„Förderung der Talente“
In der ÖVP geht die Debatte über die Gesamtschule unvermindert weiter. Während Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer nun die Linie von Parteiobmann Michael Spindelegger unterstützt, sieht Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen nicht als Bedrohung, sondern als Chance.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Wenn es eine Differenzierung gebe und eine Förderung der Talente, sei die gemeinsame Schule keine Bedrohung mehr, sondern eine Chance, meinte er fast wortgleich im Ö1-Morgenjournal, in der „Kleinen Zeitung“ und in den „Oberösterreichischen Nachrichten“. Voraussetzung für eine Modellregion ist für ihn, dass eine Rückkehr zum alten System möglich ist, sollte sich der Gesamtschulversuch als nicht zielführend erweisen.
Pühringer-Kopfwäsche für Kritiker
Pühringer hingegen rief die ÖVP-internen Kritiker im „Kurier“ (Samstag-Ausgabe) zur „Mäßigung“ auf und ermahnte sie, sich an den Koalitionspakt zu halten. Darin sei die Beibehaltung des Gymnasiums festgeschrieben. Pühringer vermutet, dass die Enttäuschung über die Zusammenstellung der ÖVP-Regierungsriege ein Motiv für die Kritik ist.
„Landesobmänner sind verärgert, weil sie mit ihrem Land nicht in der Bundesregierung vertreten sind. Wenn man enttäuscht ist, kritisiert man leichter“, sagt Pühringer im „Kurier“. In den „Oberösterreichischen Nachrichten“ wendet sich der Landeshauptmann gegen „Stellvertreter-Kämpfe“ und befindet, dass die Umsetzung der Neuen Mittelschulen und der Ausbau der Ganztagsschulen „Aufgabe genug für die nächsten Jahre“ seien.
NÖ: „Verheerende“ Wirkung in der Öffentlichkeit
Auch aus seiner Heimat Niederösterreich kommt Unterstützung für Spindelegger und Kritik an den parteiinternen Vorkämpfern für Gesamtschulmodellversuche. Bildungslandesrätin Barbara Schwarz betonte im „Kurier“-Interview, dass es keinerlei Denkverbote geben dürfe, eine „gewisse Disziplin“ innerhalb der Partei aber sinnvoll sei. Die ÖVP erwecke durch die unterschiedlichen Positionen in der Öffentlichkeit den Eindruck der Uneinigkeit. Das sei „verheerend“. Niederösterreichs ÖAAB-Chef Wolfgang Sobotka lehnt Modellregionen mit Gesamtschulen rundweg ab. „Das kommt für Niederösterreich nicht infrage“, so Sobotka gegenüber dem „Kurier“. Denn das würde die Abschaffung des Gymnasiums bedeuten.
Auch Kopf und Juraczka stehen Spindelegger bei
Deutlich zurückhaltender als bisher äußerte sich der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf (ÖVP) am Freitag. Während er vor einer Woche noch gesagt hatte, es werde „niemandem ein Stein aus der Krone fallen“, wenn man Modellversuche ermöglichte, erklärte er nun in einer Aussendung, eine Gesetzesänderung sei derzeit weder erforderlich noch sinnvoll.
Die Wiener ÖVP hingegen fühlte sich am Samstag zu einer Klarstellung genötigt, hatte Landesobmann Manfred Juraczka doch noch am Vortag durchblicken lassen, dass er mit einer - z. B. von Vorarlberg geforderten - Testregion für die Gesamtschule kein Problem hätte. Nunmehr betont Juraczka, dass die ÖVP den Erhalt des Gymnasiums ins Regierungsprogramm hineinverhandelt habe, und das sei „gut so“. Parteichef Spindelegger habe daher die „uneingeschränkte Unterstützung“ der Stadtpartei - mehr dazu in wien.ORF.at
ÖVP-Chef für Debatte „offen“
Spindelegger selbst gab sich am Donnerstag ob der vier Bundesländer Vorarlberg, Tirol, Steiermark und Salzburg, die einen Gesamtschulversuch erwägen, konzilianter und betonte, für jede Debatte offen zu sein. „Das ist auch gut in einer Partei“, so Spindelegger in der ZIB2 am Donnerstagabend. Beim Thema Bildung gebe es unterschiedliche Meinungen innerhalb der ÖVP. Das gebe es aber auch in anderen Parteien. Spindelegger hatte zuvor die Forderungen seiner Landesparteien als „Wunsch ans Christkind bezeichnet“.
Amon fordert Schluss bei „Blockade“
Die ÖVP in der Steiermark fordert nun ebenfalls Gesamtschulmodellregionen. Mit der Blockade müsse Schluss sein, es dürfe kein Diskussionsverbot geben, forderte der steirische Nationalratsabgeordnete Werner Amon im „Kurier“. „Es geht hier um eine inhaltliche Diskussion, und inhaltliche Diskussionen sind immer gut“, sagte Amon im Ö1-Morgenjournal am Freitag.
Seinen Parteichef Spindelegger wollte er nicht als Blockierer bezeichnen. „Das sehe ich überhaupt nicht“, so Amon. Es seien bei den Regierungsverhandlungen Vorschläge unterbreitet worden, die aber in der Spitzenrunde nicht angenommen worden seien - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Landesrätin ist „der Kragen geplatzt“
Die steirische ÖVP-Wissenschaftslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder meldete sich unterdessen mit scharfer Kritik an der Bundes-ÖVP und deren bildungspolitischer Linie zu Wort. Ihr sei „der Kragen geplatzt“, sagte sie dem „Kurier“ (Freitag-Ausgabe). Sie sprach von „Starrsinn“, der der ÖVP nicht guttue. „Dass man als Partei, die sich als innovativ und zukunftsorientiert rühmt, einen Modellversuch brüsk ablehnt, halte ich nicht aus.“ Sie wolle nicht in einer Partei, „in der Kadavergehorsam verlangt wird“, sein, sondern vielmehr in einer, „die Vielfalt und Andersdenkende zulässt“ - mehr dazu in steiermark.ORF.at.
Vorarlberg erwägt Alleingang
Ärgerlich sei die Haltung der Bundes-ÖVP, hatte davor Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner gesagt. Dass sich die Bundesregierung gegen den Modellversuch einer gemeinsamen Schule in Vorarlberg ausgesprochen habe, sei bitter und enttäuschend, so die zuständige Landesrätin Bernadette Mennel (ÖVP) am Donnerstag im „Vorarlberg heute“-Interview. Nichtsdestotrotz werde man nicht aufgeben. Man werde die Ergebnisse des Forschungsprojekts zur Schule der Zehn- bis 14-Jährigen abwarten und dann noch einmal beim Bund vorstellig werden. Außerdem wolle man schauen, was im Land - ohne den Bund - umsetzbar sei - mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.
Auch Salzburgs ÖVP-Chef Wilfried Haslauer wehrt sich in Sachen Gesamtschule gegen die Bundes-ÖVP. Die Tiroler Bildungslandesrätin Beate Palfrader zeigte sich ebenfalls von der Bundes-ÖVP enttäuscht. Entgegen der Parteilinie will auch der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) den Pilotversuch im Zillertal ab Herbst „durchziehen“. Der Modellversuch in Innsbruck sei hingegen vorerst gestorben - mehr dazu in tirol.ORF.at.
Links: