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Sammelwut oder konkreter Hintergrund?

Die NSA kann laut einem neuen Zeitungsbericht fast 200 Millionen SMS pro Tag abgreifen. Das gehe aus einem Dokument aus dem Jahr 2011 hervor, berichtete die britische Zeitung „Guardian“ am Donnerstagabend. Das Programm mit dem Namen „Dishfire“ sammle wahllos „so ziemlich alles, was es kann“, gehe aus Papieren des britischen NSA-Partnerdienstes GCHQ hervor.

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Die Geheimdienste fischten aus den Kurznachrichten Informationen etwa über Reisepläne, Adressbücher und Finanztransaktionen, hieß es. Außerdem gäben zum Beispiel Benachrichtigungen über entgangene Anrufe Informationen über den Bekanntenkreis eines Nutzers. Jeden Tag sammle die NSA den Unterlagen zufolge mehr als fünf Millionen davon ein. Genauso wiesen 1,6 Millionen registrierte Roaming-Benachrichtigungen auf Grenzübertritte hin. Ebenso seien aus mehr als 76.000 Kurznachrichten Geodaten extrahiert worden.

„Nicht mehr als 1.800 Telefonnumern gleichzeitig“

Der Präsentation von 2011 zufolge wurden an einem Beispieltag 194 Millionen SMS-Nachrichten eingesammelt, schrieb die Zeitung. Ein weiteres Dokument gebe einen Eindruck von der Auswertungskapazität des Systems: Die Geheimdienstanalysten würden darin aufgefordert, nach nicht mehr als 1.800 Telefonnummern gleichzeitig zu suchen. Die Dokumente stammten von dem Informanten Edward Snowden und seien 2012 von einer Seite mit Anleitungen zum „Dishfire“-System für GCHQ-Mitarbeiter heruntergeladen worden. Das System sei zu diesem Zeitpunkt im Einsatz gewesen.

Rund ein Prozent des weltweiten Aufkommens

Nach Schätzung des Marktforschers Informa TM wurden im Jahr 2012 weltweit rund 6,7 Billionen SMS versandt. Das macht knapp 18,36 Milliarden Kurznachrichten pro Tag und hieße, dass die NSA etwa ein Prozent des weltweiten Aufkommens abgreifen kann. Zugleich verlagern immer mehr Smartphone-Nutzer ihre Kommunikation von der klassischen Mobilfunk-SMS zu Kurznachrichtendiensten wie etwa WhatsApp, Apples iMessage und BBM von BlackBerry.

Im Zuge des NSA-Skandals hatten unter anderem Apple und BlackBerry wiederholt betont, dass ihre Dienste sicher verschlüsselt seien. Eine NSA-Sprecherin widersprach auf Anfrage der Zeitung dem Eindruck, dass die Daten ohne Verdacht und unkontrolliert gesammelt würden. Die Fähigkeiten würden gegen Aufklärungsziele eingesetzt.

Computerausspähung auch ohne Internetanschluss

Die NSA speiste einem Medienbericht zufolge in knapp 100.000 Computern weltweit ihre Software ein. Damit sei es dem US-Geheimdienst möglich, die Geräte und private Netzwerke heimlich zu überwachen, berichtete die „New York Times“ (Onlineausgabe) in der Nacht auf Mittwoch. Zudem könne die NSA das aber auch für Cyberattacken nutzen. Der Dienst selbst beschrieb das Programm mit dem Codenamen „Quantum“ dem Bericht zufolge als „aktive Verteidigung“ und nicht als Angriffsinstrument.

Die NSA setze dabei auch verstärkt eine Technologie ein, die ihr Zugriff auf Computer erlaube, auch wenn diese gar nicht mit dem Internet verbunden sind. Dabei würden Radiowellen dazu genutzt, die Daten über heimlich in die Computer eingesetzte Bauteile zu übermitteln.

Möglich durch „Miniwanzen“

Diese Implantate bzw. „Miniwanzen“ müssten demnach von Agenten, Herstellern oder ahnungslosen Nutzern in die Geräte eingebaut worden sein. In den meisten Fällen werde NSA-Software über Computernetzwerke installiert, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Geheimdienstdokumente, Computerexperten und US-Regierungsvertreter.

Mit der Software würden unter anderem das chinesische und russische Militär sowie Computer der mexikanischen Polizei und dortiger Drogenkartelle, aber auch Handelsinstitutionen innerhalb der Europäischen Union ausgespäht, hieß es. Zudem seien Länder wie Indien, Pakistan und Saudi-Arabien ins Visier des Programms geraten. Es gebe keine Belege dafür, dass die Spähsoftware in den USA eingesetzt worden sei, was nach US-Recht illegal gewesen wäre. In China sei auf diese Weise auch eine Abteilung der chinesischen Armee angegriffen worden, die nach Vermutung der USA hinter Cyberattacken im Westen steht. Chinesische Behörden hatten die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

NSA entwickelt geheim Quantencomputer

Die NSA arbeitet einem Zeitungsbericht von Anfang Jänner zufolge an der Entwicklung eines Quantencomputers. Dieser solle in der Lage sein, nahezu alle Verschlüsselungen etwa bei Banken, in der Forschung und von Regierungen zu knacken, berichtete die US-Tageszeitung „Washington Post“ unter Berufung auf Dokumente von Snowden.

Die Arbeit für den Quantencomputer sei Teil eines mit rund 80 Millionen Dollar (58 Mio. Euro) finanzierten Forschungsprogramms „Penetrating Hard Targets“ (In harte Ziele eindringen). Einzelheiten - vor allem wie weit das Programm bereits sei - wurden zunächst nicht bekannt. Weite Teile des Forschungsprogramms seien geheim, hieß es. Der Geheimdienst könnte sich dem Bericht zufolge damit umfangreichen Zugriff auf Bank-, Gesundheits-, Regierungs- und Wirtschaftsnetzwerke verschaffen.

„Kopf-an-Kopf-Rennen“

Wissenschaftler fragten sich laut „Washington Post“ bereits seit längerem, ob die NSA-Forschung bei der Entwicklung des Superrechner weiter als andere, zivile Labors sei. Zwar sei das ganze Ausmaß der NSA-Forschung nicht bekannt, doch die vorliegenden Dokumente legten nahe, dass die NSA über keinen Vorsprung verfügten, meint das Blatt. Die NSA liefere sich ein „Kopf-an-Kopf-Rennen“ mit Forschungsprojekten, die von der EU und der Schweiz unterstützt würden, heißt es in dem Bericht weiter.

Jede Verschlüsselung knackbar

Ein Quantencomputer gilt als sehr viel leistungsstärker und schneller als normale Digitalcomputer. Bei herkömmlichen Computern nimmt ein Bit einen von zwei möglichen Zuständen an, die mit „null“ und „eins“ beschrieben werden. In Quantencomputern dagegen werden Qubits verwendet, die nicht entweder „null“ oder „eins“ sind, sondern sowohl „null“ als auch „eins“ - und zwar gleichzeitig.

Damit können Quantencomputer alle Bit-Kombinationen gleichzeitig erfassen und manipulieren. Das wiederum führt dazu, dass Quantencomputer theoretisch bedeutend schneller arbeiten als Digitalrechner - und damit auch komplizierte Verschlüsselungen knacken können, die für herkömmliche Computer mit deren beschränkter Rechenleistung unüberwindbare Hindernisse darstellen.

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