Freie Bahn für Hasstiraden
Die Verhandlung über das Verbot der antisemitischen Show des selbst ernannten französischen Satirikers Dieudonne hätte nur eine Formsache sein sollen. Doch das Tauziehen um den Tourneeauftakt in Nantes am Donnerstagabend zog sich über Stunden hin. Am Nachmittag wurde das Verbot wieder aufgehoben: Frankreichs Präsident Francois Hollande und Innenminister Manuel Valls sind nun die Blamierten.
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Von Hollande und Valls abwärts hatte sich die gesamte französische Staatsspitze für das Verbot starkgemacht. Dabei hätten sie es besser wissen müssen: Schon in etwa einem Dutzend ähnlich gelagerten Fällen der französischen Verwaltungsjustiz war jedes Mal zugunsten der Freiheit der Kunst und der Meinungsfreiheit entschieden worden. Nicht umsonst hatte sich Dieudonnes Anwalt Jacques Verdier vor der Verhandlung zuversichtlich gezeigt, dass „kein Zweifel“ daran bestehe, dass sein Klient noch am selben Abend in Nantes auftreten werde.
„Keine Gefahr für die Menschenwürde“
Nun werden sich 5.500 Menschen, denen das jeweils 43 Euro Eintritt wert war, Dieudonnes abendfüllende antisemitische und rassistische Tiraden anhören können. Offen bleiben Entscheidungen über weitere Verbote in anderen Städten. Es ist jedoch zu erwarten, dass auch dort wie in Nantes entschieden wird, dass die Show „keine Gefahr für die Menschenwürde darstellt“. So war das Verbot nach einem mehr als deutlichen Wink mit dem Zaunpfahl von Hollande begründet worden.

APA/AP/David Vincent
Die Verfügung mit dem Verbot der Show in Nantes wurde wieder abgehängt
Frankreichs Innenminister Valls hatte sich auf den Standpunkt gestellt, dass Dieudonnes Shows „nichts mit künstlerischem Ausdruck zu tun haben“, sondern Versammlungen mit dem einzigen Zweck seien, dass Dieudonne „seinen Hass über Juden ausschütten“ kann. Damit werde der „Respekt vor der Menschenwürde unterminiert“ und die öffentliche Sicherheit gefährdet. Gerade von Dieudonnes Gegnern kam jedoch Kritik an diesem Standpunkt.
Regierung ignorierte Warnungen
Die französische Liga für Menschenrechte (LDH) hatte schon vorab gewarnt, Verbote von Dieudonnes Shows seien gerade angesichts der „zweifelhaften Rechtslage und der ungewissen politischen Folgen kontraproduktiv“. Valls riskiere, „dass er Dieudonne jene zutreibt, die sich für gesellschaftlich oder politisch unterdrückt halten“. Valls konterte am Donnerstag, es sei die Aufgabe der Politik, etwas zu riskieren. Am Abend zuvor war einer seiner eigenen öffentlichen Auftritte von pöbelnden Rechtsextremen gestört worden.
Die Debatte über das Verbot der Shows reißt einen tiefen Graben in die französische Öffentlichkeit: Eine dünne Mehrheit von 52 Prozent befürwortet laut einer Umfrage des Instituts CSA für die Website Atlantico.fr das Verbot. Zugleich glauben demnach 64 Prozent der Bevölkerung, dass ein Verbot der Shows nichts zum Kampf gegen Antisemitismus beiträgt. Regierungssprecherin Najat Belkacem-Vallaud insistierte angesichts der „aufgeheizten Stimmung“, man rede „von Rechtsprechung und nicht von Zensur“.
„Je mehr verbotene Sachen, desto populärer“
Für Politikwissenschaftler Jean-Yves Camus kann Dieudonne jedenfalls Profit aus der Situation schlagen. Nun gelte für ihn die einfache Rechnung: „Je mehr verbotene Sachen er sagt, desto populärer wird er.“ Die Zugriffszahlen auf Videos von Dieudonne im Internet schienen das zu erhärten. Viele davon übersprangen durch die Verbotsdebatte die Zweimillionengrenze, auf der Sozialplattform Facebook hatte er schon rund 500.000 Sympathisanten - sympathisierende geschlossene „Anti-Zensur-Gruppen“ mit zweifelhaftem Publikum nicht mitgezählt.
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