Kaum aufwendiger als Fotografieren
Laut Wissenschaftlern der ETH Zürich soll es bald möglich sein, mit dem Smartphone einen dreidimensionalen Scan eines beliebigen Objekts zu erstellen - mit kaum mehr Aufwand als beim herkömmlichen Fotografieren. Die Demoversion einer dazu nötigen App wurde bei der International Conference on Computer Vision (ICCV) in Sydney vorgestellt.
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3-D-Scanning ermöglicht es, einen Gegenstand realitätsgetreu abzubilden und mittels weniger Handgriffe genaue Informationen über dessen Gestalt zu erfassen. Ein bis dato aufwendiger Vorgang, schließlich ist die Datenmenge so umfangreich, dass diese extern verarbeitet werden musste. Bald - so versprechen es die Forscher des Zürcher Instituts für Visual Computing - soll alles viel einfacher werden.
Gesichter und Skulpturen reproduzieren
Für das Scannen richtet der Benutzer die Kamera seines Smartphones auf ein Objekt und bewegt das Gerät über das Objekt hinweg, damit es laufend Bilder aufzeichnen kann. Schon nach wenigen Aufzeichnungen erscheint auf dem Bildschirm ein 3-D-Modell des Objekts. Solange der Benutzer seine Kamera über dieses Objekt hinwegbewegt, werden automatisch zusätzliche Bilder aufgenommen, die das 3-D-Modell sukzessive verbessern. Die App nutzt dabei die herkömmlichen Sensoren der Smartphones.
Auch Gesichter könnten so eine dritte Dimension erhalten: Die Technologie erlaube es, 3-D-Modelle der Gesichter von Freunden und Verwandten zu erzeugen, zum Beispiel für dreidimensionale Porträtbilder in Sozialen Medien. Die 3-D-Modelle könnten auch mit einem 3-D-Printer ausgedruckt werden. Die zum Patent angemeldete App gibt es zurzeit erst als nicht öffentliche Demoversion, sie läuft auf fast allen gängigen Smartphones mit Android-Betriebssystem.
Unmittelbare Verarbeitung und direktes Ausspielen
Auf dem Display kann der Benutzer jederzeit überprüfen, ob Bildausschnitte fehlen oder ungenügend sind und das Objekt aus zusätzlichen Blickwinkeln scannen - das war bisher nicht möglich, weil die Kapazität der Smartphones, die Modelle unmittelbar auszuspielen, nicht gegeben war. Dieses „Echtzeit-Feedback“ sei nur möglich, weil die App die dreidimensionale Darstellung direkt auf dem Smartphone berechnet, erklärte Entwickler Marc Pollefeys in einer Mitteilung der Hochschule. Die ETH veröffentlichte ein Video, das die Arbeitsschritte darstellt.
„Das ist ein riesiger Vorteil gegenüber bisherigen Lösungen, welche die verschiedenen Bilder erst in der Cloud (im virtuellen Datenspeicher, Anm.) verarbeiten müssen, um das 3-D-Modell erst einige Zeit nach der Aufnahme anzeigen zu können“, erklärt Pollefeys. Bisherige Verfahren hätten die verschiedenen Bilder zunächst aufwendig extern berechnen müssen und erst später anzeigen können - für den Experten sind die bisherigen Methoden mit der analogen Fotografie vergleichbar: „Bevor digitale Kameras entwickelt wurden, sah man das Resultat erst dann, wenn man das digitale Foto entwickelt hatte“, vergleicht der Informatiker.
„Wäre vor zwei Jahren undenkbar gewesen“
Die Echtzeitverarbeitung hat den Vorteil, dass die 3-D-Scans überall gemacht werden können. Die App soll auch bei schlechten Lichtverhältnissen, etwa in Museen oder Kirchen, funktionieren. Das 3-D-Modell ließe sich dann in einer Cloud speichern und von dort aus bearbeiten. Anwendungen sehen die Wissenschaftler überall dort, wo Visualisierungen zum Einsatz kommen. Der ETH-Entwickler Pollefeys ist sich sicher: „Noch vor zwei Jahren hätte man eine solche Software nur auf großen Computern laufen lassen können. Dass dies auf einem Smartphone funktioniert, wäre undenkbar gewesen.“
Digitalisierung von Kunstschätzen
Auch das Fraunhofer-Institut im deutschen Darmstadt meldet eine ähnliche Entwicklung: einen 3-D-Scanner zur Digitalisierung von Kunstschätzen. Mit dem Gerät könnten Objekte innerhalb weniger Minuten gescannt werden, sagte Projektleiter Pedro Santos der Nachrichtenagentur dpa. Bisher sei die Digitalisierung in 3-D sehr teuer und dauere meist mehrere Stunden. „Weil man mit den gängigen Technologien 80 Prozent der Zeit darauf verwendet, den Scanner um das Objekt herum zu positionieren“, erläuterte der Informatiker. Im Fall einer Katastrophe wie dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs bliebe so zumindest eine digitale Kopie eines Werkes erhalten.
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