„Last“ ungleich verteilt
Schon lange streitet die Europäische Union über ihre Flüchtlingspolitik. Neue Brisanz hat das Thema mit der Tragödie von Lampedusa erhalten, wo Anfang Oktober mehr als 360 Bootsflüchtlinge gestorben waren. Zu Weihnachten räumten die Behörden das berüchtigte Lager auf Lampedusa. Für einen neuen Kurs in der Flüchtlingspolitik sind die EU-Staaten zu zerstritten.
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Somit wird wohl auch 2014 ein Jahr der Flüchtlingsprobleme werden. Trotz Kritik und vielfacher Debatten halten alle 28 EU-Staaten an dem alten Prinzip fest: Das Land, über das ein Asylbewerber in die EU eingereist ist, ist zuständig. So legt es die Dublin-II-Verordnung seit 2003 fest. Belastet sind somit Länder wie Italien, Griechenland und Zypern, wo sehr viele Bootsflüchtlinge ankommen. Weil die Mittelmeerstaaten die damit verbundenen Kosten fürchten, kontrollieren sie die Grenzen streng. Große EU-Staaten, wie etwa Deutschland, lehnen jede Diskussion über eine neue Lastenteilung ab.
Menschenrechtler: Reine „Ablenkungsmanöver“
Beim EU-Gipfel am 20. Dezember in Brüssel bekräftigten die Staats- und Regierungschefs mit Blick auf das Drama von Lampedusa ihre „Entschlossenheit, das Risiko zu verringern, dass es in der Zukunft zu weiteren Tragödien dieser Art kommt“. Doch in der Abschlusserklärung setzt die EU auf altbekannte Konzepte: die Außengrenzen besser sichern, den Kampf gegen Schleuser verstärken und die Lage in den afrikanischen Ländern verbessern - damit sich weniger Flüchtlinge auf den Weg nach Europa machen.
Menschenrechtler halten das für nutzlos - und für reine „Ablenkungsmanöver“. Sie fordern eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge und legale Einreisemöglichkeiten. Im Juni 2014 befassen sich die EU-Staaten wieder mit dem Thema.
Eurosur zur besseren Kommunikation
Bis dahin wird vor allem auf neue Technik gesetzt. Das Kommunikationssystem Eurosur ist Anfang Dezember an den Start gegangen. Damit können Polizei, Küstenwache und Grenzschutz Informationen - etwa über die Bewegung von Booten - EU-weit schneller austauschen. Das Mittelmeer wird zum Beispiel aus der Luft und dem All nach verdächtigen Schiffen abgesucht.
Wird ein Boot in Seenot entdeckt, alarmieren die Beamten die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Diese soll die Menschen retten. Die EU will auf diese Weise auch Kriminellen, Terroristen und Waffenhändlern das Handwerk legen. Europa lässt sich das System Eurosur in den nächsten sechs Jahren rund 244 Millionen Euro kosten.
Vorwurf der Verstöße
Das Gesetz verpflichtet die EU-Länder, bei Einsätzen die Menschenrechte zu achten. So dürfen Frontex-Mitarbeiter keine Flüchtlinge an Orte zurückschicken, an denen ihr Leben und ihre Freiheit bedroht sind. Kinder und Verletzte erhalten dabei besondere Behandlung. Menschenrechtler klagen aber, dass in der Praxis Einsatzkräfte dagegen verstoßen. Nach der Tragödie von Lampedusa sorgten Berichte Überlebender für Aufsehen, wonach ihnen italienische Fischer nicht geholfen hätten.
Abkommen mit der Türkei
Türkische Staatsbürger und Migranten, die über türkisches Gebiet in die EU eingereist sind, werden künftig in das Land zurückgeschickt. Ein entsprechendes Rücknahmeabkommen hat Ankara gerade mit der EU unterzeichnet. Im Gegenzug beginnt Brüssel mit der Türkei Verhandlungen über eine visafreie Einreise türkischer Bürger in die EU zu Besuchszwecken. Der Seeweg über das Mittelmeer ist die wichtigste Route für Flüchtlinge nach Europa. Insgesamt querten 2012 nach Angaben der Grenzschutzagentur Frontex 72.000 Menschen illegal die EU-Außengrenze - fast zwei Drittel über den Seeweg.
Marion Trimborn, dpa
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