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Forschungsschiff festgefroren

Die Rettung eines am Heiligen Abend im antarktischen Packeis festgefrorenen Forschungsschiffs wird zum Nervenkrimi. Zwar näherte sich am Freitag der chinesische Eisbrecher „Snow Dragon“ („Schneedrache“) den Eingeschlossenen, doch musste der Einsatz abgebrochen werden, als er - schon in Sichtweite der russischen „MV Akademik Schokalskiy“ - selbst festzufrieren drohte.

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Dabei war die Vorfreude der Eingeschlossenen auf die vermeintlich bevorstehende Rettung noch so groß gewesen. Via Twitter freute sich Expeditionsleiter Chris Turney über das späte Weihnachtsgeschenk: „Ein Eisbrecher kommt“, so Turney. Es gebe „viele glückliche Gesichter“. Zuvor habe „Snow Dragon“ aus Sicherheitsgründen umkehren müssen.

Trotz der schlechten Nachricht gehe es der Gruppe an Bord gut, sagte Expeditionsarzt Andrew Peacock am Samstag per Satellitentelefon der Nachrichtenagentur AFP. „Nur das Bier wird langsam knapp.“ Gefahr für Leib und Seele der Gruppe bestehe nicht, weil ansonsten ausreichend Vorräte an Bord seien. Außerdem biete das sich aufschichtende Packeis in der Mitternachtssonne eine atemraubende Kulisse. Einige Passagiere wagten sich sogar zu Fuß aufs Eis, um sich Adelie-Pinguine aus der Nähe anzuschauen.

Hoffnung auf „Aurora Australis“

Die Hoffnung der 74 Forscher und Abenteurer ruht nun auf dem noch stärkeren australischen Eisbrecher „Aurora Australis“, der nach Behördenangaben frühestens Sonntagabend eintreffen könnte. Das Schiff soll den Eingeschlossenen rund 2.800 Kilometer südlich der australischen Stadt Hobart einen Weg aus dem Eis aufs freie Meer bahnen.

Das australische Versorgungsschiff ist das stärkste von insgesamt drei Schiffen, die zur Bergung losgeschickt wurden, und das letzte, das noch im Rennen ist und in absehbarer Zeit durchstoßen könnte. Noch ist nicht sicher, ob es die „Aurora“ wirklich weiter schafft als „Snow Dragon“. „Wir wissen alle, dass wir noch ziemlich lange festsitzen könnten“, sagte Bordarzt Peacock. „Aurora“-Kapitän Murray Doyle sagte einem mitreisenden Reporter der Zeitung „Sydney Morning Herald“, sein Schiff werde stets als Letztes zu Hilfe gerufen. Aber wenn das Eis dicker werde als drei Meter, dann sei auch für ihn Schluss. „Dann wäre es, als würdest du mit einem Auto gegen eine Mauer fahren.“

Der chinesische Eisbrecher Snow Dragon, 2012

AP/Xinhua/Pei Xin

Der chinesische Eisbrecher auf einer Aufnahme im Hafen von Schanghai

Wetterwechsel überraschte Crew

Die „MV Akademik Schokalskiy“ steckt seit dem 24. Dezember rund 100 Seemeilen (185 Kilometer) von dem französischen Antarktis-Stützpunkt D’Urville entfernt im Eis fest. An Bord des Forschungsschiffes sind 74 Menschen, darunter Wissenschaftler und Touristen, die der Route des Antarktisforschers Douglas Mawson vor einem Jahrhundert folgen.

Die Satellitenbilder hätten eine offene Durchfahrt gezeigt, erklärte Turney in einem Interview mit Sky News. Doch die Wetterbedingungen hätten sich schlagartig geändert. „Am Ende des Tages frischte der Wind auf, und das Eis bewegte sich stark. Trotz aller Versuche des Kapitäns mussten wir schließlich einsehen, dass wir nicht durchkommen.“ Die Gewässer, in denen sich das Forschungsschiff befindet, seien üblicherweise befahrbar, sagte Chris Fogwill, einer der Wissenschaftler an Bord, dem Sender ABC. Ein Wetterwechsel habe sie aber vereisen lassen.

Menschen auf dem Eis nahe der MV Akademik Shokalskiy

APA/AP/Australasian Antarctic Expedition/Footloose Fotography/Andrew Peacock

Rund um das Schiff erstreckt sich eine riesige Eisfläche

Am Donnerstag sei überdies ein heftiger Schneesturm über das Schiff gezogen. Die „MV Akademik Schokalskiy“ hat laut Fogwill aber ausreichend Proviant an Bord, so dass die Besatzung nicht in Gefahr sei. Die russische Mannschaft lasse die Maschinen des Schiffs zumindest zeitweise laufen, damit sie nicht vereisen.

Auf den Spuren von Sir Douglas Mawson

Das Schiff befindet sich auf einer fünfwöchigen Expedition in Erinnerung an die Australasiatische Antarktisexpedition vor 100 Jahren. Expeditionsleiter Turney wollte Messungen wiederholen, die der damalige Expeditionsleiter Sir Douglas Mawson vorgenommen hatte. Mawson, ein Geologe, hatte die australische Expedition, die zwischen 1911 und 1914 einen Teil der Antarktis erforschte, geführt.

Das heutige Team grub unter anderem auch Mawsons Hütte auf Cape Denison aus dem Schnee, wie im „Guardian“-Weblog zur Expedition vor einigen Tagen zu sehen war. „Mawson‘s Huts“ war seinerzeit ein Winterstützpunkt der Expedition in der Commonwealth Bucht gewesen, einem Ort, der für sein extremes Wetter, vor allem schwere Stürme, bekannt ist.

Kreuzfahrt im Polarmeer

Polarausflüge auf der „MV Akademik Shikalskiy“ bietet unter anderem der schwedische Reiseveranstalter Expeditions Online an. Nach seinen Angaben hat das 1984 in Finnland gebaute Schiff 26 Doppelkabinen für Touristen an Bord. Es handelt sich um ein eisverstärktes Schiff, das früher Forschungszwecken diente und heute für Kreuzfahrten verwendet wird.

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