Absatzkrise bei Fanfaren als Auslöser
Das Martinshorn ist nicht nur wegen seines rechtlichen Status in Österreich ein Kuriosum. Mindestens ebenso bemerkenswert - und ebenfalls am Grenzbereich zur Legendenbildung - ist die Geschichte des „Tatütata“ selbst. Fest steht: Entgegen landläufigen Annahmen hat es nichts mit dem heiligen Martin und Ritterlichkeit zu tun, sondern mit dem Erfinder Max B. Martin.
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Die Signal-Instrumenten-Fabrik Max B. Martin aus Philippsburg im deutschen Bundesland Baden-Württemberg hält bis heute die Namensrechte und Patente am „Martin-Horn“ und erzeugt weiterhin weltweit die einzigen „originalen“ (Zitat Homepage) kompressorbetriebenen Signaltonanlagen, so die technisch korrekte Beschreibung. Damit profitiert die Firma weiterhin von einem klugen Schachzug des Firmengründers Martin im Jahr 1932.
Von der Fanfare zum „Automobilistensignal“
Martins Betrieb existiert seit 1880. Damals - und bis zum Beginn der DDR-Ära - war die kleine Firma noch in Sachsen ansässig und stellte vor allem Fanfaren und Jagdhörner her. Mit dem Wandel der Zeiten konnte man sich auf diesen Markt jedoch immer weniger verlassen, und Martin suchte nach neuen Geschäftsideen. Zuerst kam ihm dabei um die Jahrhundertwende die Idee zur „Martinstrompete“ - eine Kombination aus meist acht bis 16 Hupen, die auch von Nichtmusikern schnell als einfaches Instrument gespielt werden kann.
Mit der Martinstrompete bewies der deutsche Erfinder schon einen ziemlich guten Riecher. Das wachsende, auch politisch gefärbte Vereinsleben am Beginn des 20. Jahrhunderts - vom Turnverein über die Freiwillige Feuerwehr bis zu Arbeiterverbänden - wollte sich auch per Blasmusik artikulieren und hatte damit eine leichte Möglichkeit dazu. In den 1920er und 1930er Jahren waren „Martin-Kapellen“ weit verbreitet und populär. Martin suchte jedoch nach weiterer Kundschaft und fand sie in den „Automobilisten“.
Kampf dem „Gequieke“
Von der einzelnen Autohupe bis zum Martin-Horn war es nur noch ein kleiner Schritt: Gemeinsam mit Vertretern von Feuerwehr und Rettung ersann der Instrumentenbauer das „Tatü“: Warum es ausgerechnet der musikalische Intervall einer Quart sein musste, ist bis heute ungeklärt. Vielleicht wollte man sich auf das Quinten-Jagdsignal für „Halt“ und das Kavalleriesignal für „Aus dem Weg“ beziehen, aber sich doch davon unterscheiden. Die Luft für das Horn kam aus Kompressoren - und fertig war die bis heute kaum veränderte Neuerung.
Die formlose Abmachung zwischen Martin und Vertretern der Rettungsdienste in den 30er Jahren hält jedenfalls bis heute: Egal, ob a-d (Deutschland, Schweden und Österreich), cis-gis (Schweiz) oder fis-h (Niederlande) - die Quart gibt weiterhin den Ton an. Und bis heute stattet die deutsche Firma vor allem Feuerwehren mit „echten“ Martin-Hörnern aus. Alles andere fällt für den jetzigen Firmenchef Martin Brender - er ist mit Martins Enkelin Viola verheiratet - unter „Gequieke“, wie er gegenüber der deutschen „Wirtschaftswoche“ betonte.
Lukas Zimmer, ORF.at
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