Lächeln, schön sein, Kleider zeigen
Es ist Filmpreissaison in Hollywood, und ein Promievent jagt den nächsten. Für die Filmstars ist die Dauerpräsenz auf dem roten Teppich hauptsächlich Teil des Jobs und gar nicht so vergnüglich, wie es von außen möglicherweise aussieht. Vor allem für Frauen ist der permanente Schaulauf mit viel Stress verbunden: Ein modischer Fauxpas stellt in Sachen Aufmerksamkeit jede noch so gute schauspielerische Leistung in den Schatten.
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Stars wie Cate Blanchett können ein Lied davon singen, was es heißt, permanent von oben bis unten taxiert zu werden. Bei der Verleihung der Auszeichnungen der US-Schauspielervereinigung Screen Actors Guild (SAG) Anfang der Woche riss der 44-Jährigen der Geduldsfaden. Als sie auf dem roten Teppich vor einem Kamerateam stehen blieb wurde sie erst einmal von unten nach oben per Schwenk abgefilmt. Sichtlich verärgert ging Blanchett in die Knie, um auf Augenhöhe mit der Kamera zu sein, die gerade dabei war, ihrem in ein bodenlanges Givenchy-Kleid gehüllten Körper entlangzugleiten. „Machen Sie das auch mit den Männern so? Was glauben sie, was da unten Faszinierendes passiert?“ lauteten ihre Fragen an den merklich überraschten Kameramann.

Reuters/Mario Anzuoni
Auf dem roten Teppich wird der Superstar zur Kleiderpuppe
Blanchetts Reaktion, als Animated GIF verarbeitet, verbreitete sich via die Sozialen Medien Twitter und Facebook schnell im Internet. Neben viel Solidarität und Bewunderung dafür, dass sie sich gegen den alltäglichen Sexismus zur Wehr setzte, erntete die Schauspielerin aber auch viel Kritik.
Eine „unschuldige Kamerafahrt“
Sie solle sich bei dem unschuldigen Kameramann entschuldigen, forderte etwa die britische Zeitung „The Guardian“. Sie erwecke den Eindruck, als sei sie das Opfer eines unverschämten und sexistischen Angriffs geworden, heißt es in dem Artikel. Dabei sei die Kamerafahrt geradezu unschuldig gewesen, zudem notwendig, weil die Position des Filmteams ohne Schwenk keine Aufnahme des Kleides in der Totale erlaubt hätte. Es sei nur eine „elegante Form“ gewesen, um „ein elegantes Kleid zu präsentieren“, heißt es weiter im „Guardian“.
Blanchett habe natürlich recht, dass Männern eine derartige Behandlung erspart bleibe, das habe aber auch gute Gründe - und die hätten nichts mit männlichem Voyeurismus zu tun. Vielmehr gehöre der rote Teppich eigentlich ohnehin nur deshalb zu den großen Events, um ein vornehmlich weibliches Bedürfnis nach Modeberichterstattung zu stillen.
Talent auf dem roten Teppich nur zweitrangig
Und dennoch: Blanchetts Reaktion zeugt primär von Frustration darüber, dass sie als Schauspielerin auf dem roten Teppich nicht wie ihre männlichen Kollegen behandelt wird, sondern vielmehr weiter eine Rolle spielen muss: die einer Kleiderpuppe. Um es als Mann auf dem roten Teppich zu einer Körperkamerafahrt in den Klatschnachrichten zu bringen, müsste ein Schauspieler schon exzentrischer daherkommen, etwa mit kurzen Hosen, einer sehr außergewöhnlichen Farbkombination oder einer radikalen Figurveränderung. Eine Frau hingegen kann sich im Filmbusiness derartiger Aufmerksamkeit genauso wenig entziehen wie der permanenten Bewertung von Frisur, Figur und Kleidung. Auch wenn sie, wie Blanchett, eigentlich lieber an ihren Leistungen vor der Kamera und ihrem Talent gemessen werden will.
Wer ist erschreckend dünn, womöglich magersüchtig? Wer ist dicker geworden, womöglich schwanger? Wem steht welches Kleid besser, wer hat die Modefarbe des Jahres erwischt, wer hat völlig danebengegriffen? Die Bilder vom roten Teppich sind viel mehr als Schnappschüsse eines Promievents, sie werden tagelang verglichen und analysiert. Wer Schlagzeilen sucht, dem mag das gefallen, doch nicht jeder, der Leinwanderfolge feiert, fühlt sich auf dem roten Teppich wohl. So etwa „Twiglight“-Star Kristen Stewart, die in Interviews oft erklärt, den großen Auftritt auf dem roten Teppich zu hassen. „Ich verstehe, dass man von mir erwartet, immer perfekt gestylt zu sein,“ verriet die 24-Jährige, die außerdem immer wieder erklärt, die Auftritte im Rampenlicht nicht zu mögen.

Reuters/Jim Urquhart
Kristen Stewart gibt zu, sich im Blitzlichtgewitter unwohl zu fühlen
Blanchett sieht Rückschritt bei Frauenrechten
Blanchett versucht schon seit längerem, sich gegen den alltäglichen Sexismus - nicht nur in der Filmbranche - zur Wehr zu setzen. So sei sie durch das Buch „The Misogyny Factor“ der australischen Autorin Anne Summers darauf aufmerksam geworden, dass viele Frauenrechte wieder eingeschränkt werden. „Ich habe das Gefühl, dass diese ganzen Schritte, die wir vorwärts gemacht haben, in vielen Fällen wieder zurückgedrängt wurden. Die konservativen Einstellungen haben einen großen Einfluss darauf, wie sich Frauen in der Welt sehen“, sorgt sich Blanchett im Interview mit Sky News. Die Frage „Machen Sie das auch mit den Männern so?“ sollte damit im Grunde nicht als Angriff auf den Kameramann gewertet werden, sondern schlicht als eine Frage, die im Alltag ruhig öfter gestellt werden dürfte.
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