„Start eines globalen Experiments“
Seit Jahreswechsel dürfen im US-Bundesstaat Colorado Bürger über 21 Jahre legal Marihuana kaufen und konsumieren. Cannabis-Aktivisten, die jahrelang für die Freigabe gekämpft hatten, feierten die Wende zum 1. Jänner in Denver, Aspen und anderen Städten mit „Pot“-Partys - obwohl die Freigabe erst mit dem Öffnen der Geschäfte am Neujahrstag (8.00 Uhr Ortszeit, 16.00 Uhr MEZ) amtlich war.
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Um Mitternacht zündeten sich auf den Straßen der größeren Städte viele demonstrativ Joints an - auch wenn das Gesetz das Kiffen in der Öffentlichkeit eigentlich nicht gestattet. Schon seit drei Jahren war in dem Bundesstaat die Abgabe von Marihuana zu medizinischen Zwecken, etwa in der Schmerztherapie, in engen Grenzen legalisiert. Nun ist der Konsum des Rauschmittels auch zu „Freizeitzwecken“ („recreational use“) erlaubt.
Eine Unze für Bürger, eine Viertelunze für Touristen
Nach der Neuregelung dürfen sich Einwohner Colorados pro Kauf mit einer Unze (28 Gramm) „Pot“ eindecken. Besucher aus anderen Staaten müssen sich mit einem Viertel zufriedengeben. Die sonstigen Beschränkungen sind im Wesentlichen jene, die auch für den Konsum von Alkohol gelten. Nicht zuletzt erwartet sich der Bundesstaat dadurch auch wirtschaftliche Impulse, begünstigt durch die Vorreiterrolle: Mit zahlreichen Haschtouristen aus anderen Bundesstaaten wird gerechnet.

APA/AP/Brennan Linsley
Der Aufbau der örtlichen Marihuanaindustrie läuft auf Hochtouren
Rechtlich ist die Freigabe immer noch ein Drahtseilakt: Auf Bundesebene bleibt Cannabis weiterhin illegal. Die nationale Drogenbehörde DEA reiht Cannabis immer noch unter die schweren Drogen. Die Bundesregierung in Washington DC hat aber signalisiert, dass sie nicht eingreifen werde - in einem Achtpunkteabkommen im rechtlichen Graubereich wurden die Voraussetzungen dafür niedergeschrieben, dass die Bundesbehörden „wegschauen“.
Stimmung in US-Bevölkerung ist gekippt
Die Vorgaben aus Washington sind etwa, dass keine Jugendlichen an den Stoff kommen, der Staat nicht selbst als Händler aktiv werden darf und der Export in andere Staaten unterbleibt. Das könnte sich allerdings noch im Lauf des Jahres ändern, da Washington eine Revision der Bewertung von Marihuana auf der Agenda hat. Das ist weniger mutig, als es auf den ersten Blick wirkt, denn inzwischen ist die Mehrheit der US-Bevölkerung gegen die Kriminalisierung des Rauschmittels.
Laut Umfragen befürwortet eine klare Mehrheit der Amerikaner die Legalisierung. Kritiker geraten mit ihrer Warnung, junge Leute könnten nun einen falschen Eindruck gewinnen und Marihuana verharmlosen, immer mehr ins Hintertreffen. Noch heuer will auch der Bundesstaat Washington dem Beispiel Colorados folgen. In beiden Fällen hatten die Bürger in einem Referendum für die Legalisierung gestimmt. Weitere US-Staaten wie Kalifornien dürften mit einer Legalisierung nachziehen.
Colorado nun „unter dem Mikroskop“
20 US-Staaten - darunter Colorado und Washington - erlauben bereits den Marihuanakonsum auf Verschreibung des Arztes. Colorado dient Washington nun auch als Versuchsballon für einen möglichen weiteren Schritt. „Uns ist klar, dass Colorado nun unter dem Mikroskop liegt“, erklärte der Marihuana-Beauftragte des Bundesstaates, Jack Finlaw, zuletzt gegenüber der Presse. Unter der Voraussetzung, dass das Experiment gelingt, könnte die nationale Freigabe erfolgen.
Wenn die gesamten USA Marihuana als legales Rauschmittel wie Alkohol einstufen, dürfte das wiederum nicht ohne Folgen für den Rest der Welt bleiben. Ebenfalls auf dem Weg in die absolute Legalität ist das Rauschmittel vorerst nur in Uruguay. Die globale Ausnahme war bisher Nordkorea, wo Cannabis nicht als Droge gilt. Selbst die sonst nüchtern berichtende US-Nachrichtenagentur AP nannte den Cannabis-Verkaufsbeginn in den ersten 348 offiziellen Verkaufsstellen Colorados am Neujahrstag den „Start eines globalen Marihuanaexperiments“.
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