Proteste der unterschiedlichsten Lager
Bei den Protesten gegen die prorussische Führung in der Ukraine sind Regierungsgegner ganz unterschiedlicher Strömungen auf der Straße - sowie einfache unzufriedene Bürger, die unorganisiert sind. Die Opposition ist gespalten. Abgesehen von dem gemeinsamen Ziel eines Machtwechsels gibt es kaum Aussicht auf ein geeintes Vorgehen und Programm.
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Die Opposition ist im Parlament mit drei Fraktionen und einigen fraktionslosen Abgeordneten vertreten. Julia Timoschenkos Vaterlandspartei Batkiwschtschyna, Witali Klitschkos Udar („Schlag“) und die rechtspopulistische Swoboda („Freiheit“) haben 168 von 450 Abgeordneten. Diese Parteiorganisationen stellen den Großteil der Infrastruktur auf dem besetzten Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in Kiew sicher.
Klitschko zunächst gegen Gewalt
Klitschko räumte zuletzt ein, dass die Opposition „die Bewegung nicht mehr unter Kontrolle“ habe und verurteilte die Gewalt, für die er die Regierung verantwortlich macht. Der Führung um Präsident Viktor Janukowitsch warf er vor, sie wolle die Situation destabilisieren und Chaos schaffen.
„Schläger wurden in die Hauptstadt gebracht, um Autos anzuzünden, Schaufenster einzuschlagen, zu stehlen und Schlägereien zu provozieren“, behauptete der Ex-Boxweltmeister. Angesicht der Toten drohte auch er mit einer „Offensive“ der Demonstranten.
Timoschenko immer radikaler
Timoschenko rief nach den tödlichen Schüssen die Ukrainer zum Aufstand auf. Sie hatte auch gewaltsame Proteste unterstützt: „Wenn ich in Freiheit wäre, dann wäre ich bei Euch. Die Freiheit ist diesen Kampf wert“, hieß es in einem am Montag veröffentlichten Aufruf der Ex-Regierungschefin. „Außer Euch hat die Ukraine keine Verteidiger. Kämpft! Ihr seid Helden, die für die Ukraine geradestehen.“
Der Fraktionschef ihrer zunehmend nationalistischer werdenden Vaterlandspartei, Arseni Jazenjuk, der nur als „Platzhalter“ für die inhaftierte Timoschenko gesehen wird, schlug ein bisschen sanftere Töne an und setzt auf eine Allianz mit Klitschko. Mit seinen mitreißenden Reden bei den Straßenprotesten hat es der Jurist aber geschafft, das Image des blassen Technokraten loszuwerden.
Swoboda als „Sondereinheit fürs Grobe“
Der 45-jährige Chirurg Oleg Tjagnibok führt die oft als rechtsextremistisch bezeichnete Gruppierung Swoboda, die sich selbst als „Sondereinheit fürs Grobe“ versteht. Seine Nationalisten gehören auch zum harten Kern der Demonstranten. Und hier gibt es eine Grauzone zum rechtsextremen Flügel der Protestbewegung, die demonstrativ den Konflikt mit der Staatsmacht sucht.
Die etwa 500 Mitglieder der losen Gruppierung aus neofaschistischen Splittergruppen treten oft vermummt und in paramilitärischer Kleidung auf. Sie sind zumeist unter 30 Jahre alt und vertreten eine antirussische und nationalistische Ideologie. Solche Kräfte kämpften auch als Partisanen gegen die sowjetischen und die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg in den westukrainischen Gebieten. Sie bilden den gewaltbereiten Kern der so bezeichneten Selbstverteidigungskräfte des Maidan.
Friedliche Demonstranten zunehmend vertrieben
Und schließlich gibt es noch die „ganz normalen“ Demonstranten, die „Euromaidan“, die sich spontan vor allem über Soziale Netzwerke verabreden. Viele sind in der Zeit der Unabhängigkeit nach 1991 aufgewachsenen und vergleichsweise gut ausgebildet. Sie stehen symbolhaft für die friedliche Natur des Protests. Sie eint auch das Ziel einer Annäherung an die EU.
Die gescheiterte Unterzeichnung eines weitreichenden Abkommens mit der EU Ende November war für diese Regierungsgegner eine große Enttäuschung. Viele verweigerten aber Parteinahme für die jeweiligen politischen Gruppierungen. Ihr Protestlager war am 30. November auf dem Maidan in Kiew von den Polizeisondereinheiten der Berkut (Steinadler) brutal geräumt worden. Viele harren zwar weiter auf dem Platz aus, mit der zunehmenden Gewalt wurden aber viele von ihnen bereits vertrieben.
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