Wirbel um Website des grünen Nachwuchs
Bei den Grünen hat der Akademikerball der FPÖ in der Wiener Hofburg für kräftige Nachwehen gesorgt. Grünen-Chefin Eva Glawischnig hat den Jungen Grünen mit dem Rauswurf gedroht, nachdem auf deren Website „Unseren Hass könnt Ihr haben“ zu lesen war, und eine Garantieerklärung gefordert, dass das nicht mehr vorkommt. Die Jugendorganisation der Partei lenkte schließlich ein, jedoch nicht ohne zuvor Glawischnig „schlechten politischen Stil“ zu attestieren.
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Zunächst hatte der Bundessprecher der Jungen Grünen, Cengiz Kulac, die von Glawischnig geforderte Garantieerklärung noch abgelehnt und gemeint: „Drohen, bevor man das Gespräch sucht, ist nicht der politische Stil, der uns Grünen ansteht.“ Im „Standard“ meinte er zudem: „Heute ist Holocaust-Gedenktag. An diesem Tag sollte man eigentlich etwas anderes tun, als Antifaschismus zu kriminalisieren.“
Am Montagnachmittag erzielten Glawischnig und Kulac dann doch noch Einvernehmen. „Gespräch gerade mit E. Glawischnig war gut. Klar ist: In Zukunft sind Inhalte von HPs (Homepages, Anm.) bei uns oder werden unseren Bedingungen unterstellt“, twitterte er. Die Drohung, der Organisation den Status als grüne Jugendorganisation zu entziehen, sei damit „momentan hinfällig“, erklärte ein Sprecher der Parteichefin auf APA-Anfrage.
Weiter Widersprüchlichkeiten?
Montagabend betonte Glawischnig in der ZIB2, es gebe „überhaupt keine Differenz mehr“ mit den Jungen Grünen. Man sei sich jetzt „vollkommen einig, dass es nicht mehr sein kann, dass wir die Inhalte (Grüner Websites, Anm.) nicht kontrollieren“. Eine Kooperation mit gewaltbereiten Gruppen schloss die Grünen-Chefin aus - und zu diesen zähle für sie auch der „Schwarze Block“. Bei der Bundessprecherin der Jungen Grünen, Diana Witzani, hörte sich das ebenfalls gegenüber dem ORF-Fernsehen jedoch etwas anders an: Sie schloss eine weitere Zusammenarbeit mit dem „Schwarzen Block“ nicht kategorisch aus, da dieser für sie nicht per se gewaltbereit sei - mehr dazu in tvthek.ORF.at.
Grüner Bundesrat kritisiert „Doppelmoral“
Bundesrat Efgani Dönmez beklagte unterdessen die „Doppelmoral“ der Grünen, worauf Glawischnig jedoch nicht eingehen wollte. Dönmez bekundete in seinem Blog, dass ihm die „Doppelmoral“ aus den eigenen Reihen „bitter aufstößt“. Diese ortet er - versichernd, dass er für keine Seite Sympathie hege - darin, dass „national-islamistische Strömungen, welche auf Wiens Straßen ‚Wir sind Soldaten Erdogans‘ skandieren“, aus grüner Sicht „unter Meinungsfreiheit und Menschenrechte“ fallen. „Aber wenn Ballbesucher mit einem deutschnationalen Weltbild und sonstigem rechten Gedankengut diesen besuchen, dann wird dagegen massiv gewettert und versucht dies mit (fast) allen Mitteln zu bekämpfen.“
Garantieerklärung gefordert
Glawischnig hatte am Montag die Gewalt bei den Kundgebungen gegen den von der FPÖ veranstalteten Ball als „absolut daneben“ bezeichnet und betont, diese schade den berechtigten Anliegen der friedlichen Demonstranten. Von den Jungen Grünen hatte sie eine Garantieerklärung verlangt, dass künftig niemand mehr auf einer deren Website etwas posten kann, ohne dass die Kontrolle darüber behalten wird. Andernfalls würden sie nicht mehr als grüne Jugendorganisation benannt.
Die Jungen Grünen hatten ihre Seite Nowkr.at als Plattform für „unabhängige Antifaschist*innen“ zur Verfügung gestellt und betont, keinen redaktionellen Einfluss darauf zu haben. Auf der Startseite war bis vor kurzem der Slogan „Unseren Hass, den könnt Ihr haben“ zu lesen, den auch die gewalttätigen Demonstranten auf Transparenten mit sich geführt hatten.
FPÖ überlegt Anzeige wegen Verhetzung
Die von FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky geäußerte Klagsdrohung bezeichnete Glawischnig als lächerlich, genauso könnten die Grünen die FPÖ klagen. Vilimksy hatte eine Anzeige gegen die Jungen Grünen wegen des Verdachts der Verhetzung angekündigt.
Auch werde eine Anzeige gegen die grüne Bundespartei geprüft, da diese möglicherweise auch Verantwortung tragen könnte, sagte der FPÖ-Generalsekretär am Montag. Den Tatbestand der Verhetzung sieht er u. a. dadurch erfüllt, dass es über Nowkr.at einen „Aufruf dazu, die öffentliche Ordnung zu gefährden“ gegeben habe. Außerdem prüfen die Freiheitlichen eine Musterklage auf Schadenersatz.
ÖVP: „Das ist ein wirklicher Skandal“
ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel fand es bemerkenswert, dass gerade die Grünen, die immer und überall sofort „Skandal“ schreien würden, diese Seite betrieben. „Verletzte Menschen, zertrümmerte Scheiben, zerstörtes Eigentum - das ist das Ergebnis. Das ist ein wirklicher Skandal, eine Schande für die Grünen - und nicht zu akzeptieren“, so Blümel am Sonntag in einer Aussendung. Er forderte klare Worte von der „grünen Bundesführung“.
Rücktrittsforderungen an Polizeichef Pürstl
Unterdessen wurden scharfe Kritik und mehrere Rücktrittsaufforderungen in Richtung des Wiener Polizeipräsidenten Gerhard Pürstl laut. Stein des Anstoßes war dessen Aussage, dass die Polizei anhand von Daten der Rettung Nachforschungen zu medizinisch versorgten Teilnehmern der Anti-Akademikerball-Demonstrationen anstellen werde.
So forderte etwa der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz die Absetzung Pürstls. „Er muss gehen, und zwar wegen erwiesener Unfähigkeit“, sagte Pilz. Als einen „Skandal“ bezeichnete die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Wien (SJ), Marina Hanke, die „offene Drohung“ Pürstls, verletzte Demonstranten, „die auch Opfer der massiven Polizeigewalt wurden, mit Hilfe von Daten des Rettungseinsatzes zu verfolgen“. Solche Aussagen hätten in einem demokratischen Rechtsstaat „nichts verloren“.
Glawischnig: Pürstls Rolle „sehr merkwürdig“
Auch Glawischnig übte heftige Kritik an Pürstl: Es gebe einige offen Fragen, wenn diese nicht geklärt werden können, sei Pürstl „rücktrittsreif“. Der Polizeipräsident habe eine „sehr merkwürdige Rolle“ gespielt, meinte Glawischnig. So stelle sich die Frage, warum bei dem Polizeieinsatz am Freitag nicht die frühere Strategie gewählt wurde, sondern „eskaliert statt deeskaliert“ worden sei. Auch warum das umfassende Vermummungsverbot erlassen und Journalisten der Zutritt verboten worden sei, will Glawischnig geklärt haben. Sie kündigte ein „parlamentarisches Nachspiel“ an.
Eine Rücktrittsaufforderung kam auch vom Verband Sozialistischer Studenten (VSStÖ): „Wer versucht, durch massive Polizeigewalt verletzte Personen, die sich von der Wiener Rettung verarzten lassen, zu kriminalisieren, und droht, deren Daten von der Rettung zu benutzen, um sie auszuforschen, ist als Polizeipräsident untragbar“, so VSStÖ-Vorsitzende Jessica Müller.
Wiener ÖVP stellt sich hinter Pürstl
Die Wiener ÖVP hingegen stellt sich hinter Pürstl. Die Rücktrittsaufforderungen an Pürstl „seitens der Grünen, aber auch Teilen der SPÖ“ seien „für uns nicht nachvollziehbar“, betonte Landesparteichef Manfred Juraczka in einer Aussendung am Montag. Er bedankte sich „ausdrücklich bei Gerhard Pürstl und der gesamten Wiener Polizei, die durch ihr entschlossenes Vorgehen noch größere Schäden verhindert haben“. „Insbesondere“ den Grünen warf er vor, sie wollten durch die „Angriffe“ auf Pürstl offensichtlich „von den eigenen Verfehlungen“ ablenken.
Datenabgleich nicht automatisch
Es gebe keinen automatischen Datenabgleich zwischen der Wiener Berufsrettung und anderen Behörden, bekräftigte der stellvertretende Chefarzt der Wiener Berufsrettung, Franz Mikulcik. „Die anfordernde Behörde muss eine entsprechende Rechtsgrundlage liefern. Die wird von uns geprüft.“ Eine entsprechende Anfrage der Wiener Polizei gebe es derzeit nicht, so Mikulcik.
Pürstl selbst sagte am Montag gegenüber „Wien Heute“, dass er seine Aussage „ungenau formuliert“ habe. In der Sache sei sie aber gesetzlich gedeckt und Polizeialltag. Es gehe nicht um eine Liste aller verarzteten Demonstranten, sondern um konkrete Fälle nach Straftaten - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Die Staatsanwaltschaft Wien betonte, man könne die Datenbeischaffung anordnen. Dazu müsse aber ein konkreter Verdacht vorliegen. Das bestätigte der Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk. Möglich ist laut Funk eine Anforderung von Personendaten bei Rettungsorganisationen und Krankenhäusern nur für die Staatsanwaltschaft. Die Polizei dürfe Sanitäter und Ärzte laut Sicherheitspolizeigesetz lediglich befragen. „Aber dieser Befragungsmöglichkeit steht keine Verpflichtung gegenüber, hier Auskunft zu geben“, so Funk. „Was Behörden nicht dürfen, ist die Herausgabe irgendwelcher Unterlagen zu verlangen.“
Vizerektor „irrtümlich“ im Ehrenkomitee
Für Aufregung sorgte außerdem, dass der Vizerektor der Universität Wien, Heinz Faßmann, Mitglied im Ehrenkomitee des Akademikerballs war. Laut einer schriftlichen Stellungnahme der Universität habe er offenbar „irrtümlicherweise“ die Zusage erteilt, da als Veranstalter des Balles ein „Verein für Wissenschaft, Forschung, Kultur und Menschenrechte“ angegeben war.
ÖH und Akademie kritisieren Polizeieinsatz
Die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) und die Rektorin der Akademie der bildenden Künste, Eva Blimlinger, kritisierten unterdessen eine Polizeiaktion am Freitagabend vor der Kunstuni. Dabei seien Besucher des Tages der offenen Tür an der Akademie „wahllos verhaftet und teilweise verletzt“ worden, hieß es in einer Aussendung der ÖH. Alle anwesenden Gäste seien „gezwungen“ gewesen, ihre Personalien anzugeben.
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