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Pfiffe und Buhrufe gegen Opposition

Rund 200.000 Ukrainer sind am Sonntag gegen ein umstrittenes Demonstrationsverbot in Kiew auf die Straße gegangen. Doch die Wut richtet sich nicht mehr allein gegen die Regierung - auch die Opposition steht zunehmend in der Kritik, keine Ergebnisse vorweisen zu können. Gegen Ende der Kundgebungen warfen einige Demonstranten Steine und Molotow-Cocktails, die Polizei antwortete mit voller Härte.

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Als die Demonstranten versuchten, Polizeiabsperrungen zu durchbrechen und Einsatzbusse umzustoßen, gingen die Beamten mit Schlagstöcken, Blendgranaten und Tränengas gegen die Protestierenden vor. Bei Minustemperaturen wurden auch Wasserwerfer eingesetzt. Mindestens ein Fahrzeug wurde in Brand gesteckt. Viele der Demonstranten trugen Faschingsmasken sowie Töpfe und Siebe auf dem Kopf, um die verschärften Sanktionen für vermummte Demonstranten lächerlich zu machen.

Demonstranten kämpfen mit Polizisten

Reuters/Gleb Garanich

Vermummte Demonstranten lieferten der Polizei Gefechte

Klitschko mit Feuerlöscher besprüht

Als die Demonstranten Feuerwerkskörper zündeten, rief Oppositionsführer Witali Klitschko die Menschenmenge dazu auf, sich zu beruhigen und forderte die Demonstranten auf, die Polizei nicht zu provozieren. Dabei wurde er von der wütenden Menge angegriffen, wie Medien berichteten. Demnach wurde Klitschko mit einem Feuerlöscher besprüht.

Auf die Polizisten flogen auch Steine. 70 Sicherheitskräfte wurden verletzt, zahlreiche Milizionäre mussten in Krankenhäusern behandelt werden, wie das Innenministerium am späten Sonntagabend mitteilte. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP sah mindestens neun verletzte Demonstranten. Die Ausschreitungen dauerten auch nach mehr als fünf Stunden an. Es gab mehrere Festnahmen.

Zahlreiche Demonstranten hatten kurz zuvor auf einer Massenkundgebung auf den zentralen Unabhängigkeitsplatz ihren Unmut darüber gezeigt, dass die Opposition auch nach Wochen des Protestes keine Ergebnisse vorweisen könne. Insbesondere gegen Klitschko, der als Chef seiner Partei UDAR (Schlag), gegen die Regierung auftritt, gab es Buhrufe bei der Kundgebung. Er steht in der Kritik, ohne Plan und unentschlossen zu handeln und die zersplitterte Opposition nicht einigen zu können.

Pfiffe für Opposition

Neben Klitschko äußerte sich am Sonntag auch Arseni Jazenjuk, Chef der Partei der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko. Jazenjuk sprach dem Parlament jegliche Legitimität ab und verlangte die Gründung eines „Volksrats aus Politikern der Opposition“. Aus der Menge gab es auch für ihn Pfiffe, da die Protestbewegung angesichts fehlender Erfolge zuletzt Ermüdungserscheinungen zeigte.

Nach Meinung von Beobachtern fordern aber vor allem jüngere Demonstranten rasche Veränderungen. „Wir brauchen einen Anführer, der uns heute und jetzt zum Sieg führt. Wir brauchen einen Namen“, sagte Dimitri Bulatow, einer der führenden Köpfe der Straßenproteste.

Demonstrationsverbot bis 8. März

Präsident Viktor Janukowitsch hatte am Freitag ein Gesetzespaket unterzeichnet, welches das Demonstrationsrecht beschneidet. Es sieht unter anderem Geldstrafen für Demonstranten vor, die sich mit Gesichtsmasken vermummen oder Helme tragen. Für den nicht genehmigten Aufbau von Bühnen und Zelten auf öffentlichen Plätzen können 15 Tage Haft verhängt werden, bis zu fünf Jahre Gefängnis drohen für die Blockade öffentlicher Gebäude. Die Demonstranten halten seit mehr als einem Monat das Bürgermeisteramt und das Gewerkschaftshaus besetzt.

Außerdem hatte ein Gericht am Mittwoch ohne Angaben von Gründen entschieden, dass im Zentrum von Kiew bis zum 8. März nicht mehr demonstriert werden dürfe. Einschnitte gibt es auch für die Internetnutzung.

„Schlag gegen die grundlegenden Freiheiten“

Menschenrechtler kritisierten diese Verschärfung der Gesetze als schwersten Rückschritt in der Ex-Sowjetrepublik seit Jahren. „Diese Veränderungen sind ein ernster Schlag gegen die grundlegenden Freiheiten“, sagte die Ukraine-Expertin der Organisation Human Rights Watch (HRW), Julia Gorbunowa, einer Mitteilung vom Samstag zufolge. So steht erstmals seit 2001 wieder Verleumdung unter Strafe. Auch die EU und die USA hatten die vom Parlament in Kiew im Eiltempo durchgepeitschten Gesetze kritisiert.

Janukowitsch will Kommission einsetzen

Zur Überwindung der Krise soll ab Montag ein Vermittlungsausschuss tagen, wie Klitschko nach einem Gespräch mit Janukowitsch am Sonntagabend ankündigte. Die Kommission, die Janukowitsch am Montag gründen wolle, werde aus Vertretern des Präsidialamtes, der Regierung und der Opposition bestehen, sagte Klitschko vor Journalisten in einer Residenz des Präsidenten. Gemeinsam sollten die Teilnehmer einen „Weg aus der aktuellen Krise“ finden.

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