Kritik am Portal reißt nicht ab
Nachdem der Österreichische Hausärzteverband (ÖHV) im Zuge des Starts des Portals zur Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) vor einer Woche angekündigt hat, den Patienten einen Austritt zu empfehlen, setzt der ÖHV nun selbst ein klares Signal - so hat am Donnerstag die gesamte Verbandsspitze ihren Austritt aus ELGA eingereicht.
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Im Zuge der Bekanntgabe via Aussendung wiederholte der ÖHV erneut seinen Rat an die Patienten, dem System auch den Rücken zu kehren - argumentiert wird zentral mit mangelndem Datenschutz: „Nachdem eine Koalition politischer und ökonomischer Interessen das ELGA-Gesetz gegen den Widerstand von Ärzten, Datenschützern und Verfassungsjuristen durchgeboxt hat, kann nur noch der Patient selbst verhindern, dass seine sensiblen Gesundheitsdaten in die falschen Hände kommen“, betonte ÖHV-Präsident Christian Euler.

APA/Roland Schlager
Das Plakat des Hausärzteverbands
„Ihr Hausarzt empfiehlt: Raus aus ELGA“
Euler betonte, dass man weder Druck auf die Patienten noch auf die Ärzte ausüben wolle. Sein Verband sehe aber eine „Aufklärungspflicht“ gegenüber den Patienten. Der Verband wird seinen rund 3.850 Hausärzten mit Kassenvertrag in den nächsten Tagen Plakate zur Verfügung stellen, die sie in ihren Ordinationen aufhängen sollen. Zudem wird es Flugblätter geben, auf denen den Patienten Argumente gegen ELGA erläutert werden.
„Ihr Hausarzt empfiehlt: Raus aus ELGA“, ist darauf zu lesen. Mitgeliefert werden auf dem Plakat auch gleich zehn Gründe für einen Ausstieg. Angeführt wird da etwa, dass das System völlig unausgereift sei, Datenmissbrauch und eine Kostenexplosion zu erwarten seien, es sich um ein Bürokratiemonster ohne Notwendigkeit handle und das Scheitern des Projekts vorprogrammiert sei.
Stöger: Ausgetretene „werden sich wieder anmelden“
Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) hat diese Anzahl an Widersprüchen „durchaus erwartet“, wie er am Donnerstag erklärte. Sein Ressort verweist darauf, dass es die meisten Austritte am 7. Jänner, dem ersten Tag nach den Weihnachtsferien gegeben habe. Seither sei die Zahl der Abmeldung zurückgegangen und habe sich eingependelt. Stöger will jetzt Aufklärungsarbeit leisten und ist „überzeugt, viele werden sich bald, spätestens aber wenn sie die Vorteile nach dem Start von ELGA sehen, wieder anmelden“.
Stöger verwies auf „mehr Sicherheit und mehr Qualität der Behandlung, Zeitersparnis, weil Mehrfachuntersuchungen wegfallen“. Außerdem bringe es ein Mehr an Datenschutz und Datensicherheit, weil die Patienten erstmals wissen würden, was mit ihren Daten passiere und wer auf ihre Daten zugreife. Schließlich werde auch die Kommunikation unter den Ärzten verbessert, argumentiert der Gesundheitsminister.
„Üble Desinformation“
Auch die Reaktion vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger auf die Hausärzte-Kritik kam prompt: Die „üble Desinformation und versuchte Manipulation durch Teile der Ärzteschaft“ sei „unerträglich“ und „mit der Ethik eines Arztes nicht vereinbar“, zeigte sich Vorsitzender Hans Jörg Schelling empört. Er sei „überzeugt, dass die Versicherten vernünftig genug sind, nicht vorzeitig aus dem System auszusteigen, weil die Vorteile so eindeutig sind“, hieß es in einer Aussendung.
Ärztekammer sieht „Unbrauchbarkeit“
Von Beginn an Kritik übte hingegen die Ärztekammer (ÖÄK), die dem System „Unbrauchbarkeit“ attestierte. „Ich hoffe, die ELGA-Betreiber setzen in den kommenden Monaten alles daran, das für Ärzte derzeit noch völlig unbrauchbare System zu verbessern“, sagte ÖÄK-Präsident Artur Wechselberger zuletzt. Zudem sieht die Ärztekammer datenschutz- und verfassungsrechtliche Probleme und beruft sich auf ein Gutachten des Verfassungsjuristen Heinz Mayer. Sowohl für die Delegierung an den Hauptverband als auch an die Patientenanwaltschaften fehle die gesetzliche Grundlage, argumentiert dieser.
Zudem hieß es aber immer wieder, den Ärzten könnten eher Haftungsfragen ein Dorn im Auge sein. Mit dem Zugang zu allen medizinischen Daten könnten ihnen ärztliche Fehler eher zum Verhängnis werden. Bedenken zur Ombudsstelle äußerte der Datenschutzrat. Die Rechtsanwaltskammer wiederum kritisierte, dass in der Verordnung keine Zuständigkeit für die Umsetzung eines Widerrufs durch die Patienten enthalten sei.
ELGA „Mogelpackung“ und „aberwitzig“
Unterstützt wird der jüngste Aufruf der Hausärzte auch vom Obmann der ARGE Daten, Hans Zeger. Er bekenne sich zwar zu einer elektronischen Gesundheitsinformation, ELGA sei aber eine „Mogelpackung“, die wie die „Theresianische Kanzleiordnung“ organisiert sei. Für ihn ist das Projekt „völlig unausgegoren“ und aus EDV-Sicht „aberwitzig“.
Zeger hält ELGA für eine „Art Vorratsdatenspeicherung“ im Gesundheitswesen, wo riesige Datenmengen angehäuft würden und für den Arzt keine gezielte Suche nach speziellen Daten möglich sei. Der ARGE-Daten-Obmann würde sich erwarten, dass der Arzt nur jene Daten bekommt, die er tatsächlich braucht. Er forderte Stöger auf, „keine Experimente mit echten Gesundheitsdaten“ zu machen.
Schriftliche Abmeldung möglich
Administriert wird das Opt-out von der neuen Widerspruchsstelle beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Auch schriftlich kann man sich abmelden, auch telefonische Auskünfte werden erteilt. Die Möglichkeit, zu Krankenkasse zu gehen und sich dort persönlich abzumelden, ist dagegen nicht vorgesehen.
Die Onlineabmeldung über das ELGA-Portal ist jenen vorbehalten, die entweder Bürgerkarte oder Handysignatur haben - und das ist weiterhin nur ein kleiner Prozentsatz der Österreicher: Die Bürgerkarte floppt seit ihrer Einführung 2003 mit einem Nutzerkreis von ein paar zehntausend Menschen. Die Handysignatur erlebte zuletzt zwar einen Boom, allerdings weniger durch Privatpersonen als eher durch Unternehmen. Der Debatte scheint jedenfalls eine lange Fortsetzung gewiss: Im zweiten Halbjahr 2014 werden die ersten Gesundheitsdaten via ELGA abrufbar sein.
Bisher etwa 1.800 Abmeldungen
In der ersten Woche haben sich etwas mehr als 1.800 Patienten von ELGA abgemeldet. Ihren vollständigen Austritt aus dem ELGA-System haben mit Stand Donnerstag nach Angaben des Gesundheitsministeriums 1.503 Versicherte erklärt. Zusätzlich haben sich 169 Personen von der E-Medikation und 156 von den elektronischen Befunden abgemeldet.
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