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Grünes Licht gegen Umweltmafia

Italiens Regierung hat am Dienstag grundsätzlich den Einsatz der Armee gegen kriminelle Machenschaften in der Abfallwirtschaft genehmigt. Das Militär habe grünes Licht bekommen, „um so effektiv wie möglich gegen das Phänomen der Umweltmafia in der Region zwischen Neapel und Caserta vorgehen zu können“, erklärte das Verteidigungsministerium.

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Das Parlament muss dem Dekret zwar noch zustimmen, allerdings zeichnet sich ein breiter politischer Konsens dafür ab. Die betroffene Gegend trägt den Beinamen „Todesdreieck“ und ist unter Italienern auch als „Feuerland“ verschrien, weil illegale Müllverbrennung dort seit Jahrzehnten zu katastrophalen Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt führt.

Nuklearabfälle als Zeitbombe

In der Erde in Süditalien soll neben dem Giftmüll eine noch gefährlichere „Zeitbombe“ stecken. Nach Informationen des deutschen Nachrichtenmagazins „Spiegel“ sollen in Süditalien auch Atomabfälle von der dortigen Mafia vergraben worden sein. Das Nachrichtenmagazin beruft sich dabei auf Informationen des Mafia-Überläufers und Kronzeugen in den 1990er Jahren, Carmine Schiavone. 16 Jahre lang sollen dessen Aussagen vor einem Untersuchungsausschuss in Rom unter Verschluss gehalten worden sein, bis das italienische Parlament dem Drängen auf Freigabe der Aussagen kürzlich zustimmte.

Vorwürfe gegen hochrangige Politiker und Beamte

„Ich weiß, dass aus Deutschland Lastwagen ankamen, die Nuklearabfälle tranportierten“, zitiert der „Spiegel“ aus den Aussagen Schiavones. Unter dem Schutz von Mafiosi in Carabinieri-Uniformen sollen diese dann vergraben worden sein. Die Aussagen Schiavones sind insofern interessant, als der Mafia-Überläufer heute hochrangige italienische Politiker beschuldigt, von seinen Aussagen gewusst zu haben.

Darunter soll sich auch der heutige Präsident Giorgio Napolitano, zu Zeiten der Schiavone-Aussagen Innenminister, befinden. Der heutige Interpol-Chef Gennaro Capoluongo soll laut den Schiavone-Aussagen gar im Hubschrauber auf dem Weg zu einer von Schiavone genannten Giftmülldeponie dabei gewesen sein. Auch den Chef der Staatspolizei, Alessandro Pansa, und den heutigen Vizechef des italienischen Inlandsgeheimdienstes, Nicola Cavaliere, beschuldigt Schiavone, von seinen Aussagen über illegale Atommülllager gewusst zu haben. Ob Schiavones Aussagen über Nuklearmüll stimmen, ist fraglich. Bisher ist er der Einzige, der über mögliche illegale Atommüllentsorgung ausgesagt hat.

Im Schutz der Dunkelheit verscharrt

Schätzungen zufolge wurden in den Jahren 1991 bis 2013 rund zehn Millionen Tonnen Industrieabfall in dem Landstrich verbrannt, den Tausende Lastwagen im Schutz der Dunkelheit herankarren, obwohl offene Mülldeponien in der Europäischen Union verboten sind. Das Geschäft mit dem Müll ist seit dem Ende der 1980er Jahre eine lukrative Einnahmequelle für die neapolitanische Mafia.

Die Camorra lässt selbst giftige Abfälle wie Asbest, Lösungsmittel, Autoreifen und Kühlschränke auf den Feldern auskippen und zündet sie an. Unternehmen im ganzen Land zahlen lieber Schmiergeld an die Mafia, als seriöse Müllfirmen damit zu beauftragen, ihren Unrat zu entsorgen.

Hohe Krebsrate

Durch diese Praxis werden nicht nur gesundheitsschädigende Gase freigesetzt, sondern auch die Erde und das Grundwasser verseucht. Viele Feldfrüchte sind mit Arsen und Schwermetallen belastet. Die krankheitserregenden Folgen der Umweltmisere sind auch statistisch erfasst: In der betroffenen Region gibt es 47 Prozent mehr männliche Krebspatienten als im Bevölkerungsschnitt, bei den Frauen sind es 40 Prozent mehr.

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