Unfall „im freien Gelände“
Bestens vorbereitet und betont sachlich haben sich die Ermittler nach dem schweren Skiunfall von Ex-Rennfahrer Michael Schumacher am Mittwochvormittag den Fragen der Presse gestellt. In der mit Spannung erwarteten Pressekonferenz ließen Exekutive und Staatsanwaltschaft durchblicken, dass die Schuld an dem Unfall wohl allein bei Schumacher selbst zu suchen sei.
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Staatsanwalt Patrick Quincy sagte, Schumacher sei „von der Piste abgewichen“, und zwar offenbar in vollem Bewusstsein: Alle geltenden Normen zur Markierung des Bereichs zwischen zwei gesicherten Skipisten seien eingehalten worden. Auch Chefermittler Stephane Bozon bestätigte, dass die Markierung der Piste den geltenden Regeln entspreche. Damit würden die Regeln für Skifahren in der freien Bergwelt gelten.
Video „bestätigt, was wir wussten“
Die Untersuchung sei „sehr weit fortgeschritten“, sagte Quincy. Zahlreiche Zeugen seien befragt worden: Skifahrer, Skivermieter und andere. Zudem sei der Unfall bei einem Lokalaugeschein nachgestellt worden. Vor allem aber sei der Film von Schumachers Helmkamera als zentrales Beweismittel ausgewertet worden. Dabei handle es sich um ungefähr zwei Minuten Bild- und Tonmaterial „in gutem Zustand“. Das Video „bestätigt, was wir wussten“.

Reuters/Emmanuel Foudrot
Die Stelle, an der Schumacher am 29. Dezember verunglückte
Gerüchte über ein zweites Video eines anderen Skifahrers, der den Unfall zufällig mitgefilmt haben soll, konnte Quincy nicht bestätigen. Das deutsche Nachrichtenmagazin „Spiegel“ hatte von der Existenz eines solchen Videos berichtet. Quincy forderte mit Verweis darauf allfällige Zeugen auf, sich zu melden und etwaiges Beweismaterial zu übergeben. Auch Berichte, dass Schumacher in den ungesicherten Teil der Piste eingefahren sei, um jemand anderem zu helfen, würden sich nach bisherigem Erkenntnisstand nicht erhärten.
Ausrüstung „in perfektem Zustand“
Die Skiausrüstung habe offenkundig nichts zu dem Unfall beigetragen. Die Leihski seien in „perfektem“ Zustand gewesen, auch der Rest der Ausrüstung - inklusive des beim Unfall zerbrochenen Helms - weise keine Auffälligkeiten auf. Quincy betonte zudem, der Unfall werde mit der „gleichen Sorgfalt und Strenge“ behandelt wie die rund 50 anderen schweren Skiunfälle in der Region pro Saison. Einen Unfall mit vergleichbarem Hergang habe es heuer noch nicht gegeben, so der Staatsanwalt auf Nachfrage.
Schumacher sei mit Sicherheit ein „guter Skifahrer“. Auch habe er seine Geschwindigkeit vor dem Einfahren in den ungesicherten Teil der Piste durch einige Schwünge verringert. Das Tempo dürfte somit dem Gelände angemessen gewesen sein, so Bozon - allerdings unter Verweis darauf, dass man das exakte Tempo erst durch eine Bild-für-Bild-Analyse des Videos aus der Helmkamera errechnen müsse. Der Sportler sei jedoch nach einer Wende mit einem unter einer dünnen Schneeschicht acht Meter außerhalb der Piste liegenden Felsen kollidiert.
Schweigen bei Fragen nach Gesundheitszustand
„Skifahren im freien Gelände“ berge immer Gefahren in sich, unterstrich Bozon. Er und Quincy betonten auf Nachfrage der Journalisten mehrmals, dass der Pistenrand gemäß allen in Frankreich gültigen Regeln korrekt ausgewiesen war. Zugleich sagte Quincy, die Pistenbetreiber seien noch nicht endgültig aus der Haftung entlassen. Die Frage, ob Schumacher „unvorsichtig“ gewesen sei, wollte Quincy „zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beantworten“.

APA/EPA/Ian Langsdon
Quincy (M.) und Bozon (r.) im Kreis der anderen Ermittler
Als Zweck der Pressekonferenz nannte Quincy zu deren Beginn den Kampf dagegen, dass immer mehr Gerüchte über den Unfall gestreut würden. Noch einmal wiederholte der Staatsanwalt zudem den Aufruf der Angehörigen Schumachers vom Vortag, die Privatsphäre der Familie zu respektieren. Fragen zum Gesundheitszustand ließ Quincy entsprechend unbeantwortet. Er sei dazu „weder autorisiert noch qualifiziert“, kanzelte er entsprechenden Fragen kühl ab.
Erster ruhigerer Tag für Ärzte
Das Medieninteresse war gewaltig: Vor dem Justizpalast parkten knapp 20 Übertragungswagen. Am Eingang in der Avenue des Chasseurs Alpins kontrollierte ein halbes Dutzend Polizeibeamte die Medienvertreter. Im ersten Stock des Palais de Justice Albertville drängten sich etwa zwei Dutzend Kamerateams in dem Verhandlungssaal. Einige der Berichterstatter waren schon am Vorabend angereist. Quincy musste zu Beginn der Pressekonferenz zahlreiche nicht akkreditierte Medienvertreter des Saales verweisen.
Für das Krankenhaus in Grenoble, wo Schumacher seit seinem Sturz liegt, bedeutete das einen weiteren Schritt zurück in den normalen Tagesbetrieb. Tagelang hatten die Medienvertreter das Bild vom Krankenhaus mitbestimmt, in dem sich Schumacher noch immer mit seinen schweren Kopfverletzungen im künstlichen Koma befindet. Schumachers Ehefrau Corinna hatte die Medien daher am Dienstag in einem unmissverständlichen Appell zum Verlassen der Klinik aufgefordert.
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