verlegung des Firmensitzes in die USA spekuliert. Was folgte, war ein Sturm der Entrüstung, im Zuge dessen Wirtschaftsminister Flavio Zanonato versprach, Fiat „bleibt in Italien“, und er werde das „nationale Erbe“ verteidigen.

Fiat versicherte zwar, dass die neue Konzernstruktur keine Auswirkungen auf italienische Arbeitsplätze haben werde - Gewerkschaften und mehrere Politiker in Italien befürchten dennoch, dass nach dem Firmensitz schon bald auch die Produktion ins Ausland wandern könnte. Premier Enrico sagte nach Bekanntgabe der Fiat-Pläne, dass der Standort des Firmensitzes nicht so wichtig sei - sehr wohl aber die Arbeitsplätze.

2009 startete Chrysler-Abenteuer

Die Italiener waren 2009 bei Chrysler eingestiegen, als der US-Hersteller in der Wirtschaftskrise in die Insolvenz schlitterte und vom US-Steuerzahler gerettet werden musste. Fiat bot technisches Know-how an und erhielt im Gegenzug nach und nach immer mehr Anteile. Fiat verkündete erst zu Jahresbeginn die volle Kontrolle über die US-Tochter. Konkret sicherten sich die Italiener mit 4,35 Milliarden Dollar (3,16 Mrd. Euro) den noch fehlenden Minderheitsanteil an Chrysler, den bisher der Gesundheitsfonds der nordamerikanischen Autogewerkschaft UAW gehalten hatte.

1998 bis 2007 DaimlerChrysler

Chrysler gehörte schon einmal zu einem europäischen Autohersteller: Von 1998 bis 2007 war das Unternehmen mit Daimler fusioniert, der Autokonzern nannte sich während dieser Zeit DaimlerChrysler.

Mit der Chrysler-Komplettübernahme mischt Fiat nun bei den größten Playern weltweit mit. 2012 produzierten die beiden Hersteller zusammen knapp 4,5 Millionen Fahrzeuge, davon knapp 2,2 Millionen Autos. Damit verdrängte Fiat Chrysler den japanischen Honda-Konzern von Platz sieben.

Chrysler sorgt für schwarze Zahlen

Die Partnerschaft erwies sich trotz aller Unkenrufe als Erfolg. Die jüngsten Zahlen gemahnen allerdings zu Vorsicht: Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Sondereffekten stieg zwar im Schlussquartal auf 931 Millionen Euro von 887 Millionen ein Jahr zuvor, wie die Italiener am Mittwoch mitteilten. Doch damit bleibt Fiat hinter den Analystenerwartungen von 1,15 Milliarden Euro zurück.

Im Gesamtjahr 2014 rechnet der Konzern auch nach der Komplettübernahme von Chrysler nur noch mit 3,6 bis 4,0 Milliarden Euro statt bisher mit 4,7 bis 5,2 Milliarden. Auch in diesem Zeitraum hatten sich die Experten mehr versprochen. Fiat zahlt für das Jahr 2013 zudem keine Dividende. So solle auch nach dem milliardenschweren Kauf des Autoherstellers aus Detroit die Liquidität von Fiat gesichert werden, hieß es zur Begründung.

Unter dem Druck eigener Verluste setzt Fiat dennoch große Hoffnungen in das profitable US-Unternehmen: Chrysler schreibt seit mehr als zwei Jahren Gewinne, was Fiat half, die Einbrüche auf dem europäischen Automarkt zu überstehen. Ohne Chrysler hätte Fiat einen Verlust von mehr als 400 Mio. Euro eingefahren.

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