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„Schieferöl hat höchste Priorität“

Schenkt man Analysten Glauben, so wird Russland in rund 20 Jahren die USA in Sachen Schieferölproduktion überholen. Russische Mineralölunternehmen bestätigen, dass die Förderung von unkonventionellem Öl, wie das Schieferöl im Osten genannt wird, oberste Priorität habe.

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Die Förderung von Schieferöl und Schiefergas ist höchst umstritten. Grund dafür ist das Gewinnungsverfahren Fracking, bei dem ein mit Chemikalien versetztes Wasser in das Gestein gepresst und so das Gas gefördert wird. Über die Umweltfolgen ist man sich nach wie vor nicht im Klaren, Kritiker befürchten vor allem schädliche Auswirkungen auf das Trinkwasser.

EU fordert Mindeststandards

Während in den USA seit Jahren ein regelrechter Schiefergasboom herrscht, ist man in Europa noch sehr skeptisch. Zwar gab die EU-Kommission vergangene Woche bekannt, dass sie die Produktion den Mitgliedsstaaten grundsätzlich empfehlen würde, sprach aber im gleichen Atemzug davon, dass ein angemessener Umwelt- und Klimaschutz gewährleistet werden soll.

Ölförderanlage

Reuters/Shannon Stapleton

Ein Bohrturm in Williston, North Dakota, USA

Die Reaktionen darauf fielen eindeutig negativ aus, für viele Politiker, auch den österreichischen Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP), sei der Vorschlag, dass in eineinhalb Jahren eine erste Bilanz über das Fracking gezogen werden soll, „nicht zufriedenstellend“.

Russland holt auf

Ungeachtet einer politischen Debatte schwingt sich in der Zwischenzeit Russland auf Platz eins in Sachen Schieferölförderung auf. Schätzungen zufolge dürfte 2035 Russland 800.000 Barrel pro Tag fördern. Rosneft, ein mehrheitlich staatlich geführtes Mineralölunternehmen, schätzt die Reserven auf 1,4 Milliarden Tonnen. Laut Experten soll sich die Fördermenge sogar noch erhöhen. Durch den Einsatz neuer Technologien wird nach einem Bericht in „Russia beyond the headlines“ („RBTH“) mit einer jährlichen Produktion von bis zu 36 Millionen Tonnen gerechnet.

In der Baschenow-Formation in Westsibirien, einer sich über Millionen Quadratkilometer erstreckenden geologischen Schicht mit hoch angereichertem Schiefer, werden schon seit längerem neue Technologien zur Förderung getestet. Sprecher des russischen Mineralölkonzerns Lukoil bestätigten, dass der Konzern die kommerzielle Produktion rasch vorantreiben möchte. Auch für Rosneft hat die Schieferölförderung höchste Priorität. Das Mineralölunternehmen Gasprom Neft gab keine Stellungnahme dazu ab.

Dass nach neuen Produktionsmethoden gesucht wird, hängt auch unweigerlich mit den extra für die Gewinnmaximierung geschaffenen steuerlichen Anreizen zusammen. So wurde letztes Jahr eine Nullzinssteuer auf die Gewinnung von Bodenschätzen in den Ablagerungsstätten Baschenow, Abalak, Chadum und Domanik geschaffen - diese wurde nun auf eine Periode von zehn bis 15 Jahren verlängert.

Schieferöl spült Geld in die Kassen

Das russische Energieministerium geht davon aus, dasss 2032 durch die steuerlichen Erleichterungen bis zu 326 Millionen Tonnen Öl zusätzlich gefördert werden können. Das wiederum führe zu zusätzlichen 66 Milliarden Dollar (rund 48 Milliarden Euro) an Steuern, so der russische Energieminister Alexander Nowak.

Die Reserven von herkömmlichem (Erd-)Öl sind ausgeschöpft, die Förderung von unkonventionellem Öl ist somit für eine ganze Industrie von hoher Bedeutung, so ein Mitarbeiter eines Unternehmens. Auf lange Sicht gesehen, könnten Bohrungen in der Arktis zum wirtschaftlichen Erfolg führen, jedoch würde das noch Jahrzehnte dauern, bis es so weit ist, weshalb alle ihre Karten auf das Fracking setzten.

Umwälzungen auf Energiemarkt

Experten zufolge steht es außer Frage, dass die Öl- und Gasförderung aus Schiefergestein weltweit zu massiven Umwälzungen auf dem Energiemarkt führen wird. So hat in den USA der Boom bereits zu sinkenden Gas- und Strompreisen geführt. Amerika dürfte der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge 2035 von Energieimporten unabhängig sein. Die größten Ölschiefergasstätten befinden sich neben den USA in Brasilien, China, Kanada, Israel, Jordanien, Libyen, Marokko, Syrien und Thailand.

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