Wortmeldungen werden immer kürzer
Um überlange Sitzungen zu verhindern, werden die Redezeiten im Nationalrat neu geordnet. Vereinfacht gesagt können die Redezeiten auf die Hälfte jener Länge herabgesetzt werden, die bis jetzt galt: Die Tagesblockredezeit kann auf 30 Minuten statt bisher mindestens 60 zusammengestrichen werden, die Redezeit von einzelnen Abgeordneten auf fünf statt bisher mindestens zehn Minuten.
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Noch weniger Gehör sollen fraktionslose Abgeordnete finden: In einzelnen Debatten kann die Redezeit für sie jederzeit auf fünf Minuten reduziert werden. Sie werden sich außerdem künftig höchstens im Ausmaß der Hälfte der Gesamtredezeit des kleinsten Klubs zu Wort melden können. Die „Wiener Stunde“ wird künftig aus 61 Minuten bestehen und nach folgendem Schlüssel verteilt: je 13,5 Minuten SPÖ und ÖVP, 12,5 Minuten FPÖ, 10,5 Minuten Grüne sowie je 5,5 Minuten Team Stronach (TS) und NEOS.
Für Prammer „drängendes Problem“
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) hatte die Reform der Redezeiten seit Oktober - nachdem klar war, dass mit der Wahl sechs Fraktionen im Nationalrat sein würden - als „drängendes Geschäftsordnungsproblem“ vorangetrieben. In einer Aussendung betonte sie, „dass etwa bei einer Blockredezeit von sechs Wiener Stunden und der Ausnützung aller Geschäftsordnungsinstrumente eine Plenarsitzung trotzdem bis 23.00 Uhr dauern kann“.
Die Reform passierte den zuständigen Ausschuss und die ersten zwei Lesungen im Parlament mit den Stimmen aller Parteien. Die Fraktionen argumentierten dabei mit der besseren Planbarkeit der Sitzungen. Der SPÖ-Abgeordnete Erwin Spindelberger nannte als Ziel kürzere Sitzungen und die Möglichkeit zur Debatte umfangreicherer Tagesordnungspunkte an mehreren Sitzungstagen. Er wandte sich in diesem Zusammenhang gegen „sinnlosen Aktionismus“, der zu unnötigen Verlängerungen von Sitzungen führe.
Redefreiheit 1993 erstmals eingeschränkt
Ob sich die Hoffnung der Grünen erfüllt, dass es durch die Regelung künftig „kürzere, dafür aber mehr“ Nationalratssitzungen gebe, bleibt offen, ebenso wie die Vorfreude beim TS, dass durch die erzwungene Kürze die Qualität der Debattenbeiträge steigen werde. Demgemäß hätte die Qualität der Reden im Nationalrat in den letzten Jahren ständig steigen müssen, denn noch 1993 gab es überhaupt keine Redezeitbeschränkungen - was vor allem die Grünen für sich nutzten.
„Es war gerade so spannend!“
Die absolute Redefreiheit im Parlament endete 1993 nach einer zweitägigen Sitzung, bei der einander die Grünen im Filibustern überboten, was in einer Rede von Madeleine Petrovic gipfelte (von 17.29 Uhr bis 4.04 Uhr). Die Parteien würdigten damals zwar sportlich das Engagement der Grünen - belegt etwa durch ÖVP- und SPÖ-Zwischenrufe wie „Es war gerade so spannend!“ und „Zugabe!“ zum Ende der Reden. Dennoch wurde danach erstmals eine Redezeitbeschränkung eingeführt, die damals noch bei 40 Minuten lag.
1996 wurde die Redezeit gleich noch einmal halbiert, lag damit bei maximal 20 Minuten und sank seither kontinuierlich weiter. Möglichkeiten, das Parlament zu „kapern“ („Filibuster“ leitet sich aus dem niederländischen Wort für „Freibeuter“ ab), gibt es immer noch genug, wie etwa die ÖVP-Abgeordneten bei ihren gesammelten Protestreden gegen die Änderung der Bundeshymne („Heimat, bist du großer Töchter und Söhne“) bewiesen. In Ausschüssen gibt es zudem weiterhin keine Redezeitbeschränkungen.
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