Alles, nur nicht a - fis - a - d
Schon letzten August war in Deutschland die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen worden, nun geht es los: Immer mehr Polizeiautos werden mit „Yelp“-Signalhörnern bestückt, wie man sie von US-Einsatzfahrzeugen kennt. In Österreich will man statt des abwechselnden Jaulens, Hupens und Trötens beim herkömmlichen „Tatütata“ bleiben - und weiß gar nicht so recht, warum.
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Österreich bleibt eine der letzten Bastionen in Europa, die weiter nur auf das traditionelle Martinshorn setzen. Dass die heimische Polizei mit US-Sound ausgestattet wird, „steht nicht zur Diskussion“, hieß es aus dem Innenministerium gegenüber ORF.at. Bei den Rettungsdiensten sieht man „aktuell keinen Bedarf“ und für den Österreichischen Bundesfeuerwehrverband (ÖBFV) gibt es „dazu weder Anlass noch aktuelle Bestrebungen“. Die Aussagen aus den Blaulichtorganisationen sind allerdings kaum mehr als unverbindliche Empfehlungen.
Eine Fahrt ins rechtlich Blaue
Ein Blick ins Gesetz beweist: Wenn Innenministerium, Rettung und Feuerwehr auf den herkömmlichen Folgetonhörnern bestehen, tun sie das de facto ohne rechtliche Grundlage. Die Regeln dafür finden sich in Paragraf 22 Kraftfahrgesetz (KFG). Dort ist aber lediglich festgelegt, dass die „Vorrichtung zum Abgeben akustischer Warnzeichen“ einen „gut wahrnehmbaren, nicht auf- und abschwellenden, nicht schrillen Klang haben“ muss, der für Einsatzfahrzeuge aus „aufeinanderfolgenden, verschieden hohen Tönen“ bestehen sollte.

ORF.at/Zita Köver
Die Feldkirchner Feuerwehr mit einem „echten“ Martinshorn
Sonstige Regeln fehlen, bis auf eine erstaunliche Ausnahme: Die Tonfolge a - fis - a - d darf nicht verwendet werden. Denn die ist einzig und allein dem Postbus vorbehalten, wie in Absatz fünf des Paragrafen bestimmt wird. Warum ausgerechnet der Postbus ein festgelegtes Signalhorn haben darf und muss und warum es die Bestimmung überhaupt noch gibt, während die Blaulichtorganisationen mit ihren Signalen im außerrechtlichen Bereich unterwegs sind, darauf kann man sich auch bei Polizei, Rettung und Feuerwehr keinen Reim machen.
Die Spur verliert sich in den 50er Jahren
Die Lösung muss irgendwo in den 1950er Jahren liegen. Erst seit dieser Zeit sind Einsatzfahrzeuge in Österreich mit Folgetonhorn bestückt. Dass Polizei, Rettung und Feuerwehr am unterschiedlichen Klang zu erkennen sind, ist dabei eine österreichische Spezialität - ebenso wie die Tatsache, dass die Fahrer heimischer Einsatzfahrzeuge wählen können, ob sie mit Blaulicht allein oder mit Blaulicht und Folgetonhorn fahren. Fast überall sonst auf der Welt besteht für Einsatzfahrzeuge die Pflicht, immer beides zugleich zu verwenden.
Im Innenministerium spricht man von „tradierten“ Tonfolgen. Bei der Rettung hält man die Unterschiede zwischen den drei verschiedenen Tonfolgen für Polizei (Tatüü-Tatütatütatüü), Rettung (Tüütaa Tüütaa) und Feuerwehr (Tatüü Tatüü) ebenfalls für „historisch gewachsen“. Bei der Feuerwehr konstatiert man lediglich, die Tonfolgen seien tatsächlich „gesetzlich nicht geregelt“. Gerüchteweise beruht die Regelung auf einer formlosen Einigung zwischen den Spitzen der Blaulichtorganisationen irgendwann an der Wende von den 50er zu den 60er Jahren.
„Ein Kuriosum, wie’s ausschaut“
In Wien, wo neben der Berufsrettung auch alle vier großen heimischen Rettungsorganisationen (Rotes Kreuz, Arbeiter-Samariterbund, Johanniter und Malteser) tätig sind, findet man es nicht weiter schlimm, dass es nirgendwo eine verbindliche Grundlage für die bekannten Tonfolgen gibt. Es sei ja auch „nicht festgelegt, wie das Rettungsauto ausschauen muss“. Zugleich wird eingeräumt, die fehlende Regelung sei ein „Kuriosum in Österreich, wie’s ausschaut“.
Abgesehen von der Polizei, wo die Tonfolge zumindest in Anlagen zur zentralen Beschaffungsverordnung festgehalten ist, gäbe es bei den selbst verwalteten Rettungsdiensten und Freiwilligen Feuerwehren damit theoretisch ungeahnten Gestaltungsspielraum. Dass die Ambulanz mit „La Cucaracha“-Melodie und die Feuerwehr mit dem „Radetzkymarsch“ vorfährt, ist dennoch nicht zu erwarten. Die Rettung verweist auf „bis jetzt gute Erfahrungen“ mit den „überlieferten“ Tonfolgen.
„Rumbler“ statt „Yelp“?
Bei der Feuerwehr interpretiert man die jetzige Gesetzeslage jedenfalls so, dass zwar die eingebürgerten Signale nicht geregelt sind, es für die Einführung von „Yelp“-Hörnern aber wegen deren „auf- und abschwellenden“ und „schrillen“ Tönen jedenfalls eine Gesetzesänderung brauchte. Durch das Ignorieren des Trends könnte Österreich allerdings auf der richtigen Seite stehen - denn auch die für europäische Ohren neumodischen Sirenen gelten manchen bereits als Auslaufmodell.
In den USA werden „Yelp“-Hörner bereits durch „Rumbler“-Sirenen ersetzt, die mit ihren tiefen Tönen sogar körperlich spürbar sind. Der Zweck dahinter ist, dass sich die Einsatzfahrzeuge über die starken Bassfrequenzen auch bei jenen Autofahrern bemerkbar machen können, die im Auto laut Musik hören oder sich die Ohren mit Freisprecheinrichtungen zustöpseln. „Schrill“ sind diese Sirenen sicherlich nicht - und würden damit zumindest in dieser Hinsicht zur heimischen Gesetzeslage passen.
Lukas Zimmer, ORF.at
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