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Heftige Kritik von allen Seiten

Frankreichs Fußball-„Enfant terrible“ Nicolas Anelka sorgt wieder einmal für großen Ärger. Beim 3:3 bei West Ham United feierte der Profi von West Bromwich Albion Ende Dezember in der englischen Premier League seinen ersten von insgesamt zwei Treffern mit dem „Quenelle-Gruß“ des umstrittenen Komikers Dieudonne.

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Der angebliche umgekehrte Nazi-Gruß - die linke Hand auf dem rechten durchgestreckten Arm - löste vor allem in Frankreich einen Sturm der Entrüstung aus. Aber auch in England wuchs danach die Empörung. Die Zeitung „Sun“ meldete, der englische Fußballverband (FA) werde Anelka anklagen. „Wir werden den Vorfall untersuchen“, bestätigte ein FA-Sprecher.

Nicolas Anelka hält sich den rechten Oberarm

AP/Sang Tan

Nicolas Anelka zeigte beim 3:3 gegen West Ham am Samstag den „Quenelle-Gruß“

„Schockierende, ekelerregende Provokation“

Die französische Sportministerin Valerie Fourneyron sprach nach dem Vorfall über den Kurznachrichtendienst Twitter von einer „schockierenden, ekelerregenden Provokation“. Auf einem Fußballplatz hätten Anstiftung zum Hass und Antisemitismus nichts zu suchen. Der Europäische Jüdische Kongress (EJC) forderte die Premier League auf, Anelka zu sperren. EJC-Präsident Moshe Kantor teilte mit, es dürfe für Rassismus im Sport keinen Platz geben. „Es ist eklig, dass ein Fußballer mit solcher Popularität vor Zehntausenden Zuschauern sich eine solch verletzende und hasserfüllte Geste erlaubt“, kritisierte er.

Der „Quenelle-Gruß“

Der „Quenelle-Gruß“ ist eine Geste in Frankreich, bei der man die linke Hand auf den durchgestreckten rechten Arm legt. Ursprünglich bezeichnet Quenelle einen Auflauf aus überbackenen, ovalen Knödeln, umgangssprachlich wird der Begriff synonym zu „Steck’s dir in den Hintern“ verwendet. Die Geste wurde durch den französischen Komiker Dieudonne M’bala M’bala bekannt gemacht, der als prominenter Vertreter des Rechtsextremismus gilt.

Anelka entgegnete unterdessen auf Twitter: „Diese Geste war bloß eine spezielle Widmung für meinen Freund, den Humoristen Dieudonne.“ Die Armbewegung sei eine Geste „gegen das System“, erklärte Anelka über Twitter. Die Bürger sollten sich nicht „von den Medien hinters Licht führen lassen“. Wenn Minister seine Geste kritisierten „und über die ‚Quenelle‘ ihre eigene Interpretation“ äußerten, dann seien sie für das „Durcheinander“ und die „Polemik“ verantwortlich. Dieudonne gratulierte Anelka per Twitter. „Applaus an Anelka für seine ‚Quenelle‘. Wunderbar! Und danke für deine Unterstützung,“ schrieb der umstrittene Komiker.

Empörung für Trainer „wirklicher Unsinn“

Bei West Bromwich Albion steht man hinter dem Stürmer. Der Club versicherte, es habe sich um keinen antisemitischen Akt gehandelt. Trainer Keith Downing bezeichnete die Empörung als „wirklichen Unsinn“. „Ich kenne diesen Gruß, aber es hat nichts damit zu tun, was nun behauptet wird“, beteuerte der Coach.

In Sachen Affären ist Anelka allerdings kein Unbekannter. Beim Debakel der „Bleus“ bei der WM 2010 in Südafrika war der Stürmer vorzeitig nach Hause geschickt worden, weil er Trainer Raymond Domenech in der Halbzeit des Spiels gegen Mexiko (0:2) wüst beschimpft hatte. Nach der WM war Anelka - der auch andere Skandale verursachte - vom Verband für 18 Länderspiele gesperrt worden.

Weitere Sportler geoutet

Die Affäre zieht mittlerweile immer weitere Kreise. Nach Angaben der in New York erscheinenden jüdischen Zeitung „The Algemeiner“ vom Montag forderte das Simon-Wiesenthal-Zentrum den für den US-Club San Antonio spielenden französischen Basketballer Tony Parker auf, sich für einen solchen Gruß vor einigen Monaten zu entschuldigen.

In einer Mitteilung von Parkers Club erklärte der Sportler später, er habe „in der Geste lediglich einen ironischen Moment gesehen“ und nicht erkannt, dass sie „kränkend oder verletzend“ sein könnte. „Da ich die Bedeutung der Geste verstanden habe, werde ich sie nie wieder praktizieren und entschuldige mich in aller Form“, hieß es weiter.

In britischen Medien tauchten zudem zwei Fotos auf, auf denen die französischen Fußballer Samir Nasri von Manchester City und Mamadou Sakho von Liverpool bei dem Gruß zu sehen waren. Nasri erklärte, er sei nicht antisemitisch. Für ihn sei die Geste ein Zeichen des Protests „gegen das System“. Sakho gab an, die Bedeutung des Grußes nicht zu kennen.

Innenminister will Auftrittsverbot für Dieudonne

Auch Dieudonne ist kein unbeschriebenes Blatt. Erst am Tag vor dem Eklat hatte Frankreichs Innenminister Manuel Valls mitgeteilt, er wolle Mittel und Wege finden, um die als rassistisch angeprangerten Auftritte des 47-Jährigen verbieten zu lassen. In seinem Theater im Süden von Paris sowie in Liedern und YouTube-Filmen bestreitet Dieudonne oft den Holocaust und beleidigt französische Juden. Bei der Europawahl 2009 nahm er als Kandidat einer „antizionistischen Liste“ teil.

Der französische Komiker Dieudonné

Reuters/Charles Platiau

Anelka widmete seine Geste dem rechtsextremen Komiker Dieudonne

Dieudonne wurde in Frankreich mehrfach zu Geldstrafen verurteilt. Trotzdem posierten neben ihm für Fotos französische Sportgrößen wie der Olympiasieger im Judo-Schwergewicht, Teddy Riner, und NBA-Basketball-Superstar Tony Parker. Auch Tennislegende Yannick Noah ließ sich mit dem Komiker fotografieren. Der Humorist hat im Internetportal YouTube rund 200.000 Follower.

Debatte über Bedeutung des „Quenelle-Grußes“

Dieudonnes Anwalt Sanjay Mirabeau versicherte in der Zeitung „Le Parisien“ erneut, der „Quenelle“ sei „kein Nazi-Gruß“. Diese Beteuerung dürfte die Wogen aber kaum glätten. „Die Geste ist ganz klar antisemitisch“, sagte Minister Valls. Und Cindy Leoni von der französischen Organisation SOS Racisme forderte den Verein West Bromwich Albion auf, schnelle Maßnahmen gegen Anelka zu ergreifen.

Der Rektor der Großen Moschee von Paris, Dalil Boubakeur, verurteilte „jedwede Geste oder Äußerung antisemitischer oder rassistischer Natur im Sport“. Der Sport müsse „die höchst humanistischen und universellen Werte von Frieden und Freundschaft“ repräsentieren, teilte der Imam mit.

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