Inflation bei 28 Prozent
In einigen Geschäften in Argentiniens Hauptstadt haben die Händler schon die Preisschilder für die Waren abmontiert. Die Inflation schlägt zu. „Alle erhöhen hier die Preise, einige wollen Montag und Dienstag erst gar nicht aufmachen“, sagte ein Geschäftsmann in Once, einem Stadtviertel von Buenos Aires.
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In anderen Stadtteilen geht es ähnlich zu. Die Begründung ist immer die gleiche: Angesichts der hohen Inflation und des Peso-Absturzes weiß niemand mehr, wo die Reise hingeht. Die Preise sind schwer zu kalkulieren. Die Regierung stemmt sich zwar gegen den Negativtrend und gibt ab Montag den Dollar wieder als Spargut frei. Doch damit ist die Inflation nicht zu bändigen.
Argentinien ist hoch verschuldet, von internationalen Kreditmärkten faktisch ausgeschlossen und sieht sich mit einer Teuerungsrate konfrontiert, die 2013 nach Schätzungen privater Experten bei 28,3 Prozent lag. Offizielle Statistiken beziffern die Inflation in der drittgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas 2013 dagegen auf 10,9 Prozent, was Marktkenner aber als Wunschdenken deklarieren.
Größter Verlust seit Staatspleite
Der Peso musste am Donnerstag vorübergehend den größten Tagesverlust seit der Staatspleite Ende 2001 verkraften. Zwölf Prozent ging es gegenüber dem US-Dollar bergab. Der Dollar stand bei acht Pesos und die gebeutelte argentinische Währung konnte bis Freitag nur relativ wenig Boden wiedergutmachen. Auch der ohnedies erheblich höhere Dollar-Schwarzmarktkurs legte kräftig zu auf zeitweise 13,2 Pesos.
Nach der angekündigten Wiederfreigabe der seit Oktober 2011 gesperrten Dollar-Käufe beruhigte sich die Front am Freitag ein wenig und der Kurs gab auf 11,9 Pesos nach. Dafür hatte am Donnerstag aber auch der Verkauf von 180 Millionen US-Dollar durch Argentiniens Zentralbank gesorgt. So schmelzen Argentiniens Devisenreserven dahin. Derzeit sind es nur noch 29,3 Milliarden Dollar.
Regierung sieht Spekulanten am Werk
Wirtschaftsminister Axel Kicillof führte den Peso-Absturz, der an den Weltfinanzmärkten spürbares Unbehagen auslöste, auch auf eine „sehr starke Spekulationsattacke“ gegen die argentinische Regierung zurück. Da seien Kräfte am Werk, die den Schwarzmarktkurs des Dollar gerne bei 13 Pesos sähen, sagte er dem Radiosender Continental. Allerdings dementierte er, dass die Peso-Abwertung höhere Preise zur Folge habe. Das sei eine Lüge. „Das werden wir nicht erlauben.“
Trotz aller Versicherungen lassen die Turbulenzen unweigerlich Erinnerungen hochkommen an die existenzielle Krise Argentiniens vor der Staatspleite vor über einem Jahrzehnt. Brasilien, dessen Real-Währung ebenfalls heftig unter Druck steht, sorgt sich bereits um seinen Absatzmarkt in Argentinien. Vorige Woche war Kicillof beim Pariser Club, um die Gespräche über die immer noch ausstehenden Milliardenschulden Argentiniens neu zu beleben. Ohne eine Regelung bleibt Argentinien und Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner der Weg zu den Kreditmärkten weiter verschlossen.
Bauern horten Sojabohnen
Konkret lockert die Regierung die seit Jahren geltenden strengen Devisenkontrollen. Künftig gelten niedrigere Steuersätze für Dollar-Käufe. Zugleich sollen Sparer Guthaben in der US-Währung halten dürfen. Das Land hatte mit den Devisenkontrolle die - angesichts galoppierender Inflation - große Kapitalflucht aus der drittgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas gebremst.
Nun steuert die Regierung wegen der Folgen der Schwindsucht der Landeswährung Peso um: In der Kornkammer Südamerikas horten viele Bauern ihre Weizen- und Sojabohnenernte, weil sie das Vertrauen in den Peso verloren haben. Sie fürchten, dass die hohe Inflation ihre Gewinne auffrisst. In der Folge verringerten sich auch die in Dollar abgerechneten Ausfuhrerlöse des Landes - dem weltweit führenden Exporteur von Sojaöl.
„Völlig den Kurs verloren“
Für die Opposition ist längst klar, dass die Regierung in diesem schwierigen Fahrwasser „völlig den Kurs verloren hat“, wie es Kirchners Ex-Wirtschaftsminister, der heutige Oppositionelle Martin Lousteau, formulierte. Die nun eingeleiteten Maßnahmen könnten den Dollar-Anstieg befeuern oder zu weiterem Devisenverlust führen. „Die Regierung sagt heute das und morgen etwas anderes. Sie sagt, dass sie nicht abwerten will und endet dann doch mit Abwertung“, kritisierte Lousteau. Dem hält die Regierung entgegen, der Peso-Verlust sei nicht durch den Staat, sondern den Markt erfolgt.
Zum Einlenken gezwungen
Die argentinische Regierung kämpft seit Monaten bei der Weltbank um die Freigabe neuer Kredite im Volumen von drei Mrd. Dollar. Das Problem: Die Regierung schuldet mehreren internationalen Konzernen Geld in Milliardenhöhe, die deshalb vor die UNO-Kommission für internationales Handelsrecht zogen. In der Causa wurde im Herbst eine Einigung erzielt.
Das südamerikanische Land einigte sich unter anderem mit dem französischen Medien- und Telekom-Konzern Vivendi und einer Tochter der Bank of America auf die Zahlung von rund einer halben Mrd. Dollar (365,39 Mio. Euro) in Form von Staatsanleihen. Die Firmen verzichteten dafür auf 25 Prozent ihrer Forderungen.
Vor der UNO-Kommission klagte aber auch der spanische Ölkonzern Repsol gegen die Verstaatlichung seiner argentinischen Tochter YPF im vergangenen Jahr. Dieser Streitfall ist noch offen. Weiterhin nicht gelöst ist der Rechtsstreit Argentiniens mit mehreren US-Hedgefonds. Die Finanzinvestoren haben sich nicht an den beiden Schuldenschnitten 2005 und 2010 beteiligt und verlangen eine vollständige Auszahlung der von ihnen aufgekauften argentinischen Staatspapiere. Dabei geht es um 1,33 Mrd. Dollar. Der Oberste Gerichtshof in den USA hatte in der Causa im Herbst zugunsten der Hedgefonds entschieden. Argentinien will das aber weiter anfechten.
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