Fortschritte bis 2017 nicht mehr erkennbar
In einem vertraulichen Bericht sagen alle US-Geheimdienste eine erhebliche Verschlechterung der Lage in Afghanistan voraus, wie die „Washington Post“ unlängst berichtete. Als Zünglein an der Waage gilt der momentan verhandelte Sicherheitspakt zwischen Washington und Kabul, der die Stationierung von US-Soldaten nach 2014 regelt.
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Sollten die Verhandlungen scheitern, drohe das Land am Hindukusch im Chaos zu versinken, heißt es im National Intelligence Estimate, der unter Mitarbeit aller 16 US-Geheimdienste erstellt wurde. Der Bericht wird regelmäßig den Entscheidungsträgern in Washington zugeleitet, meist geschieht das vor wichtigen Grundsatzentscheidungen. Generell gehen Experten davon aus, dass „die Situation sich sehr schnell verschlimmern“ würde, wenn nicht Truppen weiter im Land blieben und wenn die finanzielle Unterstützung eingestellt würde.
Sicherheitsabkommen als Wegweiser
Die radikalislamischen Taliban und andere einflussreiche Kräfte würden in der Folge die Macht am Hindukusch zurückgewinnen, heißt es. Alle Fortschritte, die innerhalb der vergangenen Jahre von den USA und ihren Verbündeten im krisengeschüttelten Land erreicht wurden, drohen laut dem Bericht bis 2017 nicht mehr erkennbar zu sein - und das selbst, wenn die USA einige tausend Soldaten im Land lassen und den Krisenstaat mit weiteren Finanzspritzen unterstützen würden.
Die Regierungen in Kabul und Washington konnten sich bisher nicht auf ein Sicherheitsabkommen einigen. Kommt es zu keiner Einigung, wollen die USA und ihre Partner die gegenwärtig 84.000 Soldaten komplett aus dem Land abziehen. Ein solches Truppenkontingent nach 2014 ist eine der Voraussetzungen der USA für milliardenschwere Hilfszahlungen, die für die kommenden Jahre in Aussicht gestellt wurden. Die Regierung von Präsident Barack Obama hatte die Truppen 2009 verstärkt, um den Aufstand der Taliban niederzuringen und die Sicherheitslage zu verbessern.
Bericht zu pessimistisch?
Der Zeitung zufolge bezeichneten einige der Insider, die Einsicht in den Bericht hatten, die aufgestellten Schlussfolgerungen als zu pessimistisch. Zwar würde sich die Macht- und Gebietsverteilung wohl unweigerlich ändern, verlautete demnach aus den Kreisen. „Ein Erstarken der Taliban ist jedoch nicht zwingend.“ Zudem werde die Stärke der einheimischen Sicherheitskräfte unterschätzt. „Die Einschätzung, dass alles düsterer wird, egal was man unternimmt, ist wohl nicht mehr als eine momentane Einschätzung“, urteilt ein Experte.
Washington ringt mit Kabul seit langem um ein bilaterales Sicherheitsabkommen. Knackpunkt ist unter anderem die von den USA verlangte Immunität von US-Truppen vor der afghanischen Justiz. Zuletzt irritierte Afghanistans Präsident Hamid Karzai die USA mit der Aussage, der Vertrag solle von seinem Nachfolger unterzeichnet werden. Die Präsidentschaftswahl, zu der Karzai nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf, findet erst im April statt. Die afghanischen Stammesführer plädierten dagegen dafür, das Abkommen wie von den USA gefordert bis Ende dieses Jahres zu unterzeichnen.
NATO wartet auf Abkommen
Im Dezember nahmen die NATO und die afghanische Regierung Gespräche über eine Truppenpräsenz nach dem Abzug der ausländischen Kampftruppen auf. Eine Einigung werde aber nicht unterzeichnet, solange es kein bilaterales Abkommen zwischen den Regierungen der USA und Afghanistans gebe, hieß es.
Die NATO will nach dem bis Ende 2014 geplanten Abzug der ausländischen Soldaten aus Afghanistan die einheimischen Sicherheitskräfte mit Beratung, Ausbildung und Finanzhilfen weiter unterstützen. Die transatlantische Allianz hofft, bis Februar die Umrisse einer solchen Mission ausgehandelt zu haben. Die Truppe soll voraussichtlich 8.000 bis 12.000 Soldaten umfassen.
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