Islam „nicht Hauptquelle“ der Legislatur
Die tunesische Nationalversammlung hat am Wochenende die ersten Artikel der neuen Verfassung angenommen und dabei Vorschläge abgelehnt, den Islam zur „Hauptquelle der Gesetzgebung“ zu machen. Obwohl die Abgeordneten am Samstag für den Islam als Staatsreligion votierten, stimmten sie für eine Garantie der Gewissensfreiheit.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
„Tunesien ist ein freier, unabhängiger und souveräner Staat. Der Islam ist seine Religion, Arabisch ist seine Sprache, und die Republik ist seine Staatsform. Es ist nicht möglich, diesen Artikel zu ändern“, heißt es im ersten Artikel, der mit 146 der 149 Stimmen angenommen wurde. Die Abgeordneten votierten am Samstag auch für den zweiten Artikel, der die Einrichtung einer auf dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit basierenden „zivilen Republik“ vorsieht. Dieser Artikel kann ebenfalls nicht geändert werden.
Die Islamisten der regierenden Ennahda-Partei hatten bereits im Frühjahr 2012 eingewilligt, auf die Einführung des islamischen Rechts, der Scharia, zu verzichten und dem aus der Verfassung von 1959 übernommenen ersten Artikel zuzustimmen. Zwei Änderungsanträge, die den Koran beziehungsweise den Islam zur wichtigsten Rechtsgrundlage machen wollten, scheiterten nun.
Hitzige Debatte über „Hüter des Heiligen“
Während der Beratungen kam es zu hitzigen Diskussionen. Die Sitzung musste während eines Streits über das islamische Recht unterbrochen werden. In einem anderen Artikel wird der Staat als „Hüter des Heiligen“ definiert. Die tunesische Liga für Menschenrechte kritisierte diese Formulierung als zu vage und bemängelte, der Artikel könne dazu missbraucht werden, Bürgerrechte einzuschränken.
Die Sitzung der Nationalversammlung hatte am Freitag begonnen. Bis zum späten Samstagabend verabschiedeten die Delegierten vorerst 15 der 146 Verfassungsartikel. Am Montag wurden weitere Artikel beschlossen, unter anderem einer, der die Gleichstellung von Mann und Frau garantieren soll.
Abstimmung noch bis Mitte Jänner
Über die restlichen Kapitel und etwa 250 eingereichten Änderungsanträge soll bis zum dritten Jahrestag des Sturzes von Ex-Staatschef Ben Ali am 14. Jänner abgestimmt werden. Damit die Verfassung in Kraft treten kann, müssen mindestens zwei Drittel der 217 Abgeordneten diese annehmen, sonst muss das Volk darüber in einem Referendum abstimmen. Der Text ist das Ergebnis mehr als zweijähriger Debatten zwischen den regierenden Islamisten und der Opposition.
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