Themenüberblick

„Von Tag zu Tag denken“

Der lebensgefährlich verletzte Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher befindet sich unverändert in einem kritischen, aber stabilen Zustand. Das bestätigte seine Managerin Sabine Kehm am Mittwoch vor dem Krankenhaus in Grenoble. Der Ex-Sportler sei während der Nacht ständig überwacht worden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Unverändert ist die Situation kritisch, aber es ist immerhin momentan stabil“, sagte Kehm. „Das ist im Moment eine gute Nachricht. Es gibt keine signifikanten Veränderungen zu gestern. Ich würde mich hüten, eine Prognose abzugeben. Wir müssen von Tag zu Tag denken.“ Die Familie befinde sich weiterhin in Grenoble.

„Michael wurde die ganze Nacht über sehr sorgfältig überwacht. Er war die ganze Nacht stabil“, bekräftigte die Managerin. Die behandelnden Ärzte der Universitätsklinik würden sich erst dann wieder zu Wort melden, wenn sich am Gesundheitszustand Schumachers „etwas Entscheidendes“ ändert.

Schumachers Managerin Sabine Kehm

APA/EPA/David Ebener

Zahlreiche Medienvertreter scharen sich um Kehm, die kurz über Schumachers Zustand informiert

„Etwas Zeit gewonnen“

Bei einer rund zweistündigen Operation am Montagabend war es den Medizinern gelungen, einen Bluterguss im Gehirn zu entfernen. Schumacher hatte sich die schweren Kopfverletzungen am Sonntag bei einem Skiunfall in der Nähe von Meribel zugezogen.

„Wir haben etwas Zeit gewonnen“, hatte Jacqueline Hubert, die Leiterin der Klinik, dazu bei einer Pressekonferenz am Dienstag gesagt. Bei dem neuerlichen Eingriff war es nach Angaben des behandelnden Arztes Jean-Francois Payen gelungen, etwas Druck auf das Gehirn wegzunehmen. Allerdings sei es zu früh, die Intensität der Therapie zu verringern. Es ließen sich noch keine Prognosen über den weiteren Verlauf treffen. „Es liegt noch ein langer Weg vor ihm.“

Zahlreiche „diffuse“ Blutergüsse

Montagnachmittag hatte sich nach Angaben der behandelnden Ärzte durch eine Verbesserung des Zustands die Möglichkeit aufgetan, Schumacher zu operieren. Bei einer Computertomografie wurde festgestellt, dass ein großer Bluterguss auf der linken Seite risikolos entfernt werden könne. Daraufhin wurde Schumacher in den Abendstunden des Montags ein zweites Mal operiert. Es gibt allerdings laut den Ärzten zahlreiche weitere „diffuse Blutergüsse“, die sich teilweise im Gehirn befinden und nicht entfernt werden können. Bereits bei der ersten Operation unmittelbar nach der Einlieferung ins Spital am Sonntag war Schumacher laut Angaben der Ärzte ein Teil der Schädeldecke entfernt worden, um den Druck auf das Gehirn zu verringern.

„Müssen realistisch sein“

Der Innendruck in Schumachers Schädel konnte durch den zweiten operativen Eingriff gemindert werden. Dass Schumachers Zustand sich so entwickelt hatte, dass die Operation möglich wurde, hatte die Ärzte nach eigener Aussage selbst überrascht. Es hatte ein Überdruck im Schädel vorgelegen, der größte Besorgnis ausgelöst hatte, erklärte Payen. Auf Journalistenfragen machten die Ärzte klar, dass Schumachers Gesundheitszustand am Montag noch viel kritischer war als derzeit.

„Wir müssen realistisch sein. Die ganze Familie ist sich im Klaren darüber, dass die Situation kritisch ist“, betonte Professor Gerard Saillant, der als Freund mit nach Grenoble gereist ist. „Wir sind etwas weniger besorgt als gestern“, meinte Saillant, „wir wollen diese Schlacht gewinnen.“ Er kennt Schumacher seit vielen Jahren und behandelte den siebenmaligen Weltmeister nach dessen schwerem Rennunfall 1999 in Silverstone. Neben Schumachers Frau Corinna und deren beiden Kindern befinden sich auch Bruder Ralf und Vater Rolf im Spital.

Landkarte zeigt den Unfallort von Michael Schumacher

APA; ORF.at

Schumacher wurde nach seinem Skiunfall in Meribel zuerst ins Spital nach Albertville gebracht und anschließend ins Krankenhaus nach Grenoble verlegt

Keine Prognose möglich

Eine Prognose können die Ärzte derzeit nicht abgeben. Saillant appellierte - auch im Namen der Familie - an die Medien, das Ärzteteam in Ruhe arbeiten zu lassen. Sobald es Neuigkeiten gebe, werde man die Öffentlichkeit informieren. Ein als Priester verkleideter Journalist versuchte laut Managerin Kehm zu Schumacher vorzudringen. Und das war offenbar nicht der einzige Versuch. Kehm verurteilte das scharf. Die Abteilung, in der Schumacher behandelt wird, wird deshalb von einem speziellen Sicherheitsdienst bewacht.

Zugleich betonten die Ärzte, dass Schumacher so behandelt werde wie jeder andere Hirntraumapatient auch - sowohl was das Verfahren angehe als auch den Aufwand. Die Ärzte betonten ausdrücklich, dass alle Patienten mit der gleichen Aufmerksamkeit behandelt würden wie Schumacher.

Piste, auf der Michael Schumacher verunfallte

APA/EPA/David Ebener

Auf dieser Piste soll Schumacher verunglückt sein

Vor Unfall Freund geholfen

Unterdessen wurden am Dienstag erstmals offiziell Details des Unfallhergangs bekannt: Schumacher half demnach unmittelbar vor seinem schweren Skiunfall einem auf der Piste gestürzten Freund. Anschließend sei er in den Tiefschneebereich zwischen zwei Pisten gefahren, berichtete Kehm am Dienstag in Grenoble unter Hinweis auf Schilderungen von Begleitern. Dort sei Schumacher beim Ansatz zu einer Wende gegen einen Felsen gefahren und in die Luft geschleudert worden. Kopfüber sei er dann auf einen Felsen gestürzt, sagte Kehm vor Journalisten.

Schumacher war demzufolge nicht mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs. Dennoch schlug sein Kopf offensichtlich heftig auf. Medienberichten zufolge zersprang dabei sein Helm. Eine Bestätigung dafür gab es in Grenoble aber nicht. Die Ärzte hatten am Montag betont, dass Schumacher ohne Helm „es wohl nicht bis ins Krankenhaus geschafft“ hätte, wie es Payen ausdrückte. Schumacher sei mit der rechten Seite aufgeprallt und nach dem Unfall verwirrt gewesen.

Vettel wünscht Familie viel Kraft

In der Motorsportszene ist die Erschütterung groß. Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel reagierte mit großer Bestürzung auf Schumachers Unfall. „Ich wünsche seiner Familie jetzt ganz viel Kraft“, betonte Vettel, der mit Schumacher sehr gut befreundet ist. Niki Lauda zeigte sich in einem ORF-Interview sehr betroffen. „Ich bete zu Gott, dass alles gut ausgeht. Im Moment schaut es leider nicht so gut aus“, sagte der dreifache Formel-1-Weltmeister. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel reagierte ebenfalls betroffen.

Micheal Schumacher als Sieger vom Großen Preis von Österreich 2003

GEPA/Michael Riedler

Schumacher bei seinem Sieg 2003 im Grand Prix von Österreich

Legende der Formel 1

Medienberichten zufolge trafen auch Schumachers langjährige Wegbegleiter Jean Todt und Ross Brawn am späten Sonntagabend im Krankenhaus ein. Letzterer war an allen sieben WM-Titeln des Rekordsammlers maßgeblich beteiligt. Brawn hatte Schumacher zu dessen Comeback in der Formel 1 bei Mercedes motiviert. 2010 war Schumacher in die Königsklasse des Motorsports nach drei Jahren Pause zurückgekehrt, nachdem er ein geplantes Comeback 2009 für Ferrari wegen der gesundheitlichen Nachwirkungen seines schweren Motorradunfalls im Februar desselben Jahres hatte absagen müssen.

Siebenmal wurde Schumacher Weltmeister in der Formel 1. 1999 überstand er seinen schwersten Unfall, als er in Silverstone im Ferrari verunglückte und sich einen Schien- und Wadenbeinbruch zuzog.

Im „Silberpfeil“ hatte er von 2010 bis einschließlich 2012 an die Erfolge seiner ersten Karriere (1991 bis einschließlich 2006) nicht anschließen können und seinen 91 Grand-Prix-Erfolgen keinen weiteren Sieg hinzufügen können. Mit seiner deutlich lockereren Art sammelte Schumacher aber viele Sympathiepunkte.

Links: